Sándor Szenes : geb. 1924 in Buda p e s t, hat die Depo r tatio n e n 1944 miterleb t . Er wurd e n ach Dach a u vers c h lep p t, ins KZ Lands b e r g verle g t und dort von amer ik a n is c h e n Sold a te n befr e it. Studiu m der Gesc h ic h te und Politi k w i s s e n s c h a f t , Arbei t als Journa l i s t für Zeitun g e n und den unga r is c h e n Rund f u n k . Aufsä tz e über da s Schic k s a l der unga r is c h e n Jude n im II. Weltk rieg ; sein Buch über di eses Thema (Befej e z e t l e n múlt), dessen Verö f f e n t l i c h u n g lang e durc h die Behör d e n verh i n d e r t wurd e , ersc h i e n 198 6 . Frank Baron , geb. 1936 in Buda p e s t, 1947 Emig r a tio n in die USA, seit 1954 amer ik a n is c h e r Staa ts b ü r g e r . Studiu m der Gesc h ic h te und Germa n is tik , heute Prof e s s o r an der Un iv ersität Kan sas (german istisch es Semin a r ) . Forsc h u n g s g e b ie te : Liter a tu r und Liter a tu r g e s c h ich te in der Renaissancezeit sowie im 20. Jahr h u n d e r t . Veröf f e n t l i c h u n g e n über Pete r Lude r , Step h a n Hoes t, Joac h im Camer a r iu s , Faus t; Zeitsc h r if te n a r tik e l über Paracel s u s , Rilke, Hesse, Thomas Ma nn, Alber t Bloch und zur unga r i s c h e n Literatu rg esch ich te. Sándor Szenes und Frank Baron Von Ungarn nach Auschwitz Die verschwiegene Warnung Westfälisches Dampfboot Die Deuts c h e Biblio th e k - CIP Einh e its a u f n a h me Szenes, Sándor: V o n Unga r n nach Ausc h w itz: die vers c h w ie g e n e Warn u n g / Fran k Baro n und Sánd o r Szen e s . - 1. Aufl. - Müns ter : Westf ä lis c h e s Damp f b o o t, 1994 ISBN 3-9 2 4 5 5 0 - 9 8 - 0 Ne: Baron , Fran k : 1. Aufla g e Müns ter 1994 © Verla g Westf ä lis c h e s Damp f b o o t Alle Rech te vorb e h a lten Umsc h la g : Egbe r t Lütk e - F a h le Druc k : Druc k w e r k s tatt Hafe n GmbH , Müns ter ISBN 3-9 2 4 5 5 0 - 9 8 - 0 5 Inhalt Frank Baron: Vorwort 7 Einleitung 9 Sándor Szenes: Warnung und Schweigen in Budapest (Interviews) 5 1 I. Józse f Éliás 55 II. Mária Székely 67 III. Andr á s Zaka r 75 IV. Sánd o r Törö k 85 Anhang Frank Baron: Früheste Berichte über Auschwitz und die Deportationen 9 9 I. Rudo lf Vrb a und Alfr e d Wetzler 107 II. Czes law Mord o w ic z und Arno s t Rosin 153 III. Der "poln is c h e Majo r " 163 IV. Ghetto is ier u n g und Depo r tatio n e n in Unga r n 191 Personenregister 2 0 3 6 7 Vorwort Die Aufg a b e , histo r is c h e Ereig n is s e als Zusa mmen h a n g zu erke n n e n und darz u s tellen , wird beso n d e r s schw ier ig , wenn Mens c h e n in einf lu ß r e ic h e r Positio n es vorzieh en , sich in Stillsch weig en zu hüllen über Din g e, die sie früh e r einma l wußte n , und über das, was sie selb s t getan oder auch nich t getan hatten . Die Verb r e c h e n in ihre r Absc h e u lich k e it, die im Jahr 1944 in Unga r n bega n g e n wurd e n , schu f e n eine n luftle e r e n Raum. Als Sánd o r Szen e s sein e Fors c h u n g e n über die Folg e n der Bese tzu n g von Unga r n durch die Deuts c h e n am Ende des zw eiten Weltk r ie g s bega n n , fehlte es völlig an Beweismat e r i a l für die Beant w o r t u n g von kriti s c h e n Frage n . Scho n ehe die Mass e n d e p o r tatio n e n der jüdis c h e n Bevö lk e r u n g durc h g e f ü h r t wurd e n , ware n in Buda p e s t Meld u n g e n darü b e r im Umlau f , was die Depo r tatio n e n in Wirk lic h k e it bede u te te n . Eine genau e Doku me n tatio n über empf a n g e n e Warn u n g e n und dere n Beka n n tma c h u n g war unbe d in g t nötig . Szen e s fand die Lösu n g für dies e s Prob le m, inde m er Persone n interv i e w t e , die unmitte l b a r in dem Versu c h invol v i e r t waren , im Sommer 1944 der poli t i s c h e n Führ u n g und der Kirc h e n f ü h r u n g Beri c h t e über Ausch w i t z zu liefern . Sein e Interv iew s stellen das fehle n d e Bind e g lied in ein em dramatisch en Absch n itt der Gesch ich te dar. Mein e pers ö n lich e Beteilig u n g an dies e r Aufg a b e bega n n , als ich von Sánd o r Szen e s und sein e n Entd e c k u n g e n erfu h r und als es mir klar wurd e , daß die Beric h te über die Vern ich tu n g s lag e r , die die Gesc h e h n is s e in Buda p e s t tief g e h e n d beein f lu ß t hatten , in ihre r Bede u ts a mk e it weit über den Bere ich der unga r is c h e n Gesc h ic h te hi na u s g in g e n . Die Beric h te zwan g e n schließ lich Regie r u n g s h ä u p te r und führ e n d e Repr ä s e n tan te n der Kirc h e n außer h a l b des deuts c h e n Einfluß b e r e i c h s , sich mit der Realitä t der Mass e n v e r n ich tu n g e n ause in a n d e r z u s e t z e n und dazu Stellu n g zu nehme n . Ich habe einer s e its vers u c h t, die R eaktio n e n zu besch r e ib e n , die diese scho c k ie r e n d e n Enth ü llu n g e n herv o r r i e f e n , und ande r e r s e its auch die 8 Mächte, die sich für dere n Gehe imh a ltu n g eins e tz te n . Da die früh e n Ausc h w itz- Be r ich te Orig in a l- D o k u me n te aus dem zweiten Weltk r ie g sind , verlan g e n sie eine weit größere Beacht u n g , als ihnen bishe r zutei l gewor d e n ist. Desh alb verö ffen tlich e ich sie im Anh an g . Die Illu s tr a tio n e n in den Beric h ten sind verk lein e r te Ablich tu n g e n aus dem Text in Masc h in e n s c h r if t. Die Abbild u n g e n sind aus dem priv a te n Foto a r c h iv von Sánd o r Szen e s . Die Lufta u f n a h me von den Vern ich tu n g s - lag e r n Ausc h w itz- Bir k e n a u stammt au s dem Natio n a lar c h iv in Wash in g to n . László Bodola y (Buda p e s t) übers e tz te die Inter v iew s aus dem Unga r is c h e n ins Deuts c h e . Ursu la Huels b e r g e n (Lawr e n c e , Kansa s ) über s e tz te das Vorw o r t, die Einle itu n g und den Mord o v ic z - Ro s in - Ber ic h t vom Englisc h e n ins Deuts c h e und hat bei der Gesa mtk o r r e k tu r mitg e w ir k t. Ich bin Hartmu t Rudo lp h (Mün s ter ) und Péter Küllö i (Bud a p e s t) zu beso n d e r e m Dank verp f lich te t, da si e dazu verh o lf e n habe n , dies e Veröf f e n t l i c h u n g Wirkl i c h k e i t werde n zu lasse n . Frank Baro n Lawren c e , Kansa s Eine klein e Zahl von Fehle r n wurd e in dies e r Inter n e t Dars tellu n g Korri g i e r t . F.B. 9 Einleitung Er hat die Depo r tatio n von Unga r n nach Ausc h w itz mitg e ma c h t und hat sie überleb t. Elie Wiesel stellt beu n r u h ig en d e Frag en über die Gesc h e h n is s e im Jahr 1944 . Ich halte die Tragö d i e der ungar i s c h e n Juden für etwas, das zu ernst e r Ankla g e berec h t i g t und aufru f t . Warum haben wir davon nicht s gewuß t ? Ich könnt e viele s erzäh l e n , denn ich bin ein ungar i s c h e r Jude. Bis heute bemüh e ich mich darum zu verste h e n , was da gesch e h e n ist. Falls es je eine Trag ö d i e gege b e n hat, die hätt e vermi e d e n werde n könne n , dann war es diese . Es war spät im Verla u f des Kriege s — es war schon April, Mai — der erste Trans p o r t verli e ß Szige t am 16. Mai, drei Woche n vor dem Tag X, vor der Landun g in der Norma n d i e . Deuts c h l a n d verl o r den Krieg , und Deuts c h - l a n d wußte es. Dennoc h wurden 450.00 0 Juden aus den Provin z e n in Zügen mit versi e g e l t e n Waggo n s vers c h l e p p t . Tag für Tag, Nach t für Nacht . Warum wurde dem nicht Einha l t gebot e n ? 1 Diese Frage n führe n zu weite r e n Fr agen: Wer wußte, was Elie Wiesel und ande r e Jude n nich t wußte n ? Wann erhie lten sie die Info r ma tio n über das Ausr o ttu n g s p r o g r a mm, das Unga r n bedr o h te ? Waru m blieb die Info r ma tio n gehe im für die Bevö lk e r u n g ? Waru m zöge r te man, etwa s dage g e n zu tun? Wie wurd e die Info r ma tio n weiter g e g e b e n und an wen? Waren die informi e r t e polit i s c h e Führ u n g und die Veran t w o r t l i c h e n in der Kirc h e n f ü h r u n g dazu in der Lage, die Depor tatio n e n zu beend e n oder 1 Elie Wiese l s Einle i t u n g zu Rando l p h L. Braham und Bela Vago (Hrsg. ) : The Holoca u s t in Hungar y Forty Years Later . New York 1985, S. xiv. Die eigen t l i c h e Zahl der Depor t i e r t e n war nach Angab e n der deutsc h e n Be hörd e n 437 402. Vgl. Anme rk u n g 3. Die Deport a t i o n aus Ungarn und deren Folg e n werd e n geze i g t in Elie Wiesel s Buch: Night . Toron t o 1960. 10 wirk s a me Rettu n g s a k tio n e n zu unte r n e h me n ? Waru m weig e r te man sich , etwa s zu tun, oder waru m zöge r te man, bis die meisten Depo r tatio n e n ausg e f ü h r t word e n ware n ? Welch e ideo lo g is c h e n oder taktisc h e n Über leg u n g e n beein f lu ß te n ihre Hand lu n g e n ? Wann erhie lt die jüdis c h e Führ u n g eine n Beric h t über Ausc h w itz, und was hat sie mit dies e m Beric h t ange f a n g e n ? War es Nachläs s ig k e it, oder ware n die Schw ier ig k e iten zu groß , als daß man sie hätte über w in d e n könn e n ? Gab es über h a u p t vern ü n f tig e Entsc h e id u n g s mö g lich k e iten ? Was hätte man unte r n e h me n können ? Wies e l sagt, daß das Unter n e h men zur Ausr o ttu n g der jüdis c h e n Bevö lk e r u n g in Unga r n von eine r relativ klein e n Anza h l deuts c h e r Trup p e n , Funk tio n ä r e und Kollab o r a te u r e wirk s a m ausg e f ü h r t wurd e , solan g e man nich t mit Sich erh eit wuß te, was eig en tlich vor sich gin g . Gehe imh a ltu n g war der Haup tb e s ta n d te il der Nazi- P län e für die “End lö s u n g ” in Unga r n . Als zwei Jude n im April 1944 von Ausc h w itz entk a me n und über das Lage r beric h teten , das die Depo r tier te n aus Unga r n aufnehmen sollte, liefert e n sie — als Möglich k e i t — eine starke Handha b e dafü r , dem wirk u n g s v o llen Mech a n is mu s von Depo r tatio n und Vern ich tu n g Einh a lt zu gebie te n . Aber hätte das die Sach lag e ände r n könn e n ? Das Doku me n tatio n s mater ia l in diese m Buch enth ä lt die Basis für die Bean tw o r tu n g dies e r Frag e n . Wir brin g e n einma l eine Serie von Inter v iew s mit Pers o n e n , die dies e n Beric h t über Ausc h w itz erhie lten und verb r e iteten . Die Inter v iew s zeig e n die Umstä n d e , die zu der Zeit in Budap e s t herr s c h ten , als der Beric h t über Ausc h w itz dort anka m, und auch die Reak t i o n der poli t i s c h e n Führ u n g und de r Kirch e n o b e r h ä u p t e r , die mit ihm konf r o n tier t wurd e n . Zum ande r e n druc k e n wir den Text des Beric h ts über Ausc h w itz, und dies e s Doku me n t zeig t uns gena u e s te n s , welch e scho c k ie r e n d e n Enth ü llu n g e n die unga r i s c h e Führ u n g in ihre r Hand hielt. Es häng t vom Vers teh e n und von eine r gena u e n Deutu n g dies e r Doku me n te ab, wiewei t wir die Fragen , die wir geste l l t haben , beant w o r t e n könne n . Obwoh l der Beric h t im Krise n j a h r 1944 eine zentr a le Rolle spielt, wäre es doch risk a n t, ihn aus dem Zusa mmen h a n g zu lösen . Viele ande r e Faktoren — politische, militärisc h e und geog r a p h i s c h e — kamen zusammen 11 und beein f lu ß te n die Gesc h e h n is s e und dere n schn e llen Wech s e l. Der Bericht über Auschwi t z erreic h t e Unga r n währ e n d der uner w a r teten Bese t z u n g von Unga r n durc h Deut s c h l a n d , das bisher eigen t l i c h ein Bunde s g e n o s s e war. Das Überr a s c h u n g s mo men t, die Gesc h w in d ig k e it und die bruta le Tüch tig k e it verh a lf e n zum Erfo lg der deuts c h e n “End lö s u n g ” in Unga r n . Waru m wurd e die Kenn tn is über die Vern ich tu n g s lag e r von der unga r is c h e n Bevö lk e r u n g fern g e h a lte n ? In welch e m histo r is c h e n Zusa mmen h a n g habe n sich die Bemü h u n g e n abge s p ielt, durc h die die sch o ck ieren d en Neu ig k eiten als Mittel ben u tzt wurd en , um die Jud en vor der Vern ich tu n g zu retten ? Die vorlieg e n d e Monogr a p h i e stellt einen Versu c h dar, ein besse r e s Vers tän d n is der Vorg ä n g e in Unga r n währ e n d der verh ä n g n is v o llen Mona te der Depo r tatio n e n zu gewin n e n , auch wenn es kein e Gewiß h e it dafü r gibt, daß die Fragen defin i t i v beant w o r t e t werde n könne n . Die Interv i e w s mit Mens c h e n , die dire k t in diese Gesc h e h n is s e verw ick e lt ware n , biete n ein zuverlä s s i g e s Mittel für eine objek t i v e Nachp r ü f u n g der Ereig n i s s e . Der histo r is c h e Zusa mmen h a n g kann reko n s tr u ie r t werd e n , und das soll die Aufg a b e des einf ü h r e n d e n Mater ia ls zu den Inter v iew s sein ; die Inter v iew s legen bestimmte Zeitp u n k te fest, an dene n die unga r is c h e Führ u n g eine n Beric h t über die Vern ich tu n g s lag e r in Ausc h w itz erhie lt, dem von den Nazif ü h r e r n ausg e w ä h lten Bestimmu n g s o r t für die unga r is c h e n Jude n . Gena u e s te Nach f o r s c h u n g e n und ihre In ter p r e tatio n sind erfo r d e r lich , um die Umstä n d e , vers c h ied e n e Hand lu n g s mö g lich k e iten und Ziele abzus c h ä t z e n . Wir wollen die Reakti o n dere r vers teh e n , die in der Lage ware n , entsc h e id e n d e Rettu n g s a k tio n e n zu unte r n e h me n . Im Früh j a h r 1944 soll t e der Plan , die ganze jüdis c h e Bevöl k e r u n g Unga r n s ausz u r o tten , ausg e f ü h r t werd e n . Um die dann folg e n d e n dramatisch en Gesch eh n isse zu versteh en , muß man den kritisch sten Teil des Unter n e h men s grün d lich unte r s u c h e n : die Gehe imh a ltu n g , die wie ein Sch leier alles umh ü llte. Da die übrig e Welt nich t wuß te, was vor sich gin g , oder weil sie kein e glau b h a f te Info r ma tio n besa ß , konn te der Plan für den Mass e n mo r d ohne bede u te n d e n Wide r s tan d vora n g e tr ieb e n werd e n . Man muß zunäc h s t festz u s te llen , wann und wie die erste zuve r lä s s ig e Info r ma tio n über Ausc h w itz verf ü g b a r wurd e und was die Empf ä n g e r 12 diese r scho c k ie r e n d e n Nach r ic h t mit ih r anfin g e n , um zu erke n n e n , ob der unge h e u r e Verlu s t von Mens c h e n leb e n unve r me id lich war und ob Rettu n g s a k tio n e n über h a u p t eine Erfo lg s c h a n c e gehab t hätten . Diese Fragen stehen im Mittel p u n k t der In ter v i e w s , die Sándo r Szene s führt e . Anfan g 1944 war Unga r n das einz ig e euro p ä is c h e Land mit eine r nenn e n s w e r t e n jüdi s c h e n Bevöl k e r u n g , das im wesen t l i c h e n noch nicht von der “Endl ö s u n g ” betr o f f e n war. Die Schnelligkeit und relative Leichtigkeit, mit der die Nazif ü h r e r und dere n Kollab o r a te u r e ihre Ausr o ttu n g s p lä n e ausf ü h r ten , ware n beisp ie llo s . Am 19. März mars c h ier te n deuts c h e Trup p e n in Unga r n ein und ordn e ten an, eine neue Regie r u n g unte r Döme Sztó j a y einzus e t z e n . Bei ihm konnten sie sich da rauf verla s s e n , daß er die Politi k der Nazis ausf ü h r te. Ghetto s wurd e n erric h tet, und Jude n wurd e n dazu gezw u n g e n , den gelb e n Ster n zu trag e n . Jude n wurd e n festg e n o mmen und im ganz e n Land in Sammellag e r n eing e s p e r r t. Am 15. Mai 1944 fuhr der erste Zugtr a n s p o r t unga r is c h e r Jude n zum Konz e n tr a tio n s lag e r Ausc h w itz. 2 Bis zum 8. Juli war ein groß e r Teil des Unter n e h men s ausg e f ü h r t: Es ware n scho n 437. 4 0 2 Mens c h e n aus Unga r n depo r tier t word e n , wie der Beric h t des deu tsch en Botsch afters in Bud ap est feststellt. Das bed eu tet, daß meh r als die Hälf te der jüdis c h e n Bevö lk e r u n g in Unga r n — und Mens c h e n jede n Alter s —nac h Ausc h w itz gebr a c h t word e n war, die meisten inne r h a lb eine r Zeitsp a n n e von acht Woch e n . 3 Nach der Anku n f t wurd e eine groß e Anza h l 2 Über den Anfan g der Depor t a t i o n e n vgl. Marti n Gilbe r t : Ausch w i t z and the Allies. New York 1981, S. 181-189 und 207-211 . Die bedeu t e n d s t e Arbe i t über die Gesch i c h t e der ungar i s c h e n Juden im zw eit e n Weltk r i e g ist Rando l p h L. Braha m s Polit i c s of Genoc i d e : The Holoc a u s t in H ungar y . New York 1981, 2 Bde. Vgl. Raul Hilbe r g : The Destr u c t i o n of the Europ e a n Jews. New York 1985, II, S. 796-8 6 0 . 3 Edmun d Veesen m a y e r , SS-Off i z i e r , im Auswär t i g e n Amt einges e t z t und Sonder b o t s c h a f t e r in Ungarn von 1944-1 9 4 5 , schic k t e regel m ä ß i g über den Stand der Depor t a t i o n e n Beri c h t e nach Berli n . Schon früh förde r t e Veese n m a y e r eine radik a l e Lösun g der Juden f r a g e . Seine Beric h t e von 30. April and 10. Dezemb e r 1943 berei t e t e n die Beset z u n g von Ungar n und die Depor t a t i o n e n vor. Elek Karsa i : Edmund Veesen ma y e r ' s Report s to Hitler on Hungar y in 1943. In: The New Hunga r i a n Quart e r l y 5 (1964) , S. 146-1 5 3 . Einig e Beric h t e Veese n m a y e r s (im Zeitrau m vom 15. April bis zum 29. Juni 1944) sind in englisc h e r Sprach e ersch i e n e n . Vgl. Arieh Ben-T o v : Facin g the Holoc a u s t in Budap e s t . The Inter n a t i o n a l Commi t t e e of the Red Cr oss and the Jews in Hungary , 1943-1 9 4 5 . Dordr e c h t 1988, S. 417-4 2 2 . Ben-T o v schre i b t , daß 90% nach Ausch w i t z - B i r k e n a u gesch i c k t wurde n und der Rest nach ander e n Orten in Deuts c h l a n d . Ebd., S. 160. In Ungarn waren vor allem Oberst l e u t n a n t Lászl ó Feren c y und Lászl ó Baky , ein 13 der Depo r tier te n sofo r t in Gask a mmer n umge b r a c h t; den übrig e n wurd e Arb eit im Lag er zug ewiesen , oder sie wurd en auf and ere Lag er verteilt; viele von ihne n wurd e n bald umge b r a c h t. 4 Trotz Bemü h u n g e n , sie vor dem Schic k s a l, das ihne n bestimmt war, zu warn e n , hatte die Mehr z a h l der Jude n kein e Ahnu n g davo n , was sie erwa r te te . Es ware n soga r Warn u n g e n nach Buda p e s t geko mmen , ehe der erste Tran sp o r t das Lan d verließ . Ausch w itz hatte mit Erfo lg sein Gehe imn is währ e n d der erste n zwei Jahr e hüte n könn e n und konn te auch jetzt sein e gewoh n te “Arbe it” forts e tz e n , als das Siege l der Vers c h w ie g e n h e it zerb r o c h e n war. Es gab Vers u c h e , die unga r is c h e n Jude n vor der bevo r s te h e n d e n Gefa h r zu warn e n , aber bis jetzt ist dies e n Bemü h u n g e n nur am Rand e Aufme r k s a mk e it gesc h e n k t word e n als Teil von weitg r e if e n d e r e n histo r isch en Frag en , zum Beisp iel: Wiev iel wuß ten die Alliierten über die Vern ich tu n g s lag e r , und wie glau b w ü r d ig ware n die Nach r ic h ten über Mass e n tö tu n g e n in Ausc h w itz? 5 Ein Beric h t, der von zwei jung e n Häftlin g e n stammt, dene n am 7. April 1944 die Fluc h t aus Ausc h w itz gelan g , ist die wich tig s te Quelle für dies e bede u te n d e n Frag e n . Die Fluc h t hatte weitreich en d e Folg en . Beamter des Innenmi n i s t e r i u m s , fü r die Vorbe r e i t u n g und Verwa l t u n g der Depor t a t i o n e n zustä n d i g . Die Zahl der Depor t i e r t e n gab Feren c y als 434.3 5 1 an. Braha m: Polit i c s of Genoc i d e , II, S. 607. Rudolf Höss, Komma nda n t von Auschwit z zur Zeit der Depor t a t i o n e n aus Ungar n , be suc h t e Budap e s t mehrm a l s , um die Depor t a t i o n e n zu koord i n i e r e n . Er schä t z t e die Zahl der nach Ausc h w i t z Depor t i e r t e n als 400.0 0 0 . Jadwi g a Bezwi n s k a and Danut a Czech : KL Ausch w i t z Seen by the SS. Höss, Broad , Kreme r . New York 1984, S. 124 und 129. 4 Mordo w i c z und Rosin, die in Auschw i t z - B i r k e n a u waren , als die erste n Trans p o r t e aus Ungar n dort ankam e n , beric h t e t e n , daß etwa 10% der Depo r t i e r t e n in das Lager aufge n o m m e n wurde n und zunäch s t nicht umgeb r a c h t wurde n . Von dies e n kame n viel e in ander e Lage r im Reich , nach Buch e n w a l d , Maut h a u s e n , Grossr o s e n , Gusen, Flosse n b u r g , Sachs e n h a u s e n , usw. Vgl. Anhan g . 5 Marti n Gilbe r t s Arbei t über Ausch w i t z und die Alli e r t e n zeig t an viel e n Stell e n , daß der Beric h t von Vrba und Wetzl e r für die Allii e r t e n die wicht i g s t e früh e Quell e über Auschw i t z war. Dies be stät i g t auch John S. Conway : Frühe Augen z e u g e n b e r i c h t e aus Auschw i t z . Gl aub w ü r d i g k e i t und Wirku n g s g e s c h i c h t e . In: Vier t e l j a h r e s h e f t e für Zeit g e s c h i c h t e 27 (1979 ) , S. 260-2 8 4 . Diese r Beric h t spiel t wegen seine r große n Bedeu t u n g für die Ereign i s s e in Ungarn auch in dem vorl i e g e n d e n Buch eine zent r a l e Roll e . 14 Obwoh l das Doku me n ten ma te r ial in dem vorlieg e n d e n Buch sich auf die Gesch e h n is s e in Ungar n bezie h t, reko n s tr u ie r t es ein entsc h e id e n d e s Kapitel eine r Gesc h ic h te von Ereig n is s e n , die über die Grenz e n dies e s Land e s hina u s r e ich t. Es erklä r t, was die Enth ü llu n g e n über die Verni c h t u n g s l a g e r für die be deut e t e , die das nächst e Opfer werden sollte n , und es besch r e i b t die Bemüh u n g e n , die angest e l l t wurden , um diese Mens c h e n leb e n zu retten . Bevor das, was in Ausc h w itz gesc h a h , erka n n t und in die Schw e iz beric h tet wurd e und bevo r die gena u e n Ausk ü n f te an die Regie r u n g e n der alliierten Mäch te weiterg eg eb en wurd en , erreich ten sie Ung arn selb st, wo sie die Plän e für die Vern ich tu n g der unga r is c h e n Jude n wirk s a m zers tö r e n sollte n . Das war jedenf a l l s die Absi c h t der Unte r g r u n d b e w e g u n g in Ausc h w itz, der es gelan g , eine uner h ö r te Fluc h t zu verwir k lich e n aus eine m Lage r , das beka n n t dafü r war, da ß Siche r h e i t s maß n a h me n und Schne l l i g k e i t im Han d eln dort auß ero rd en tlich erfo lg reich waren . 6 Schon ehe deutsc h e Milit ä r v e r b ä n d e Ungar n beset z t e n , hatte Adolf Eich man n die Aktio n der Depo r tatio n unga r is c h e r Jude n nach Ausc h w itz gesta r tet. Am 12. März , einig e Tage bevo r der Reich s v e r w e s e r von Unga r n , Admir a l Mikló s (Nich o l a s ) von Hort hy, zum ersten Mal von Hitlers Absic h ten erfu h r , rief Eich man n SS-O f f i ziere seiner Dienststelle zu einer Zusa mmen k u n f t nach Linz . Damals verk ü n d e te er, daß Unga r n jetzt bese tzt werd e n soll t e , und er besch r i e b den Vo rg a n g der Jude n v e r n i c h t u n g als eine gro ß an g eleg te Blitzk amp ag n e. 7 Vorb e r e itu n g e n für dies e s Unter n e h men ware n seit einig e r Zeit im Gange , und Ausc h w itz war scho n von Janu a r an 6 Erich Kulka, Five Escapes from Auschw i t z . In: Yuri Suhl: They Fough t Back . The Story of Jewis h Resis t a n c e in Nazi Europe . New York 1967, S. 196-21 8 . Über die Flüch t l i n g e aus Ausch w i t z vgl. auch Walt e r Laqu e u r , The Terr i b l e Secr e t . An Invest i g a t i o n into the Suppre s s i o n of Info r ma t i o n about Hitle r ' s 'Fina l Solut i o n ' . London 1980, S. 168-16 9 . Vrba und Wetzle r be haup t e n in dem im Anhang ediert e n Beric h t : “Es hat währe n d unser e r fast zweij ä h r i g e n Haft sehr viele Fluch t v e r s u c h e gegeb e n . Bis auf zwei oder drei Fälle wu rde n aber die Flüch t l i n g e immer leben d oder tot zurü c k g e b r a c h t . ” 7 Jenö Lévai : Eichm a n n in Hunga r y . Budap e s t 1961, S. 64. Zwei Tage frühe r , am 10. März , traf Eich ma n n mit Mita r b e i t e r n in Mautha u s e n zusam m e n , um die Einze l h e i t e n der Depor t a t i o n e n ausz u a r b e i t e n . Mart i n Gilb e r t : The Holoc a u s t . A Histor y of the Jews of Europe during the Second World War. New York 1985, S. 662. 15 aktiv daran beteilig t. Neu e Eisen b ah n s ch ien en wurd en als direk te Verb in d u n g zu den Krema to r ien ange leg t. Neue Gräb e n wurd e n ausg e h o b e n , um die Leich e n zu begr a b e n . Die Nazi- W a c h tp o s ten mach ten sich über die ungar is c h e Salami lustig , die bald in groß e n Meng e n zu habe n wäre . Rudo lf Vrba (frü h e r Walter Rose n b e r g ) , der späte r mit sein e m slow a k is c h e n Kamer a d e n Alfr e d Wetzler (nac h h e r Jose f Lanik ) entf lo h , besc h r e ib t, wie die langs a m eins ick e r n d e Erke n n tn is als Katalys a to r gewir k t hat für die Inten s iv ier u n g sein e s pers ö n lich e n Entsc h lu s s e s , unbe d in g t aus dem Vern ich tu n g s lag e r zu entf lieh e n . Nach unge f ä h r zwei Jahr e n in Ausc h w itz, wo er dank sein e r Stellu n g als Schr e ib e r über le b te und beso n d e r e Priv ileg ie n hatte, schä tzte Vrba die Anza h l der Ermo r d e te n auf etwa 1.76 5 . 0 0 0 . Der Geda n k e , daß da sselbe Schicksa l noch eine Million Mens c h e n währ e n d eine r kurz e n Zeitsp a n n e ereilen könn te , war für ihn ein Ansp o r n zum Hand e ln . Vrba schr e ib t: Fast zwei Jahre lang hatte ich an Fl uch t gedac h t , im Anfan g , weil ich meine Freih e i t wollt e ; dann aus einem objek t i v e r e n Grund , weil ich der Welt mitte i l e n wollt e , was in Ausch w i t z vor sich ging, dann aber hatte ich einen zwing e n d e n Grund . Es war nicht länge r die Frage , daß ein Verbr e c h e n aufge d e c k t , sonde r n daß eines verhi n d e r t werde n sollt e ; daß die Ungar n gewar n t werde n soll t e n , aufg e r ü t t e l t , daß eine Arme e von eine r Mill i o n aufg e s t e l l t werd e n soll t e , eine Arme e , die liebe r kämpf e n als sterb e n wollt e . 8 Es war eine Iron ie des Schic k s a ls , daß die Fluc h t Vrba s möglich gema c h t wurd e durc h die Vorb e r e itu n g e n der Nazis für die Aufn a h me eine r groß e n Zahl von Unga r n im Lage r . Mitg lied e r des Unter g r u n d s in Ausc h w itz erka n n te n , daß ein groß e r Stap e l Pla n k e n für den Bau eine r Lade r a mp e ein mögli c h e s Verst e c k bot, und ein Verst e c k war wicht i g für einen sorgf ä l t i g ausg e a r b e iteten Fluc h tp la n . Häftlin g e , die bei der Lief e r u n g der Plan k e n 8 Rudol f Vrba und Alan Besti c : I Cannot Forgi v e . Londo n 1963, S. 198. Neuer e Ausga b e n sind ersch i e n e n mit verän d e r t e n Titel n . Escap e from Ausch w i t z . I Canno t Forgive. New York 1986, und (mit einem Nachwo r t von John S. Conway ) : 44070. The Consp i r a c y of the Twent i e t h Centu r y . Belli n g h a m 1989. Wetzl e r und auch Vrba behau p t e n , daß die Warnu n g an die ungar i s c h e n Juden ein wicht i g e r Bewegg r u n d war, aus Auschw i t z zu entf l i e h e n . Péter Bokor : Inter j ú Alfre d Wetzl e r r e l [Inte r v i e w mit Alfre d Wetz l e r ]. In: Látó h a t á r (198 1 ) , S. 188. 16 mitar b e iteten , wurd e n besto c h e n , daß sie eine Öffn u n g in dem Holzs ta p e l ließ e n , so daß ein Vers te c k für vier Pers o n e n entstan d . Die Plank e n lagen inner h a l b de r große n Poste n k e t t e , und diese s Gebie t war währe n d der Nacht unbes c h ü t z t , weil alle Häft l i n g e sich e r gefan g e n geset z t waren hinte r de n elekt r i s c h gelad e n e n Zäune n und den Wach t t ü r me n des eige n t l i c h e n Lage r s . Wenn sie die drei Tage verst e c k t bleib e n könnt e n , währe n d alle Wacht - p o s t e n in ihrer Stell u n g blieb e n und der ganze Be rei c h durch s u c h t wurde , dann hätt e n sie eine gute Chan c e ; denn am Ende der drei Tage würde man vermu t e n , daß sie bis jense i t s der Grenzen von Auschwi t z gekomm e n wären , und die Aufga b e , sie zu fi nde n , würde den Zustä n d i g e n dort überg e b e n . Die Wacht p o s t e n , die währ e n d diese r drei Tage das ganze Lager umgab e n , würde n zurüc k g e z o g e n , und sie müßte n nur warte n , bis es Nacht wurde , und dann könnt e n sie sich bis hinte r die unbe s e t z t e groß e Post e n k e t t e schl e i c h e n . 9 Die ersten vier Männer , die auf di ese Weise zu entkommen versu c h t e n , wurd e n von deuts c h e n Trup p e n auße r h a lb von Ausc h w itz gefa n g e n und ins Lage r zurü c k g e b r a c h t. Aber der Vers u c h der Lage r v e r w a ltu n g , das Gehe imn is für die Fluc h t zu entlo c k e n , schlu g fehl, so gab es also noch Hoff n u n g für ande r e . Es gelan g Vrba und Wetzler dann , dens e lb e n Plan ausz u f ü h r e n und alle deuts c h e n Trup p e n , die das Lage r umga b e n , in die Irre zu führ e n . Am 9. April beric h tete SS-Off i z i e r Harten s t e i n in einem Teleg r a mm an das Büro der Berlin e r Gesta p o , daß Vrba und Wetzler vor zwei Tage n geflo h e n seien und daß Himmle r pers ö n lich von der Sach e infor mi e r t worde n sei. 1 0 In unge f ä h r zehn Tage n , nach eine m aben teu e r lich e n Mars c h in südlich e Ri ch tu n g , erre ich te n die beid e n jung e n Slowa k e n das tschec h o s l o w a k i s c h e Dorf Skali t e und ginge n weite r nach Zilin a. Hier war es ihn en mög lich , ein ig e Überleb en d e aus der jüd isch en Führ u n g s s c h ic h t zu konta k tier e n und ihre Erleb n is s e zu beric h ten . 1 1 Oscar Kras n a n s k y, Chemo te c h n ik e r und Zion is te n f ü h r e r , traf die beid e n Flüc h tlin g e und sorg te für eine deuts c h e Über s e tzu n g des Beric h ts , 9 Vrba und Besti c : I Canno t Forgi v e , S. 221. 10 Vgl. Gilbe r t : Ausch w i t z and the Allie s , Abbil d u n g Nr. 22 und S. 196. 11 Gil b e r t : Ausch w i t z and the Allie s , S. 203. 17 der aus den ihm gege n ü b e r gema c h ten Anga b e n entstan d e n war. Bevo r ihr Berich t endgü l t i g niede r g e s c h r i e b e n wu rde , beric h t e t e n Vrba und Wetzl e r ihre Erleb n is s e unab h ä n g ig auf slow a k is c h . Es wurd e bald klar , daß dies e Zeug e n aus dem Vern ich tu n g s lag e r gl au b w ü r d ig ware n . Die beid e n unab h ä n g ig e n Beric h te wurd e n zusa mmen g e f a ß t, und Einz e lh e iten wurd e n dazu g e f ü g t, wenn eine r der beid e n Mä nn e r etwa s ergä n z e n konn te , was der ande r e nich t erleb t hatte. Auf dies e Weise wurde ein langer Berich t auf slow a k is c h und auf deuts c h gesc h a f f e n . Er wurd e am 26. April fertig g estellt. 1 2 Jetzt kam es zu dem kritis c h e n Punkt der Vertei l u n g des Beric h ts . Kras n a n s k y erin n e r t sich : Unser e Arbei t s g r u p p e überl e g t e natü r l i c h , wie der Beri c h t genu t z t werde n sollt e . Wir entsc h l o s s e n uns dazu, den Beric h t an die folge n d e n Stell e n zu schic k e n : an das Verbi n d u n g s k o m i t e e in Istan b u l , an Natha n Schwa l b in Genf; eine Kopie wurde dem Apostol i s c h e n Nuntius [Giusep p e Bu rzi o ] in Brati s l a v a [Preß b u r g ] zur Weite r s e n d u n g an den Vatik a n ge geb e n . Außer d e m wurde eine Kopie des Berich t s an Dr. Kastne r gesan d t zur Weite r g a b e an den Reich s v e r w e s e r Horth y und an Kardi n a l Seréd i . Auf Bitte von Dr. Kastn e r habe ich persö n l i c h den Beri c h t ins Ungar i s c h e übers e t z t , so daß er von den Ungarn gelese n we rde n könnt e , die nicht Deuts c h verst a n d e n . Rabbi Wei ss m a n d e l berei t e t e eine Kopie in jiddi s c h e r Sprac h e vor und schic k t e sie an seine Konta k t p e r s o n e n in der orthod o x e n Gemein d e in der Schw e i z ; auch nach Istan b u l und Londo n . Teiln e h m e r an der Arbei t s g r u p p e waren Gisi Fleisc h - m a n n , Leo Rose n t h a l , Dr. Tibor Kova c z , Dr. Oscar Neuma n n , Rabb i Fied e r , Rabbi Weissm a n d e l , Arch i t e k t Stei n e r , Dire k t o r Fuers t und viell e i c h t noch ander e . Natha n Schwa l b , de m der Beri c h t in die Schw e i z gesch i c k t worde n war, war Abgeor d n e t e r der Jüdisc h e n Agent u r oder des Histadr u t ha Ovdim. Wir hatten Verbin d u n g mit ihm durch gehe i m e Bote n , die unser e Info r m a t i o n zuver l ä s s i g überg a b e n . 1 3 12 Conw a y , S. 267-2 6 9 ; Gilbe r t : Ausch w i t z and the Allie s , S. 203-2 0 4 . 13 Eric h Kulka : Five Escap e s from Ausch w i t z , S. 207. Nach Kulka hat Krasnan s k y in einem Anhang zum Ausc h w i t z - B e r i c h t die Alli i e r t e n um die Zerstö r u n g der Kremat o r i e n von Auschw i t z und die dahin führe n d e n Wege gebet e n . 18 Das Schic k s a l, das diese n Beri c h t traf — beson d e r s wege n der vers c h ied e n e n Kanä le, durc h die er gesc h ic k t wurd e und die dazu führ ten , daß etwa s unte r n o mmen oder auch nich t unte r n o mmen wurd e — erze u g te tief g e h e n d e Folg e n für Unga r n . Dr. Rudo lf Kastn e r (Rez s ö Kasz tn e r ) , Juris t und stellv e r tr e te n d e r Vors itz e n d e r der unga r is c h e n Zion is te n - O r g a n is a tio n , bot eine dire k te Kommu n ik a tio n s v e r b in d u n g an mit pote n tiellen Opfe r n der Ausr o ttu n g s a k tio n . Nach d e m Vrba und Wetzler der slow a k is c h e n jüdis c h e n Führ u n g s g r u p p e über Ausc h w itz beric h te t hatten , vers ich e r te dies e Grup p e den Flüc h tlin g e n , daß sie täglic h mit der unga r is c h e n jüdis c h e n Führ u n g s g r u p p e Konta k t hätte und daß de r Beric h t über Ausc h w itz “sof o r t morg e n früh ” in dere n Händ e n sei. Am nächs te n Tag wurd e Vrba gesa g t, daß Dr. Kastn e r , “der bede u te n d s te Mann ” für unga r is c h - j ü d is c h e Ang eleg en h eiten “jetzt im Aug en b lick ” den Berich t kritisch läse. 1 4 Aber die Hoff n u n g auf eine n Erfo lg durc h Kastn e r s Invo lv ie r u n g war verg e b lich . Kastn e r verh a lf nich t dazu , die unga r i s c h e n Jude n über das Schic k s a l, das sie erwartete, zu info rmieren ; im Geg en teil, er hielt den Ausch w itz-Berich t gehe im. Das Argu me n t der jüdi s c h e n Führ u n g s g r u p p e für das Gehe imh a lten des Ausch w itz- Be r ich ts war die Furch t vor einer ausb r e c h e n d e n Panik . 1 5 Braham, Polit i c s of Genoc i d e , II, S. 710 a nd 1122. Vgl. Anm. Nr. 67 unten. Am 27. Mai gelan g es zwei weite r e n Gefan g e n e n , Czesla w Mordow i c z and Arnost Rosin, aus Ausch w i t z zu entfl i e h e n . Kurz nach ih rer Ankun f t in den erste n Junit a g e n trafe n Vrba, Mordow i c z und Krasna n s k y in de r Nähe von Bratis l a v a mit Monsig n o r e Mario Marti l o t t i , der Giuse p p e Burzi o and den Vatik a n vert r a t , zusa mme n . In einer lange n Unter r e d u n g beton t e n Vrba und Mor dow i c z , daß das Geheim n i s über die Vorgä n g e in Ausch w i t z den Ziele n der Nazis diene und daher das Aufdec k e n der Wahrh e i t notwe n d i g sei. Wei ss m a n d e l fügte nun die Beric h t e von Vrba- W e t z l e r und Mordow i c z - R o s i n zusamm e n und schick t e sie an Natha n Schwa l b in die Schwe i z . Gilbe r t : Ausch w i t z and the Allie s , S. 215-21 6 and 231-23 2 ; Conway , S. 276-27 7 . Für den Berich t von Mordow i c z und Rosin vgl. Anhang . 14 Vrba und Besti c : I Canno t Forgi v e , S. 250. 15 Ernö Munká c s i , der 1944 mit der jüdi sc h e n Führun g in Verbin d u n g stand, beric h t e t , daß am Anfan g der Beri c h t unter Beton u n g der Gehei m h a l t u n g verv i e l f ä l t i g t wurd e , dami t kein e Pani k en ts t e h e (“ho g y páni k o t ne kelts e n e k ” ) . Ernö Munká c si : Hogy a n tört é n t ? Adat o k és okmán y o k a Magy a r zsid o sá g trag é d i á j á h o z [Wie ist es gesch e h e n ? Tatsa c h e n und Dokume n t e zur Tragöd i e des ungari s c h e n Judent u m s ]. Budape s t 1947, S. 111. 19 Für Kastn e r gab es aber noch eine n ande r e n Grun d zum Schw e ig e n . Da er zu diese r Zeit mit der Gesta p o über eine n von deuts c h e r Seite vorg e s c h la g e n e n Austa u s c h von Jude n für Ware n und Geld verh a n d e lte, hätte die Verb r e itu n g des Beric h ts w ohl sein e Verh a n d lu n g e n mit den Nazis unte r min ie r t. Er tat nich ts mit dem Beric h t, und so wurd e Kastn e r ein Komp liz e in der Versc h w ö r u n g , die Tatsa c h e n gehe imz u h a lten . Dies e Gehei mh a l t u n g war wesen t l i c h fü r den glatt e n Abla u f der Vernich tu n g s p lä n e der Nazis . Eich man n selb s t bezo g sich späte r auf ein “Gen tlemen ’ s Agre e me n t” mit Kastn e r , der ange b lich der Gehe imh a ltu n g zuge s timmt hat und sich bere it erklä r te, “die Jude n vom Wide r s tan d gege n die Depo r tatio n abzu h a lten und soga r für Ordn u n g in den Sammellag e r n zu sorg e n ” , und das alles als Austa u s c h für die Möglich k e it, fünf z e h n - bis zwan z ig ta u s e n d Jude n zu retten . Mit Rudo lf Kastn e r land e te der Ausch w itz- Be r ich t in einer Sack g a s s e . Kastn e r war lange Zeit im Prin z ip davo n über z e u g t, daß man die Beric h te zumin d e s t inne r h a lb der jüdis c h e n Gemein d e in Unga r n gehe imh a lten müßte . Obwo h l er nach dem Krieg zuge s ta n d , daß er scho n 1942 “gen a u wußte , was im Osten mit den Jude n gesc h e h e n war, die nach Ausc h w itz und in die ande r e n Vern ich t u n g s lag e r depo r tier t word e n ware n ” , stellte n seine engsten Freunde im Juden r a t und im Rettu n g s - A u s s c h u ß in Abre d e , je etwa s von Kastn e r übe r Ausc h w itz gehö r t zu habe n . 1 6 Nach Lage der Dinge ist es wahrsc h e i n l i c h , daß Kastn e r s Ha ltu n g veran t w o r t l i c h war für die Gehe imh a ltu n g eine s ande r e n Ausc h w itz- Be r ich ts , der Unga r n noch vor dem von Vrba und Wetzler erre ich t hatte. Wir wiss e n jetzt, daß ein myste r iö s e r “Ber ich t eine s poln is c h e n Majo r s ” eine r “jüd is c h e n Konta k tp e r s o n ” am Tag des deuts c h e n Einma r s c h s in Unga r n , dem 19. März , zugä n g lich gema c h t wurd e . We nn man Kastn e r s Bede u tu n g in der jüdis c h e n Führ u n g bede n k t, kann man si ch nich t vors te llen , daß dies e r 16 Rand o l p h L. Braha m : What Did They Know and When? In: Yehuda Bauer and Natha n Rote n s t r e i c h , The Holoc a u s t as Histo r i c a l Exper i e n c e . New York 1981, S. 116-123 . Nach dem Krieg wurde Rudolf Kastne r wegen Zusa m m e n a r b e i t mit den Nazis angek l a g t von einem Kreis g e r i c h t für schul d i g erklä r t . Kurz nach der Verkü n d i g u n g diese s Urtei l s hat ein junge r Mann Kastn e r ermor d e t . Ungef ä h r ein Jahr nach dem Urtei l hat das höchs t e Geri c ht Isra e l s das Urte il des Kre i sge r ic hts aufge h o b e n . Gilbe r t : Ausch w i t z and the Allie s , S. 347. 20 Bericht ihm nicht gezeigt worden wäre. Wegen des Zeitp u n k t s der Ankun f t war dies e r Beric h t als ein Instr u men t zur Rettu n g noch wich tig e r als der Vrba-W e t z l e r Berich t . Erst vor kurzem deck te Martin Gilb ert die Iden tität des “po ln isch en Majo r s ” auf, der im Nove mb e r 1943 aus Ausc h w itz entk a m. Gilb e r t sagt: “Polni s c h e r Major” war der Deckn a m e , den der polni s c h e Unterg r u n d einem Medizi n s t u d e n t e n aus Cracow , einem Jerzy Tabea u (er war franzö s i s c h e r Abst a m m u n g ) gegeb e n hatte ; er war — als ein Mitgli e d der Widers t a ndsbewegung — von einem Gefängnis in Craco w nach Ausch w i t z depor t i e r t worde n ; er arbei t e t e , währe n d er in Ausch w i t z im Haupt l a g e r (Ausc h w i t z I) war, freiw i l l i g im Kranke n b a u in Birken a u (Ausc h w i t z II), um heraus z u f i n d e n , was in Birke n a u mit den jüdis c h e n A nkömmli n g e n gescha h, und um dem Unter g r u n d Beric h t zu ersta t t e n . Danac h ging er nach Ausch w i t z I zurüc k , und dann melde t e er sich freiw i l l i g , die Infor ma t i o n in den Weste n zu bring e n . Er ging in s üdli c h e r Richt u n g durch die Slowa k e i nach Budap e s t mit dem Ziel, die Ad ria zu errei c h e n . Er kam am Tag des Einmars c h s der deutsch e n Ar mee in Budap e s t an (März 1944) . Das macht e seine gefäl s c h t e n Reise p ä s s e ungül t i g und brach t e seine Missio n in Gefahr . Deshal b gab er seine Infor m a t i o n e n einer jüdis c h e n Konta k t p e r s o n in Budap e s t , bevor er nach Polen zurüc k k e h r t e , wo er an den Aufs tä n d e n im August 1944 teilna h m . Er hat (bis ich ihn 1982 aufspü r t e ) st ets gegla u b t , daß sein Beric h t verlo r e n g e g a n g e n sei und daß seine Missio n fehlge s c h l a g e n sei: Das depri m i e r t e ihn zutie f s t . Ich konnt e ihm bewei s e n , daß sein Beric h t , unver ä n d e r t und ungek ü r z t , den Vr ba- W e t z l e r - und Mordo w i c z - B e r i c h t e n beige f ü g t worde n war, die im Juni 1944 die Schwe i z durch Boten errei c h t und eine stark e und unmit t e l b a r e Wirku n g bei den allii e r t e n und neutr a l e n Mäch t e n herv o r g e r u f e n hatt e n . 1 7 17 Herrn Profes s o r Martin Gilber t bin ich Dank schul d i g für diese Erklä r u n g , die er mir in seine m Brie f vom 24. Okto b e r 1993 mitg e t e i l t hat. 21 Drei Mona te lang wurd e der Beric h t nicht genutz t . Amerik a n i s c h e Quelle n beha u p te n , daß dies e r Beric h t, gena u wie der Vrba - W e tz le r - Be r ich t, durc h tsch e c h isc h e Unter g r u n d - K a n ä le weiter g e g e b e n und an Dr. Jaro mir Kope c k y, eine n Vertr e ter der tsch e c h is c h e n Exilr e g ier u n g , weiter g e le itet wurd e . Es ist nich t klar , wann und wie der Beric h t des “poln is c h e n Majo r s ” an den slow a k is c h e n Unter g r u n d geko mmen war, ehe er in die Schw e iz gesc h ic k t wurd e . (Vgl. Anha n g . ) In Unga r n kann man jede n f a lls kein e Unter la g e n find e n , die eine n Vers u c h doku me n tier e n , daß der Beric h t der Kirc h e n - oder Staa ts f ü h r u n g zugä n g lich gemac h t worde n war. Falls Jerzy Tabe a u s “jüd is c h e Konta k tp e r s o n ” den Beric h t an die jüdis c h e Führ u n g s s c h ic h t weiter g e g e b e n hat, so ware n diej e n ig e n , die ihn erhie lten , nich t willen s, ihn in Ung arn bek an n tzu mach en . Im besten Falle hab en sie ihn in den Weste n befö r d e r n lass e n . Wie das verh ä n g n is v o lle Los des Vrba - W e tz le r - Be r ich ts in den Händ e n von Kastn e r zeig t, so habe n wi r allen Grun d zu glau b e n , daß die jüdis c h e Führ u n g s s c h ic h t nich t notw e n d ig e r w e is e so hand e lte, wie Vrba und Wetzler es geho f f t und erwa r te t hatten . 1 8 Obwo h l Kras n a n s k y und sein e Kolleg e n den Beric h t unbe d in g t an einf lu ß r e ic h e Pers o n e n weiter g e b e n wollte n , unters c h i e d si ch ihre Auffa s s u n g , wie man das ausf ü h r e n soll t e , grun d l e g e n d von Vr bas und Wetzl e r s Auffa s s u n g . Sie wollten es nich t risk ieren , ein e Pan ik herv o r zu ru fen , ind em sie auch diej e n ig e n Jude n info r mier te n , die scho n auf dem Weg nach Ausc h w itz waren . Außer d e m gesta n d e n sie es Vr ba und Wetzler nich t zu, selb s tä n d ig zu hand e ln . Anfa n g Mai beob a c h teten dies e beid e n Männ e r , wie Mitg lied e r aus der jüdis c h e n Führ u n g s s c h ic h t eine n Tran s p o r t Jude n in eine m Zug auf dem Bahnho f Zilin a mit Milch und Brot versor g t e n . 1 9 Das schien die Vermu tu n g zu bestä tig e n , daß die slow a k is c h e Führ u n g nich t genu g tat. 18 Die Enthü l l u n g e n verse t z t e n nach Conwa y die jüdis c h e Führu n g in eine schwi e r i g e Lage. “Die einzi g e Hoff nu n g , den Fortga n g der Ausrot t u n g der restl i c h e n Juden in Europ a zu verhi n d e r n , lag in der unver z ü g l i c h e n Verbr e i t u n g dies e r Auge n z e u g e n b e r i c h t e . Doch ei n solche s Hande l n mußte auch höchst unang e n e h m e Frage n über die Rolle des J udenra t e s und über das Ausmaß seiner [des Juden r a t e s ] eigen e n Verst r i c k u n g in die Trag ö d i e herv o r r u f e n . ” Conw a y , S. 274. Trotzd e m haben Weiss m a n d e l und Flei s c h m a n n jede Geleg e n h e i t ausge n ü t z t , um den Weste n über die neues t e n Enthü l l u n g e n zu benac h r i c h t i g e n . 19 Conw a y , S. 277-2 7 9 . 22 Vrba hand e lte unab h ä n g ig und bega n n ohne Wiss e n der jüdis c h e n Führ u n g s s c h ic h t, Kopie n des Beric h ts an vers c h ied e n e Jude n in der Slowak e i zu vertei l e n . 2 0 Was Vrba , Wetzler und Jude n über h a u p t angin g , wurd e die Ver- s c h w ö r u n g , die Fakte n gehe imz u h a lte n , immer noch weiter betr ieb e n . Obwo h l Krasn an s k y persö n lich energ isch e Sch r itte untern ah m, den Berich t an ein f lu ß r eich e Persö n lich k eiten zu übermitteln , füh r ten die Verb in d u n g e n , die er wählte, nich t di re k t zu den bedr o h te n Jude n g r u p p e n in Unga r n . Der Beric h t , den Vrba und Wetzl e r zusammengestellt hatten, erreichte Buda p e s t Ende April oder späte s ten s wä hr e n d der erste n Tage im Mai. Es ist nich t beka n n t, wer eine der Kopie n , die in Bratislav a gema c h t wurd e n , nach Unga r n befö r d e r te und wie die Kopie in die Hand eine s Vertr e ter s der unga r i s c h e n Wide r s t a n d s b e w e g u n g , Dr. Géza Soós (Fach b e r a t e r im unga r is c h e n Auße n min is ter iu m) , kam. Aber es ist eine Tatsa c h e , daß eben dieser Bericht für die Geschic h t e der Jude n in Unga r n auss c h la g g e b e n d war. Die vorlieg e n d e n Inter v iew s , die Sánd o r Szen e s im Jahr 1981 mit vier Teiln e h mer n an den drama t i s c h e n Ereig n is s e n der dann folg e n d e n Tage mach te, halten sich , was die Reih e n f o lg e ange h t, an den Text des Beric h ts . Die Inter v iew s zeig e n den Vers u c h , die wich tig s te n Grun d z ü g e der Gesc h e h n is s e zu reko n s tr u ie r e n , die der Beric h t ausg e lö s t hat. In Verb in d u n g mit dem Text des Beric h ts biete n die Inter v iew s eine solid e Dokume n t a t i o n s b a s i s für Antwo r t e n auf kritisc h e Fragen: Was hat die unga r is c h e Führ u n g s s c h ic h t über Ausc h w itz erfa h r e n und wann ? Wie hat man reag ier t? Ist man entsc h ied e n vorg e g a n g e n ? Wenn nich t, waru m nich t? Wie die unga r is c h e Führ u n g s s c h ic h t die Nach r ic h ten über Ausc h w itz beurte i l t e und wie sie auf den Berich t r eagie r t e , kann nicht isolie r t werden von den Unter d r ü c k u n g s maß n a h me n , di e der jüdis c h e n Bevö lk e r u n g scho n vor der deuts c h e n Bese tzu n g aufe r le g t wurd e n . Reich s v e r w e s e r Horth y kam nach dem ersten Weltk rieg wäh r en d ein er antisemitisch en Welle an die 20 Conw a y , S. 277. 23 Macht. 2 1 Späte r wurd e soga r die Kirc h e n f ü h r u n g auf wach s e n d e n Druc k der deuts c h e n Regie r u n g hin in Maßn a h me n verw ick e lt, die Rech te der Jude n zu besc h r ä n k e n . Die Jude n g e s e tz e von 1938 - 1 9 3 9 setzten Besc h r ä n k u n g e n für Jude n fest; dies e Gese tz e wurd e n von Kath o lik e n und auch von Prote s t a n t e n unter s t ü t z t . Ungef ä h r 100. 0 0 0 chri s t l i c h e Jude n wurd e n einf a c h als Jude n klas s if iz ie r t. Als 1944 alle Pers o n e n , die als Jude n bezei c h n e t wurde n , von der Verni c h t u n g bedr o h t ware n , war die Kirch e n f ü h r u n g s s c h ic h t — durch Gese tz e , die sie selb s t mit gesch a f f e n hatte — dara n gehin d e r t, tatk r ä f tig etwa s zu unte r n e h me n , so daß wenigst e n s christl i c h e J uden geret t e t werde n konnt e n . 2 2 Es war nich t wahr s c h e in lich , daß jeman d , der an Ak tio n e n gege n Jude n teilg e n o mmen hatte, sie besc h ü tz e n würd e . Nach der deuts c h e n Bese tzu n g flößte n die Präsen z des deutsc h e n M ilit ä r s und die Taten der Gesta p o der unga r is c h e n Bevö lk e r u n g Furc h t ein und lähmten sie. Ansta tt die Nach r ic h ten über Ausc h w itz publik zu mach e n , schie n es der jüdis c h e n Führ u n g zu dies e m Zeitp u n k t vielv e r s p r e c h e n d e r zu sein , gehe ime Konta k te zu benu tz e n und zu verh a n d e ln . Solch e Hoff n u n g — wie sie sich in drama tis c h e r Weise in Rudo lf Kastn e r s Bemü h u n g e n ausd r ü c k t, inde m er nämlich mit der Gesta p o verh a n d e lte, um das Lebe n von Jude n zu retten — unte r d r ü c k te wirk u n g s v o ll die Verb r e itu n g der Nach r ic h ten über Ausc h w itz an die Gesa mtb e v ö lk e r u n g . Die Interv iews zeig en , daß die jüd isch e Gemein d e vor Mitte Mai Kopie n des Vrba - W e tz le r - Be r ich ts erhie lt, noch ehe die Depo r tatio n e n bega n n e n . Eine unab h ä n g ig e Bestä tig u n g der Fests te llu n g diese r Tatsa c h e n find e t sich in einem Beric h t, den Jean de Bavie r , ein Vertr e ter des 21 Als man ihm vorwarf, daß er in der Behan d l u n g der Juden zu nachg i e b i g war, schrie b Horthy in einem Brief aus dem Jahre 1943 dem Führer , daß er der erste gewes e n sei, der sich gegen die zerse t z e n d e Haltu n g der Juden geäuß e r t habe. Braha m , II, S. 717. 22 Sánd o r Szene s , Ausch w i t z : Chris t i a n s and Jews. In: Hunga r i a n Books , (1984 ) , S. 14-16 . Vgl. auch die umfan g r e i c h e Arbei t von Sándo r Szene s über Ausch w i t z und Ungar n : Befej e z e t l e n múlt [Unvo l l e n d e t e Verga n g e n h e i t ]. Budap e s t 1986. Die Rede von Bischo f Ravas z zur Un ters t ü t z u n g eines neue n Geset z e s gegen Juden im Jahre 1938 zeigt seine frühe r e Ha ltu n g . Siehe das Török - I n t e r v i e w . Vgl. auch István Kony a : A Magy ar refor má t u s egy há z fels ö veze t é s poli t i k a i ideo l o g i á j a a Horth y - K o r s z a k b a n [Die polit i s c h e Ideol o g i e der Führu n g in der kalvi n i s t i s c h e n Kirch e in der Zeit von Horth y ]. Budap e s t 1967, S. 185-1 9 6 . 24 Intern at i o n al e n Roten Kreu zes, für se ine Vorges e t z t e n in der Schwei z erstellte: Am 13. Mai, dem Tag, vor dem ich Budape s t verli e ß , wurde ich von der jüdisc h e n Gemein d e infor m i e r t , daß am 15. Mai ein Treff e n von Nazi-F u n k t i o n ä r e n wegen der Depor t a t i o n e n stat t f i n d e n soll t e ; es ging hier um den Transp o r t von 300.00 0 Juden nach Kassa und wahrs c h e i n l i c h auch nach Pole n . Was die Öffen t l i c h k e i t und die Behör d e n angeh t , so dient ein solch e r Trans p o r t von Mensc h e n nur dazu , Arbe i t sk r ä f t e zu stel l e n ; da zu den Depo r t i e r t e n aber auch Kinde r und alte Leute gehö r e n , bede u t e t diese r Trans p o r t etwas ganz ander e s . Mir ist nicht nur von der jüdis c h e n Gemei n d e , sonde r n auch von einem hochg e s t e l l t e n ungar i s c h e n Beamt e n beri c h t e t word e n , daß Polen das Ziel dieses Zuge s ist, wo es die mode r n st e n Einri c h t u n g e n gibt, um Mensc h e n durch Vergas u n g umzubr i n g e n . Die jüdis c h e Geme i n d e beri c h t e t , daß man Bewei s e dafür hat, daß ander e Juden in Polen auf die gleic h e Weise versc h w u n d e n sind. 2 3 Wie Józse f Éliás in sein e m Inter v iew mit Sándo r Szene s sagt, hatte die Oppo s i t i o n s b e w e g u n g in dem von den Nazi s beset z t e n Ungar n gegla u b t , daß die Kirc h e n f ü h r u n g zu der Zeit, als die Regie r u n g mit den Nazis kollab o r ier te , am ehes ten in der Lage war, Rettu n g s v e r s u c h e zu unte r n e h me n . Die erste n Adre s s a ten für den Ausc h w itz- Be r ich t ware n unte r ande r e n Mitg lied e r der Kirc h e n f ü h r u n g der kath o lis c h e n , kalv in is tis c h e n und luth e r is c h e n Kirc h e . Der kalv in is tis c h e Bisc h o f Lász ló Rava s z war derj e n ig e , der am stär k s ten davo n über z e u g t war, daß eine sofo r tig e Reak tio n notw e n d ig sei. Wie Éliás sagt, schr ieb Bisc h o f Rava s z scho n am 17. Mai an Premier min is ter Sztó j a y und wies ihn warn e n d dara u f hin, daß die Depo r tatio n e n de facto Mass e n v e r n ich tu n g und Völk e r mo r d seien . Bisc h o f Rava s z fleh te die Regie r u n g im Namen der prote s tan tis c h e n Kirc h e n an, die Greu e ltaten zu unte r b in d e n ; der Brief erklä r te aber 23 Dies e wicht i g e , erst im Jahre 1988 ve rö f f e n t l i c h t e Mitt e i l u n g best ä t i g t , daß sogar vor Mitte Mai zuverl ä s s i g e Au skü n f t e über die Depor t a t i o n e n und deren Bestim m u n g s o r t in Budapes t verbre i t e t ware n . Die Nach r i c h t über die Konze n t r a t i o n s l a g e r in Polen und den Tod durch Verga s u n g deute t darau f hin, daß der Beric h t von Vrba und Wetzl e r der jüdisc h e n Führun g und den Regie r u n g s k r e i s e n bekan n t war. Ben- T o v , S. 126. 25 auß erd em, daß im Aug en b lick die Öffen tlich k eit nich t über den Sach v erh alt infor mi e r t würde . Bisch o f Ravas z er wäh n t e auch in einem Brief an den kath o lisch en Erzb isch o f Seréd i die Mög lich k eit, sich öffen tlich geg en die “unme n s c h lich e n Meth o d e n ” in der Beha n d lu n g der jüdis c h e n Frag e zu wende n . Aber er macht e zur Vorbe d i n g u n g für eine solch e öffen t l i c h e Erklä r u n g , daß eine Deleg a tio n der vers c h ied e n e n Kirc h e n die Regie r u n g warne n sollt e . Kardi n a l Seréd i war nicht koope r a t i v . 2 4 Da Seré d i die größ te Grup p e der unga r is c h e n Bevö lk e r u n g ve rtr a t, war sein e Zusammen a r b e it unen tb e h r lich . Die Inter v iew s zeig e n , daß er nich t dazu zu bewe g e n war, öffent l i c h seinen Sta n d p u n k t zu vertr e t e n . Als Reich sv erweser Horth y Anfan g Juli end lich öffen tlich geg en die Depo r tatio n e n Stellu n g nahm, war se in Entsc h lu ß star k von äuße r e n Fakto r e n beein f lu ß t, nämlich davo n , daß er von fremd e n Mäch ten unte r Druc k gese tzt wurd e und daß man an Deuts c h la n d s bevo r s te h e n d e Nied e r lag e glau b te . Auslä n d is c h e Regie r u n g e n reag ier te n auf Info r ma tio n e n , die auf dem Vrba - W e tz le r - Be r ich t basie r ten , und sand te n warn e n d e Botsc h a f ten an Horth y über die tatsä c h lich e Bede u tu n g der Depo r tatio n e n . Als Horth y schließ lich zum deuts c h e n Botsc h a f ter ging mit der Ford e r u n g , die Depo r tatio n e n zu been d e n , bezo g er sich auf den Inha lt dies e r Botsc h a f ten als Grun d für die Notw e n d ig k e it, die Depo r tatio n e n zu been d e n . Es gibt aber auch Bewe ise dafü r , daß Horth y durc h den Vrba - W e tz le r - Ber ic h t zum Hand e ln vera n la ß t wurd e . Die Gesc h e h n is s e im Juni zeig e n , daß eine Wend u n g in sein e r Haltu n g si ch scho n vorh e r vollzo g e n hatte. Es gab Anze ic h e n , daß das Wiss e n um den Ausc h w itz- Be r ich t eine n star k e n Einf lu ß inne r h a lb der unga r is c h e n Re gie r u n g herv o r g e r u f e n hatte. Anfa n g Jun i besch w erte Reich sv erweser Horth y sich bei Premiermin ister Sztó j ay darü b e r , daß die Jude n in Unga r n bruta l und unme n s c h lich beha n d e lt würd e n . 2 5 Am 21. Juni info r mier te der stellv e r tr e te n d e Auße n min is ter 24 Brah a m: Polit i c s of Genoc i d e , II, S. 1042. 25 Brah a m glaubt , Horthy habe schon An fan g Juni “zuver l ä s s i g e und genaue Auskü n f t e über die Maßnah m e n gegen die Jude n ” gehab t . Horth y sagte Sztój a y , daß besti mmt e Kateg o r i e n von Juden , einsc h l i e ß l i c h Konve r t i t e n und dieje n i g e n , die für das wirtsc h a f t l i c h e Wohl des Lande s wicht i g waren (Inge n i e u r e , Ärzte und Techn i k e r ) von diese n Maßna h me n versc h o n t werde n sollt e n . In seine m Brief an 26 Mihá ly Arnó th y- J u n g e r th die unga r is c h e Minis te r k o n f e r e n z , daß er Mater ia l in sein e m Besitz habe, da s Info r ma tio n gebe über Tran s p o r te von Jude n nach Ausc h w itz, wo sie verg a s t und verb r a n n t würd e n . 2 6 Der Druc k auf Reich s v e r w e s e r Horth y, die unme n s c h lich e Beha n d lu n g von Jude n zu been d e n , wurd e inten s iv e r . Als Resu ltat der Nach r ic h ten über Ausc h w itz aus der Schwei z schick t e n Politi k e r aus aller Welt Warnun g e n an Horthy ; Ende Juni erhie lt er erns te Mahn u n g e n von Paps t Pius XII. , König Gusta v V. von Schw e d e n und von Präs id e n t Roos e v e lt. Roos e v e lt warn te ihn: “Ung a r n wird nich t das gleic h e Schi c k s a l habe n wie das von allen ande r e n ziv ilisierten Natio n en . . . wenn die Dep o r tatio n en nich t aufh ö r en .” 2 7 Der Haup tp u n k t in der Disk u s s io n des Kron r a t s am 26. Juni war der natio n a le und inter n a tio n a le Prote s t gege n di e Jude n v e r f o lg u n g . Im Lauf e dies e r Disk u s s io n e n kam zum erste n Mal auf höch s ter Regie r u n g s e b e n e der Wuns c h zum Ausd r u c k , die Depo r tatio n e n zu been d e n . Als Regie r u n g s b e a mte (ein s c h ließ lich Premier min is ter Sztó j a y) die deuts c h e Politik zu verteid ig en versu ch ten , ereiferte sich Horth y: “Ich erlau b e es nich t, daß die Depo r tatio n e n weiter h in den Unga r n Scha n d e brin g e n ! ” 2 8 Der gera d e z u drama tis c h e Wech s e l in Horth ys Positio n von sein e r offe n k u n d lich e n Indif f e r e n z zum aktiv e n Wide r s tan d , was die Rolle der Regie r u n g bei den Depo r tatio n e n angin g , kann nich t nur als Wirk u n g des Ausc h w itz- Be r ich ts erklä r t werd e n . Denn Horth y beka m dies e n Beric h t höch s tw a h r s c h e in lich Ende Mai oder späte s ten s Anfa n g Juni, und zu dies e m Zeitp u n k t hatte er noch nich ts unte r n o mmen . 2 9 Drei Woche n lang (ode r noch läng e r ) schw ieg er. Die Ab folg e der Gesch e h n is s e zeig t, daß Horth y erst dann entsc h ied e n eing r if f , als erns te Warn u n g e n von den Sztója y wollt e Horth y sein Verha l t e n seit der Beset z u n g recht f e r t i g e n und die Verant w o r t u n g für die Maßnah m e n gegen di e Juden von sich weise n . Er macht e darauf aufmer k s a m , daß man die Judenf r a g e gegen ungar i s c h e Inter e s s e n behan d e l t hätte und daß nach den neues t e n Aus kü n f t e n die Maßna h m e n gegen die Juden radi k a l e r seie n als dieje n i g e n , die man selb s t in Deuts c h l a n d anwen d e t e . Sie würde n in bruta l e r und unmen s c h l i c h e r Weise ausg e f ü h r t . Braha m: Polit i c s of Genoc i d e , II, S. 745. 26 Bra h a m: Polit i c s of Genoc i d e , II, S. 746. 27 Bra h a m: Polit i c s of Genoc i d e , II, S. 755. 28 Bra h a m: Polit i c s of Genoc i d e , II, S. 755. 29 Vgl. das Inter v i e w mit Török . 27 Allii e r t e n und dem Vatik a n ausge g a n g e n waren . Es gilt zu bedenk e n , wie der Ausc h w itz- Be r ich t in den Weste n kam und welch e Wirk u n g er dort hatte. Eine Kopie des Beric h ts , den Kras n a n s k y oder eine r sein e r Kolleg e n von Bratislav a gesc h ic k t hatte, erre ich te schließ lich Dr. Kope c k y in der Schw e iz . Kope c k y nahm sofo r t Konta k t auf mit Gerh a r d Rieg n e r vom World Jewis h Coun c il, und zusa mmen star teten sie eine Teleg r a mm- K a mp a g n e mit britis c h e n und amerik a n i s c h e n Behör d e n . Dadur c h erhie l t Allen Dulles, der Leiter des geh eimen Nach rich ten d ien stes der Verein ig ten Staa te n in der Schw e iz , Nach r ic h t von Ausc h w itz und gab sie weiter an Roswe ll McCle llan d , der Repr ä s e n tan t des Krieg s f lü c h tlin g s a u s s c h u s s e s in Bern war. McCle llan d teleg r a f ier te am 16. Juni die Info r ma tio n weiter nach Was h in g to n . 3 0 Eine weiter e Kopie des Beric h ts , die ursp r ü n g lich nach Istan b u l adressiert word en war, erreich te sch ließ lich Bud ap est. Mosh e (Mik ló s) Krau s z , Vors tan d des paläs tin e n s is c h e n Büro s in Budap e s t, erhie lt eine Kopie des Ausc h w itz- Be r ich ts von Józs e f Reisn e r , eine m jüdis c h e n Ang estellten der türk isch en Botsch aft in Bud ap est. Krau sz untern ah m sofo rt die nötig en Sch r itte, um die Info rmatio n in die Sch w eiz zu sen d en , inde m er Flor ian Mano liu , eine m Mitg lied der rumän is c h e n Botsc h a f t in Bern , die Aufg a b e anve r tr a u te , den Beric h t von Buda p e s t in die Schw e iz zu befö r d e r n . Es gelan g Mano liu am 20. Juni, ihn bei Geor g e s Mante llo (Gyö r g y Mand e l) abzu lief e r n . Geor g e s Mante llo , ursp r ü n g lich ein Gesc h ä f ts ma n n aus Sieb e n b ü r g e n , war Er ste r Sekre tä r des Gener a lk o n s u la ts von El Salv a d o r in Genf . Mante llo sorg te dafü r , daß der Beric h t vervie l f ä l t i g t und verbre i t e t wurde. 3 1 Die Art und Weise , in der man eine solch e Info r ma tio n erhie lt, konn te auss c h la g g e b e n d sein . Es schein t, daß Dulles zu dies e m Zeitp u n k t nur eine kurze teleg r a f is c h e Zusa mmen f a s s u n g des Beric h ts zu sehen beka m. Ein paar Tag e später zeig te Walter Garrett, ein Vertreter der britisch en 30 Brah a m: Polit i c s of Genoc i d e , II, S. 712-7 1 3 . 31 Bra h a m: Polit i c s of Genoc i d e , II, S. 712-71 3 . Moshe Krausz hatte schon vor dem 6. Juni Auszüge au s dem Bericht von Vrba und Wetzl e r , und er macht e Versu c h e , diese nach Jerusa l e m we it e r z u l e i t e n . Ben- T o v , S. 149-1 5 0 . 28 Nachr ic h ten a g e n tu r “Exc h a n g e Teleg r a p h ” , Allen Dulles den Beric h t, den er von Mante llo erha lten hatte. Er beto n te , daß Dulles den Beric h t in sein e r Gege n w a r t las, und Garr e tt beob a c h tete , daß er zutief s t scho c k ie r t war. “Man muß sofo r t etwa s unte r n e h me n . . .” Mit diesen Worten bereitete Dulles ein Teleg r a mm vor, das an den Auße n min is ter gesc h ic k t werd e n sollte. Man nimmt an, daß er es am folg en d en Tag , dem 23. Jun i, abg esan d t hat. 3 2 Es war das Resu ltat von Kope c k ys und Mante llo s Arbe it, daß der Schle ie r der Gehe imh a ltu n g — in der Schw e iz — gelü f te t wurd e . In den dara u f f o lg e n d e n Tage n ersc h ie n e n in der Schwe iz e r Pres s e nich t wenig e r als 384 Artik e l über das Vern ich tu n g s lag e r Ausc h w itz. Die wachse n d e Beacht u n g , die dies e s Thema fand, war ohne Zweif e l ein Fakto r , der den Paps t dahin g e h e n d beein f lu ß te , am 25. Juni ein Telegr a mm an Reichs v e r w e s e r Horthy zu schic k e n , in dem er forde r t e , daß etwa s unte r n o mmen werd e , um weiter e Quale n so viele r unglü c k s e lig e r Mens c h e n zu verh in d e r n . 3 3 Als Reakt i o n auf die Nachr i c h t e n aus der Schweiz berichtete die BBC über die Ausch w i t z - V e r n i c h t u n g s l a g e r . Aber Rand o lp h L. Brah a m hat auf die Frag w ü r d ig k e it jene r Rund f u n k ü b e r tr a g u n g e n in bezu g auf ihre Wirk s a mk e it hing e w ie s e n . Er sag t: 32 Wa lt e r Laque u r and Richa r d Breit ma n : Break i n g the Silen c e . New York 1986, S. 98-99. Werner Rings: Advoka t e n des Feinde s . Wien 1966, S. 140-14 6 . Auskü n f t e über die “Endlö s u n g ” lagen schon 1942 in der Schwei z vor. Eduard Schul t e , deuts c h e r Gesch ä f t s m a n n , der oft in die Schwe i z reis t e , brac h t e Nachri c h t e n an Isidor Koppel m a n n und Benj a m i n Sagal o w i t z , die ihrer s e i t s den Beric h t an Gerha r t Riegn e r , den Vertr e ter von World Jewish Congress in Genf weit e r l e i t e t e n . Rieg n e r traf sich m it Lelan d Harri s o n , Chef der gesam t e n ameri k a n i s c h e n Vertr e t u n g (U.S. Chief of Missi o n in Switz e r l a n d ) in der Schwe i z und Paul Squire , dem Konsul in Genf, wie auch mit Carl Burck h a r d t , dem Vertr e t e r des Inter n a t i o n a l e n Roten Kreuz e s , und er beschr i e b Hitle r s Pläne zur Ausrot t u n g von dreie i n h a l b oder vier Milli o n e n Juden . Späte r , nach einem Gespr ä c h mit Burck h a r d t , schri e b Squir e am 9. Nove mbe r 1942 an Harri s o n über die Mitte i l u n g , daß, gemä ß einem Befeh l von Hitle r , De uts c h l a n d noch im Jahre 1942 juden f r e i gema c h t werd e n soll e : “ . . . I was unab l e to confi r m the actu a l use of the word extermination , that is, its Germa n equi v a l e n t , in the Order of Hitle r in quest i o n . One may draw his own conclu s i o n s , howeve r : if a given terri t o r y must be made 'Jew- f r e e ' by a certa i n date limi t and ther e is no plac e to dump the unfo r t u n a t e s, one solu t i o n rema i n s . . . name l y , deat h , be fo r e Dece mb e r 31, 1942” . Ben- T o v , S. 76-77 . 33 Conw a y , S. 277-2 7 8 . 29 Da es keine organ i s i e r t e n öffen t l i c h e n Bemüh u n g e n [gege n die Gesche h n i s s e in Auschw i t z ] gab, als die BBC Teile des Protok o l l s [näml i c h des Vrba - We t z l e r - B e r i c h t s] über t r u g , hat man die Beri c h t e in der öffen t l i c h e n Meinu n g der ganze n Welt letzt e n Endes als Schre c k e n s p r o p a g a n d a ausge l e g t , die von einer krieg f ü h r e n d e n Macht gegen den Todfe i n d gefüh r t wurde . Wenn die neutr a l e n Lände r , Schwe d e n und die Schwe i z einge s c h l o s s e n , und der Vatik a n in dem Augenbl i c k , als man die Pr oto k o l l e aus Brati s l a v a erhi e l t , eine energi s c h e Press e - und R undf u n k k a m p a g n e gesta r t e t hätte n , hätt e die Welt höchs t wahr s c h e i n l i c h ander s reagi e r t und Horth y wäre mögli c h e r w e i s e dazu überr e d e t word e n , früh e r einz u g r e i f e n . Aber der Vatik a n und die neutr a l e n Lände r waren mehr auf strik t e Einh a l t u n g ihre r Neut r a l i t ä t beda c h t , als daß sie ihre Besorg n i s wegen der ungari s c h e n Juden öffe n t l i c h ausdr ü c k t e n . Sogar die Petition e n des Papstes und von König Gu stav Ende Juni wurden als gehei me Diplo ma t e n b o t s c h a f t gesc h i c k t , ohne daß sie öffen t l i c h bekan n t g e g e b e n wurde n . Die Verei n i g t e n Staa t e n hiel t e n es bis Novem b e r 1944 offiz i e l l für unmög l i c h , die Proto k o l l e zu veröf f e n t l i c h e n , als die Nazi s schon selbst, als Folge des unaufh a l t s a m e n Vorrüc k e n s der Roten Armee , darau f bedac h t waren , die Verni c h t u n g s a n l a g e n zu zerst ö r e n und alle Spure n ihrer Verbr e c h e n ausz u l ö sc h e n . 3 4 Erst am 3. Juli wurde dem Vr ba-W e t z l e r - B e r i c h t in der New York Times Beacht u n g gesch e n k t . Zu diese m Zeitp u n k t fand jede den Beric h t betre f f e n d e Initi a t i v e der Regier u n g der Verein i g t e n Staate n hinter versc h lo s s e n e n Türen statt. Wie Braha m ausfü h r t , macht e der Krieg s f lü c h tlin g s a u s s c h u ß (W ar Refu g e e Boar d ) die Beric h te über Ausc h w itz erst zu einem späte r e n Zeitp u n k t publik , nämlich nach eine r Perio d e von mehr als vier Mona ten . Am 26. Nove mb e r beric h tete die New York Times über eine Press e - k o n f e r e n z de s Kriegs f l ü c h t l i n g s a u s s c h u s s e s . Die Veröff e n t l i c h u n g auf der Titels e i t e spricht von dem “ersten detaill i e r t e n Beric h t eine r Regie r u n g s b e h ö r d e der Vere in ig ten Staa te n , der 34 Brah a m: Polit i c s of Genoc i d e , II, S. 715. 30 Auge n z e u g e n b e w e is e anfü h r t fü r den von Deuts c h e n bega n g e n e n Mass e n mo r d ” . Die Veröff e n t l i c h u n g hat eine bes o n d e r e Bede u t u n g , da die Regie r u n g der Vere in ig ten Staa te n , im Gegen s a tz zu den Regie r u n g e n in Europ a , in der Lage war, schn e ll zu hande ln , damit das Mord e n in den Vern ich tu n g s lag e r n been d e t würd e . Ein Vors c h lag , dies e s Ziel durc h Bomb a r d i e r e n der Eisen b a h n s t r e c k e n n ach Ausch w i t z zu errei c h e n , wurde scho n im Mai 1944 an die Behö r d e n gesc h ic k t. Das Ersu c h e n , das eind e u tig aus den Enth ü l l u n g e n von Vrba und We tzler resultierte, hatte seinen Ursp r u n g im Unter g r u n d in Bratislav a . Am 17. Mai erre ich te das Gesu c h Isaac Stern b u c h , den Vertr e t e r des or tho d o x e n Rabbi n a t s in der Schwe i z , der es an die amerik a n is c h e Botsc h a f t in Bern weiter le itete. Stern b u c h erhielt weitere Bittgesuche aus Br atisl a v a , und er bat wiederh o l t die Botscha f t in Bern darum, seine Mitteil u n g e n weiterz u g e b e n . Das U.S. State Depa r tmen t hat nich ts unte r n o mmen . 3 5 35 Es gab mehre r e verz w e i f e l t e Mitt e i l u n g e n aus Brati s l a v a . Die mit Gehei m s c h r i f t gesch r i e b e n e n Telegra m m e vom 16. und 24. Mai werde n heute im Archiv von Präsid e n t Frankl i n D. Roos eve l t zusamm e n mit den Dokumen t e n des War Refug e e Boar d (in Hy de Park, N.Y. ) aufb e w a h r t . Diese Tele g r a mme bate n mit große r Eindr i n g l i c h k e i t um die Bomba r d i e r u n g der Bahnl i n i e n nach Polen . Stern b u c h schic k t e sie zunäc h s t an da s Berner Büro des Kriegsf l ü c h t l i n g s - a u s s c h u s s e s . Am 25. Mai gab Roswell Mc Cle l l a n d die Mitte i l u n g e n Stern b u c h s an Obers t de Jong weite r , den milit ä r i s c h e n Berat e r in Bern. David S. Wy ma n , der diese Dokum e n t e herau s g e g e b e n hat, konnt e nich t fest s t e l l e n , ob die Weit e r l e i t u n g in Bern oder in Washi n g t o n “bloc k i e r t ” wurde . Rabbi Micha e l Dov Weiss m a n d e l and Gisi Fleis c h ma n n (die führe n d e Persö n l i c h e i t eine r illeg a l e n Grupp e inner h a l b des Judenr a t e s in Bratis l a v a ) ha tte n wahrs c h e i n l i c h die von Stern b u c h weit e r g e g e b e n e n Tele g r a mme verf a ß t . Von ihnen stamm t jeden f a l l s ein Brief vom 22. Mai aus Brati s l a v a , wiede r u m mit eine r eind r i n g l i c h e n Bitt e um Bomba r d i e r u n g . Dieser vier Seiten umfass e n d e Brief — si che r l i c h nicht der erste von Weiss m a n d e l und Fleisc h m a n n über diesen Punkt — enth ä l t eine n ausf ü h r l i c h e n Beri c h t über die ersten Depor t a t i o n e n aus Ungarn und Ei nze l h e i t e n über das Verni c h t u n g s l a g e r Auschwi t z auf Grund der Angaben von Vrba und Wetzl e r . Obwoh l auch diese r Brief von Weissm a n d e l und Flei s c h m a n n in dasse l b e Archi v gelan g t e , ist es nicht klar, wann und wie dies gesch a h . Der Text diese r Botsc h a f t e n ist veröf f e n t l i c h t in David S. Wy man: Ameri c a and the Holoca u s t . Amher s t 1989. Bd. 12, S. vii, 82-87 and 94-97. David S. Wy man: Why Auschwi t z Was Never Bombed. In: Comment a r y 65 (1978) , S. 37-38 and The Abando n m e n t of the Jews. Ameri c a and the Holoc a u s t , 1941-19 4 5 . New York 1984, S. 288-307 . Wei ssman d e l und Fleischm a n n wurden im Herbst 1944 verhaf t e t und nach Auschw i t z depor t i e r t . Weiss m a n d e l konnt e noch recht z e i t i g aus dem Trans p o r t entf l i e h e n , währen d Fleisc h ma n n in den Gaskamme r n von Auschwit z umgekomm e n ist. 31 Jacob Rose n h e im, ein Vertr e ter der Agud a s Isra e l Welt- O r g a n is a tio n in New York , besa ß Info r ma tio n über di e “End lö s u n g ” und die stattf in d e n d e n Depo r tatio n e n in Unga r n , und er konta k tier te hohe Beamte in den Verein ig ten Staate n wegen eines Vorsc h lag s , die Eisen b a h n s tr e c k e n in Kosic e und Pres o v zu bomb a r d ier e n . Am 24. Juni über b r a c h te John W. Pehle , der leiten d e Dire k to r des Weltf lü c h tlin g s a u s s c h u s s e s , Rose n h e ims Vors c h lag pers ö n lich an den stellv e r tr e te n d e n Krieg s min is te r , John McClo y. Es war ein halbh e r z ig e r Versu c h ; Pehle hatte “einig e Zweif e l an der Sach e ” . Er führ te aus, daß er nich t, “jed e n f a lls zu dies e m Zeitp u n k t nich t, das Krieg smin isteriu m daru m bittet, weg en dieses Vorsch lag s etwas zu unte r n e h me n , auße r daß man ihn a ngemes s e n prüf e n soll”. Zwei Tage späte r erklä r te die Einsa tz a b teilu n g des Gener a ls tab s im Krieg s min is te r iu m, daß der Vors c h lag nich t prak tik a b e l sei und “daß er nur ausg e f ü h r t werd e n könn t e durc h Umdi s p o n i e r e n von beträc h t l i c h e m Einsa t z von Lufts tr e itk r ä f te n , die aber erfo r d e r lich sind für den Erfo lg unse r e r Trup p e n , die zur Zeit [andern o r t s ] in entsch e i d e n d e n milit ä r i s c h e n Unter n e h mu n g e n im Einsatz sind”. 3 6 Pehle hat die Situ a tio n am 15. Juli folg e n d e r ma ß e n eing e s c h ä tzt: Als die verzw e i f e l t e Lage in U ngarn unglei c h schlim m e r geword e n war, wurden der Kommission ve rsc h i e d e n e Vorsc h l ä g e für best i mmt e mili t ä r i s c h e Oper a t i o n e n unte r b r e i t e t , die even t u e l l möglic h wären, um den de uts c h e n Verni c h t u n g s a k t i o n e n vorzu b e u g e n oder sie zu verhi n d e r n . Eine r dies e r Vors c h l ä g e legt e nahe , daß die Eise n b a h n s t r e c k e n , die von den Ausgan g s p u n k t e n der Depor t a t i o n e n bis zu den Lager n f ührt e n , bomba r d i e r t würde n . Der 36 Gilb e r t : Ausch w i t z and the Allie s , S. 238. Ehe er zum Vorst a n d des Kriegsfl ü c h t l i n g s a u s s c h u s s e s wurd e , war Pehl e stel l v e r t r e t e n d e r Mini st e r im Finan z m i n i s t e r i u m . Er und seine Kolle g e n haben im State Depar t m e n t eine vorsät z l i c h e Unterd r ü c k u n g von Auskün f t e n über die “Endl ö s u n g ” entde c k t . Henry L. Feing o l d : The Polit i c s of Rescu e : The Roose v e l t Admi n i s t r a t i o n and the Holoca u s t , 1938-1 9 4 5 . New Brunsw i c k , N. J. 1970), S. 239-24 0 and 245. Nachde m sie den Beric h t von Vrba und Wetzl e r gese h e n hatte n , waren Churc h i l l and Eden sich darüb e r einig , daß ein Bombe n a n g r i f f unter n o mme n werde n sollt e , aber man hat ihne n mitg e t e i l t , daß die Bahn l i n i e n von den briti s c h e n Flugz e u g e n nicht errei c h t werde n könnt e n und daß es keine Mögli c h k e i t für Angri f f e auf Ausch w i t z währen d der Nacht gab. Monty Noam Pe nko w e r : The Jews Were Expen d a b l e . Free World Diplo m a c y and the Holoc a u s t . Urban a 1983, S. 192-1 9 3 and 196. 32 betref f e n d e Vorsc h l a g wurde mit dem stel l v e r t r e t e n d e n Kriegs m i n i s t e r McCloy diskut i e r t . Nach einge h e n d e r Erwäg u n g der Angel e g e n h e i t entsc h i e d das Kr ieg s m i n i s t e r i u m , daß die vorg e s c h l a g e n e n Luft a n g r i f f e nich t prak t i k a b e l seie n . Wie “ein g e h e n d ” ware n die Erwä g u n g e n des Krieg s min is te r iu ms? Am 3. Juli erhie lt McClo y ein Memo r a n d u m über den Vors c h lag für ein Bomb a r d e men t, welch e s eind e u tig zeig te , daß McClo y Instr u k tio n e n gege b e n hatte, den Vors c h lag zu “unte r d r ü c k e n ” . 3 7 Der Krieg s f lü c h tlin g s a u s s c h u ß er hie lt den unge k ü r z te n Text der komb in ie r ten Ausc h w itz- Be r ich te erst am 1. Nove mb e r 1944 . Die Enth ü llu n g e n dies e r Beric h te aus erste r Hand und “das Grau e n ” , das aus ihne n spra c h , “ers c h ü tter te die Kommis s io n ” . 3 8 Es gibt für diese n späte n Zeitp u n k t Unter la g e n für neue Bemü h u n g e n von seiten eine s “sch o c k ie r ten ” Pehle , McClo y dazu zu über r e d e n , daß man Ausc h w itz doch bomb a r d ier e . Aber McClo y lehn te den Vors c h lag wied e r u m ab. In der Rück s c h a u ist man sich im allg e me in e n darü b e r einig , daß das Bomb a r d i e r e n der Eisen b a h n s t r e c k e n nach Ausch w i t z ein wirks a mer Rettu n g s v e r s u c h gewe s e n wäre . Waru m hat ein solch e r Bomb e n a n g r if f nich t stattg e f u n d e n ? Präs id e n t Roos e v e lts warn e n d e Botsc h a f t an Reich s v e r w e s e r Horth y Anfa n g Juli drüc k te den Erns t sein e s Vors a tz e s aus, die Depo r tatio n e n einz u s tellen . Er hatte am 16. Janu a r 1944 den Krieg s f lü c h tlin g s a u s s c h u ß eing e s e tzt m it der drin g e n d e n Maßn a h me , “den Plan der Nazis , alle Jude n und Mind e r h e iten der Bevö lk e r u n g in Euro p a ausz u r o tten , nich t zur Ausf ü h r u n g kommen zu lass e n ” . 3 9 War es nicht die 37 Die Aufzei c h n u n g von H. A. G. [Obers t Harri s o n A. Gerha r d t ] läßt deutl i c h erke n n e n , daß McClo y kein e erns t l i c h e Berüc k s i c h t i g u n g anreg e n wollt e : “I know y ou told me to 'kill ' this but sinc e thos e inst r u c t i o n s , we have rece i v e d the atta c h e d lette r from Mr. Pehle . — I sugges t that the atta c h e d repl y be sent. ” John Mende l s o h n : The Holoc a u s t . Relie f and Resc ue of Jews from Nazi Oppression. 1943- 1 9 4 5 . New York 1982, Bd. 14, S. 119. 38 Wy ma n : The Abando n m e n t , S. 41. 39 Gilb e r t : Ausch w i t z and the Allie s , S. 170-17 2 . Zum Verstä n d n i s der Handl u n g e n Pehle s vgl. Ebd. S. 237- 23 8 , 248, 255-25 6 , 312, 320-32 1 , 327-32 8 und David S. Wy ma n: The Abando n me n t of the Jews, S. 38-41 . Die Veran t w o r t l i c h e n in den Minis t e r i e n für Außen p o l i t i k (Depa r t me n t of State ) , Fina n z e n (Dep a r t me n t of Treas u r y ) und Krieg s f ü h r u n g (Depa r t me n t of War) sollt e n die Leitu n g des Kriegsfl ü c h t l i n g s a u s s c h u s s e s überne h m e n , und dieses Gremiu m der drei Ministe r 33 Pflich t des Auss c h u s s e s , sich mit ihm zu bera ten und sein e Unter s tü tzu n g zu erha lten in der Ford e r u n g an das Krieg s min is te r iu m, entsc h ied e n vorz u g e h e n ? Die Reih e n f o lg e der Gesc h e h n is s e in Wash in g to n zeig t eine n Mang e l an schn e ller Vers tän d ig u n g oder Rück s p r a c h e . Das Krieg s - min is te r iu m zog es vor zu schw e ig e n . McClo y war nich t davo n über z e u g t, daß die grau e n v o llen Beric h te der Wahr h e it entsp r a c h e n . Sein Minis te r iu m widerstand stets dem Einsatz militärisc h e r Streit k r ä f t e bei Rettung s a k t i o n e n und verwe i g e r t e auch die Veröf f e n t l i c h u n g der Auschw i t z - B e r i c h t e . 4 0 Ange s ic h ts der Schw ä c h e der Zivilr e g ier u n g , die nich t eind r in g lich und bestimmt auf ihre r Ford e r u n g besta n d , konn te sich die prag matis c h e Haltun g des Militä r s durchs e t z e n . Nachd e m der Gesa mttex t der Ausc h w itz- Be r ich te zugä n g lich gewo r d e n war, fand eine bede u te n d e Verä n d e r u n g in der Haltu n g des Krieg s - f lü c h tlin g s a u s s c h u s s e s statt. Dies führ t zu der wich tig e n Frag e , waru m das “neu e ” Bewe ismater ia l nich t vorh e r zugä n g lich war. Beamte in der Schwe i z besaß e n schon Mitte Juni viel Beweismaterial, aber sie schic k ten nich ts auße r Zusa mmen f a s s u n g e n nach Wash in g to n . Erst am 12. hatte den Auftr a g , regel m ä ß i g dem Präs i d e n t e n Beri c h t zu erst a t t e n . Gilb e r t : Ausch w i t z and the Allie s , S. 170-1 7 2 . 40 Noch im Dezemb e r 1944 ließ McClo y erke n n e n , daß er von der Exist e n z der Verni c h t u n g s l a g e r nicht überz e u g t war. Ka i Bird, The Chair m a n : John J. McClo y , the Makin g of the Ameri c a n Estab l i s h m e n t . New York 1992, S. 206. Cf. S. 201-2 2 7 . Nach dem Krieg hat McCloy als U.S. Hoc hkommissa r fü r Deuts c h l a n d die Straf e Veese n m a y e r s , der in den Depor t a t i o n e n au s Ungar n eine Haupt r o l l e gespi e l t hatte , reduz i e r t . Dadur c h konnt e Veese n m e y e r , der zu einer zwan z i g j ä h r i g e n Zucht h a u s s t r a f e verur t e i l t war, schon im Jahre 1952 auf freie m Fuße sein. Braha m: Polit i c s of Genoc i d e , II, S. 1172. Vgl. Geral d Reitl i n g e r : The SS. Alibi of a Natio n . 1922-1 9 4 5 . New York 1957, S. 353. Zu r Bespr e c h u n g der umstr i t t e n e n Entsc h e i d u n g e n McClo y s vgl. Heine r Li cht e n s t e i n : Warum Ausch w i t z nicht bombar d i e r t wurde. Köln 1980. S. 97-114 . Pehle und seine Mitar b e i t e r haben einen Vorsc h l a g vom Septe mb e r 1944, den Präsi d e n t e n in diese r Sache zu konsu l t i e r e n , nicht ausgef ü h r t . Gemäß Wy man gibt es übe rh a u p t keine Anzei c h e n dafür , daß der Präsid e n t mit der Frage der Bombar d i e r u n g von Auschw i t z oder der Bahnli n i e n dahin je konfro n t i e r t wurde. Wy man: S. 288-30 7 . Nachde m er die Auschw i t z - B e r i c h t e verö f f e n t l i c h t e , hat der Nach r i c h t e n d i e n s t des Krieg s mi n i s t e r i u ms Pehle dara u f aufme r k s a m gema c h t , daß er für diese Aktio n die Einwi l l i g u n g diese s Minis t e r i u ms gebra u c h t hätte . Ihm wurd e mitg e t e i l t , daß die Verö f f e n t l i c h u n g der Beri c h t e nich t ratsa m sei. Rich a r d Brei t ma n and Alan M. Krau t , Amer i c a n Refu g e e Polic y and Europe a n Jewry , 1933- 1 9 4 5 . Bloomi n g t o n 1987, S. 201-20 2 . Vgl. S. 219-221 and 247. 34 Oktob e r , vier Mona te nach d e m sie in der Schw e iz ange k o mmen ware n , sand te McCle llan d die Beric h te an den Krieg s f lü c h tlin g s a u s s c h u ß in den Vere in ig ten Staa te n . Zusä tzlich zu dem Beric h t von Vrba und Wetzler sand te er die Beric h te von drei ande r e n , die aus Ausc h w itz geflü c h te t ware n : die Beric h te von Mord o w ic z - Ro s in und den des “poln is c h e n Majo r s ” . (Vgl. Anha n g . ) Die Über s e tzu n g der Beric h te vom Deuts c h e n ins Englisc h e und das Vers c h ick e n könn e n die lang e Verz ö g e r u n g vielleich t zum Teil erklä r e n , aber McCle llan d , der vorh e r scho n Teleg r a mme über die Bericht e geschic k t hatte, zog es zweife llo s nich t in Betrach t, die Berich te als eilig e Ang eleg en h eit nach Wash in g to n zu befö rd ern ; es war ihm nich t klar , daß die Beric h te eine groß e Wirk u n g geha b t hätten , um eine n über z e u g e n d e n Fall für eine notw e n d ig e Rettu n g s a k tio n aufz u b a u e n . 4 1 So war der Wide r s tan d des Krieg s min is te r iu ms nich t der einz ig e Grun d für das Nich tstu n ; unzu lä n g lich e Kommu n ik a tio n und Mang e l an Drin g lich k e it inne r h a lb des Krieg s f lü c h t- lin g s a u s s c h u s s e s trug e n auch dazu bei. Eine gute Möglich k e it, das Lebe n dere r zu retten , die für die Gask a mmer n in Ausc h w itz bestimmt ware n , war verta n . Obwo h l die Alliierten nich ts untern ah men , um dem Gesch eh en in Auschwi t z unmitte l b a r Einhalt zu gebiet e n , übte die Warnu n g , die Präsi d e n t Roos e v e lt am 26. Juni an Reich s v e r w e s e r Horth y sand te , zusa mmen mit Teleg r a mmen in ähnlich e m Ton vom Paps t (25. Juni) und dem König von Schw e d e n (30. Juni) Druc k auf Unga r n aus, die Depo r tatio n e n einz u s tellen . Der Dru ck wurd e verstärk t, als die alliierten Streitk räfte am 2. Juli ein en mass iv e n Lufta n g r if f auf Buda p e s t ausf ü h r ten . Die Furc h t vor weiter e n Angr if f e n könn te ein Fakto r für Horth y bei sein e r Eins c h ä tz u n g der Lage gewe s e n sein . Die Warn u n g e n und der Lufta n g r if f brac h ten Horth y zweif e llo s dazu , daß er jetzt entsc h ied e n hand e lte. Reich sv erweser Horth y tat im Juli ein en entsch eid en d en Sch r itt, um die jüdis c h e Bevö lk e r u n g , die noch in Buda p e s t wohn te , zu retten . Am 4. Juli prote s tier te Horth y beim deuts c h e n Botsc h a f ter Edmu n d Vees e n mayer 41 McCl e l l a n d s Teleg r a m m e an Pehle sind in der Bibli o t h e k des Präsi d e n t e n Frank l i n D. Roose v e l t in Hy de Park, New York, aufbe w a h r t . Hier sind auch die von McCle l l a n d übers a n d t e n Ausch w i t z - B e r i c h t e zu finde n . Vgl. “Boxe s ” Nr. 6, 34 und 56. Vgl. Anhan g . 35 wege n der Depo r tatio n e n . Es wird aus Horth ys Prote s ten klar , daß er zu dies e m Zeitp u n k t gena u wußte , wo zu die Maßn a h me n der Deuts c h e n gege n ü b e r den Jude n führ e n mußt e n . Am folg e n d e n Tag über g a b Premiermin ister Döme Sztó j ay dem Botsch after Veesen mayer Info rmatio n s material über den mutmaß lich en Mord an and erth alb Millio n en Jude n , Info r ma tio n s mater ia l, das auge n s c h e in lich auf dem Vrba - W e tz le r - Ber ic h t basie r te. Sztó j a y beric h tete auße r d e m, daß man in Verb in d u n g mit den Alliie r t e n stehe und um Vergel t u n g s maß n a h me n und auch um gezie l t e Bomb e n a b w ü r f e auf die Vern ich tu n g s lag e r und die dorth in führ e n d e n Eise n b a h n s tr e c k e n gebe ten habe . 4 2 Am 6. Juli hind e r te Horth y drei- bis vier tau s e n d Gend a r me n , die bei den Depor t a t i o n e n aus B udap e s t helf e n soll t e n , durc h Aufma r s c h von Militär daran , die Stad t zu betreten . Er gab den Befeh l, daß Ung arn sich nich t meh r an den Dep o r tatio n en beteilig en dürfe. 4 3 Es schein t so, daß Horthy sich nicht auf seinen eigen e n Stab s c h e f , Gene r a l Jáno s Vörö s , bei der Unter s tü tzu n g für die Ausf ü h r u n g sein e s Plan e s verla s s e n konn te . Als Horth y am 5. Juli Gene r a l Vörö s eröf f n e te , daß er weiter e Depo r tatio n e n zu verh in d e r n beab s ic h tig e , gab Vörö s dem Reich s v e r w e s e r den Rat, “beso n d e r s vors ic h tig ” zu sein . Vörö s sagte : “. . . wir müsse n auf alle Fälle eine polit i s c h e Spalt u n g verme i d e n , di e durc h ein Aufs c h i e b e n der Lösu n g der Jude n f r a g e entsteh e n würd e . ” Horth y verh ö r te Vörö s am näch s te n Tag wege n der Gefa h r eine s Coup s und woll t e , daß Trup p e n aus den Prov i n z e n in die Stad t gezo g e n würd e n . Vörö s war von eine r solch e n Gefa h r nich t über z e u g t und strä u b te sich gege n dies e s Unter n e h men . Horth y wurd e es hier offe n b a r klar , daß er sich auf sein e n Stab s c h e f nich t verla s s e n konn te . Der Komman d e u r seine r Leibw a c h e , Gener a l Károl y Lázár , übern a h m die Initi a t i v e . Trupp e n aus Eszte r g o m wurd e n ohne Rücks p r a c h e mit Vörös zur 42 Brah a m: Polit i c s of Genoc i d e , II, S. 765. 43 C.A. Macar t n e y : Octob e r Fifte e n t h . A Histo r y of Moder n Hunga r y . 1929- 1 9 4 5 . Edinb u r g h 1957, II, S. 305; Gilbe r t : Ausch w i t z and the Allie s , S. 183-1 8 4 , and 266; Braha m: Polit i c s of Genoc i d e , II, S. 773-77 4 ; John S. Conway ' s essay The Holoc a u s t in Hunga r y : Recen t Contr o v e r s i e s and Recon s i d e r a t i o n s . In: Rando l p h L. Braha m : The Trage d y of Hunga r i a n Jewry . New York 1986, S. 1-48. 36 Besa tzu n g des nörd lich e n Teils von Buda p e s t herb e ig e r u f e n . 4 4 Wen n man bede n k t, daß der Stab s c h e f eine ne ga tiv e Positio n eing e n o mmen hatte, muß die Initia t i v e , die Horthy und Genera l Lázár unter n a h me n , ein riskan t e s Unter f a n g e n gewe s e n sein . Nach f o lg e n d e Ereig n is s e zeig te n , daß Horth y den zeitwei l i g e n Erfolg nicht beibeh a l t e n und die volle Kontro l l e nicht erlan g e n konn te . Immer h in ware n sein e auge n b lick lich e n Unter n e h mu n g e n so wirk s a m, daß vier Mona te lang so zu s a g e n nich ts gege n die jüdis c h e Bev ö lk e r u n g unte r n o mmen wur d e . Durch eine n Staa ts s tr e ich wurd e Horth y im Oktob e r abge s e tzt; sein e Regie r u n g wurd e auf Antr ieb und mit Hilf e der deuts c h e n Behö r d e n durc h eine Regier u n g ersetz t , die der n azisti s c h e n Rassen p o l i t i k wohlwo l l e n d gege n ü b e r s tan d . Obwo h l die Depo r tatio n nach Ausc h w itz dem größ te n Teil der jüdis c h e n Bevö lk e r u n g in Buda p e s t durc h Horth ys Hand e ln ersp a r t blieb , fiele n viele Buda p e s te r Jude n späte r den Mass e n tö tu n g e n zum Opfe r bei den Tode s mä r s c h e n , die von dem fanatisc h e n Regime des Feren c Szála s i orga n is ie r t wurd e n . Damals habe n die hero isc h e n Bemü h u n g e n von Raou l Wallen b e r g viele Jude n gere ttet. Daß die Depo r tatio n e n im Juli zum Halt gebr a c h t wurd e n — so spät das auch war — war ein bedeu te n d e s Gesc h e h n is in der Gesch ic h te der Rettu n g s v e r s u c h e in Ungar n . Hitle r hatte seinen festen Vorsatz zum Ausd r u c k gebr a c h t, die Besa tzu n g s tr u p p e n in Unga r n zu belas s e n , bis die Jud en frag e völlig gelö st wäre. 4 5 Die Absic h t, die in Buda p e s t verb lieb e n e n Jude n zu vern ich te n , wurd e nich t au fg e g e b e n , auch ni cht nach Horthy s Vorg e h e n gege n die Depo r tatio n e n , und Botsc h a f ter Vees e n mayer hatte Anwe isu n g von Berlin , die Wied e r a u f n a h me der Depo r tatio n e n vor- zu b ereiten . Hitlers Plän e hatten aber ein en sch w eren Rück sch lag erfah r en , und die damalig e Sach lag e kann zum Groß te il dem Druc k von seiten der auslä n d i s c h e n Regie r u n g e n und der sich vers c h l e c h t e r n d e n militä r i s c h e n Lage für Deuts c h la n d z uge s c h r ieb e n werd e n . In dies e m Wand e l der Ding e 44 Mari o D. Feny o : The War Diary of the Chief of the Hunga r i a n Gener a l Staff in 1944. In: East Europ e a n Quart e r l y 2 (1968 ) , 323-3 2 5 ; ders. : Hitle r , Horth y , and Hunga r y . Germa n - H u n g a r i a n Relat i o n s , 1941-1 9 4 4 . New Haven 1972, S. 180 und 203-204. 45 Bra h a m: Polit i c s of Genoc i d e , II, S. 745. 37 spielten die Ausch w itz- Be r ich te eine entsc h e id e n d e Rolle, inde m sie nämlich sowo h l von inne n — von Buda p e s t aus — als auch von auße n ihre Wirk u n g ausü b te n . Die Inter v iew s werf e n die Frag e auf nach der Wahr h a f tig k e it in den Memo ir e n des Reich s v e r w e s e r s bei sein e m Beric h t über sein e Kenn tn is von den Vern ich tu n g s lag e r n . Er erklä r te, daß er erst im Augu s t etwa s über sie erfa h r e n habe ; aber Horth y war fünf unda c h t z i g Jahre alt, als er diese Erin n e r u n g e n zu Ende schr ieb . Bei ei ner früh e r e n Geleg e n h e it, zwei Jahre nach dem Ende des Krieg e s , spra c h er von Ende Juni (und nich t von Augu s t) . Doch auch dies e Datier u n g ist nich t rich tig , sie ist eine n Mona t zu spät ange s e tzt, wie aus den Inter v iew s herv o r g e h t. 4 6 Es gibt auße r d e m Bewe ise dafü r , daß Horth y scho n vor Begin n der Depo r tatio n e n hätte wiss e n könn e n , was sie in Wirk lich k e it bede u te te n . Ein e Note des päp stlich en Nun tiu s, die kein e Zweifel aufk o mmen läß t über den Erns t der Lage bei den Depo r tatio n e n , deute t dara u f hin, daß Horth y gena u info r mier t gewe s e n sein muß. Als die Depo r tatio n e n am 15. Mai beg an n en , san d te der päp stlich e Nun tiu s in Bud ap est ein e Note an die Regie r u n g , in der er behau p t e t e , daß die eigent l i c h e Absich t der Deport a t i o n e n allgeme i n bekann t war. Diese M ittei l u n g schein t darauf hinz u w e is e n , daß die Regie r u n g sc ho n früh gewa r n t wurd e wege n der Erns th a f tig k e it der Depo r tatio n e n . War Horth y aus dem Kreis dere r , die es wußte n , ausg e s c h lo s s e n ? Szin a i und Szüc s , die Hera u s g e b e r von Horth ys pers ö n lich e m Nach laß , lege n die M öglich k e it nahe , daß die “Lös u n g der Jude n f r a g e ” Deuts c h la n d s Bedin g u n g war für die Wied e r h e r s tellu n g der unga r is c h e n Souv e r ä n ität. 4 7 Die Frag e , was Horth y wußte und wann er es wußte , kann auch für einen frühe r e n Zeitp u n k t geste l l t we rd e n . Am 17./1 8 . Apri l 1943 hatt e Horth y das erste sein er beid en Treffen mit Hitler auf Kleß h eim, ein em Sch lo ß nah e bei Salzb u r g . Hitler übte auf Horth y Dru ck aus, daß er die 46 Dana c h war der Beric h t für Horth y ke ine Neuig k e i t , als er von einer ander e n Quell e , von Ernö Petö, einem Vertr e t e r des Juden r a t s , (durc h die Vermi t t l u n g seine s Sohnes Miklós Horthy ) am Ende Juni zu ihm gelan g t e . Braha m : What Did They Know and When? S. 121. 47 Mikl ó s Szina i and Lászl ó Szücs : The Confi d e n t i a l Paper s of Admi r a l Horth y . Budap e s t 1963, S. 300 and 306. 38 Jud en frag e auf rad ik ale Weise beh an d eln solle. Horth y stellte sich dem entg e g e n , inde m er sagte , er könn e schließ lich doch nich t alle Jude n in Unga r n ausr o tten . Auße n min is ter Ribb e n tr o p erwid e r te , daß die Jude n vern ich te t werd e n oder aber in Konz e n tr a tio n s lag e r gebr a c h t werd e n müß ten ; er säh e kein e and ere Mög lich k eit. Hitler soll gesag t hab en , daß man Tiere — wie Rehe oder Hasen — ersch ö s s e , um ihre Zahl zu besc h r ä n k e n ; das gleic h e könn e man mit den Jude n mach e n . 4 8 Hitler stellte das Beisp ie l Polen als Mode ll dar, nach dem verf a h r e n werd e n könn te ; dort wurden die Juden, die nicht arbeit e n wollt e n , ersch o s s e n . Die Eintr a g u n g e n von Goeb b e ls in sein Tage b u c h im plizier e n , daß Horth y einig e Konz e s s io n e n mach te, daß nämlich de r Führ e r alle Anstr e n g u n g e n gema c h t habe, um Horthy auf seine Seite zu zieh e n , aber daß er nur teilw e i s e Erfol g geha b t hätte. 4 9 Am 18. März 1944 trafe n sich Hitle r und Horth y noch einma l auf Kleß h ei m. Hitler sag te zu Horth y, daß es Zeich en dafü r geb e, daß Ung arn Deu tsch lan d verraten würd e, wie Italien es auch getan hatte. Dan n stellte er den Reich s v e r w e s e r vor vollen d e te Tats ac h e n : Angesi c h t s dieser Lage fasse er den Entsch lu ß , Ung arn militärisch zu besetzen . 5 0 Wäh r en d Hitler mit Horth y das Gespr ä c h führt e , übers c h r i t t e n deuts c h e Trupp e n berei t s die ungari s c h e Grenz e . So führte Hitle r einen Plan aus, den Himmle r vorg e s c h la g e n hatte, wodu r c h die SS die Kontr o lle über die dara u f f o lg e n d e n Ereig n is s e in Händ e n habe n konn te . 5 1 Horth y prote s tier te 48 Für die Aufzei c h n u n g des Treffe n s zwisc h e n Horth y und Hitler vgl. Jenö Lévai : Eichma n n in Hunga r y . Docume n t s . Budap e s t 1961, S. 53-54 . Macar t n e y , II, S. 150. 49 Bra h a m: Polit i c s of Genoc i d e , I, S. 241. 50 Mac a r t n e y , II, S. 235. Istvá n Deák sieht einen Zusamme n h a n g zwisc h e n den zwei Versu c h e n der ungar i s c h e n Regi e r u n g , mit den Alli i e r t e n über eine Kapit u l a t i o n zu verha n d e l n , und den zwei Vernic h t u n g s w e l l e n . Er kommt daher zu einem von ihm als “ersc h r e c k e n d ” bezei c h n e t e n Ergeb n i s , daß es für die Juden in einem bestim m t e n Land nur dann eine Ch anc e zum Überl e b e n gegeb e n hätte , wenn jenes Land sich gegenü b e r De ut s c h l a n d treu verhi e l t . Will i a m McCa g g hat diese These Deáks zurüc k g e w i e s e n . Willi a m McCa g g : Could the Hungar i a n Jews Have Survi v e d ? In: Micha e l R. Marru s : The "F inal Soluti o n " Outsid e German y . London 1989, S. 643-65 7 . 51 Himml e r , der Hitle r als Exper t e in osteu r o p ä i s c h e n Angel e g e n h e i t e n beei n d r u c k t e , vera n l a ß t e sein e Mita r b e i t e r , einen Plan für Ungar n auszu a r b e i t e n , den der Führe r dann auch ausfü h r t e . Nach diese m Plan sollt e Admi r a l Horth y zu 39 und wollt e zurüc k t r e t e n , ab er letzt l i c h wurde er von den Deuts c h e n dazu über r e d e t zu bleib e n . Er weig e r te sich , forme ll ein Über e in k o mmen zu unte r s c h r e ib e n , das der Bese tzu n g zu stimmte , gewis s e Bedin g u n g e n für die Bese tzu n g wurd e n ihm jedo c h vorg e s c h r ieb e n . Eine neue Regie r u n g , die Deuts c h la n d gege n ü b e r fre u n d lich geso n n e n war, müßte eing e s e tzt werd e n , bevo r die Trup p e n zurü c k g e z o g e n werd e n könn te n . Die Jude n f r a g e wurd e disk u tier t, und Horth y beric h tete späte r dem Kronr a t Hitle r s Beans t a n d u n g , daß Unga r n noch nich t die notwen d i g e n Schr i t t e zur Lösu n g der Jude n f r a g e unt er n o mmen hätte . Horth y beric h t e t e aber kein e Einze lh e iten über irgen d e in e Verein b a r u n g . Veese n mayer sagte bei sein e m Proz e ß im Jahr e 1948 zu dies e m Punk t aus, Ribb e n tr o p habe zu der Zeit, als die Disk u s s io n e n in Kleß h e im stattf a n d e n , dara u f hing e w ie s e n , daß Hort h y und Hitl e r da rin einig gewes e n seie n , eine große Anzah l jüdis c h e r Arbe iter für die Prod u k tio n von deuts c h e m Krieg s mater ia l bereitzu s tellen . 5 2 Veesen may e r hielt das für die “recht l i c h e ” Grundl a g e , die unga r is c h e Regie r u n g um Unter s tü tzu n g bei den Depo r tatio n e n anzu g e h e n . Als Unga r n bese tzt wurd e , mußte Horth y allen Einf lu ß auf die Handh a b e der Juden f r a g e aufge b e n . Hitle r hatte jetzt erreicht , was er in Kleß h e im erho f f t hatte. Premier min is ter Sztó j a y verk ü n d e te sein e m Kabin e tt am 29. März , daß Horth y ihm freie Hand in der Jude n f r a g e gege b e n habe . 5 3 Sztó j a y ließ kein e n Zweif e l daran , was das bedeu te te ; er war bereit, alles zu tun , was die Deu tsch en wollten . In sein er Antrittsred e vom 25. Mai erklä r te er: “W ir wollen jede s ideo lo g is c h e und prak tisc h e Ziel einer rechts g e r i c h t e t e n und Ra sse n s c h u t z - P o l i t i k zur Verwi r k l i c h u n g brin g e n , nämlich die radik a le Lösu n g der Jude n f r a g e . ” 5 4 Nach dem Krieg gesta n d Horth y, daß er von den Depo r tatio n e n gewu ß t habe , aber er beha u p te te , daß ihm ge sa g t word e n sei, daß die Jude n zum Hitler nach Schlo ß Kleßh e i m geloc k t werde n und durch Drohu n g e n gezwu n g e n werd e n , eine milde Form der Beset z u n g Ungar n s hinzu n e h me n . Reitl i n g e r , S. 349. 52 Mac a r t n e y , II, S. 238-2 3 9 . Cf. Brah a m: Poli t i c s of Genoc i d e , I, S. 379. 53 Szt ó j a y beha u p t e t e am 29. März, da ß der Reich s v e r w e s e r in diese r Angel e g e n h e i t keine n Einfl u ß ausüb e n wollt e . Gy örg y Ránki : Emlék i r a t o k és valós á g Magy a r o r s z á g világ h á b o r u s szer e p é r ö l [Memo i r e n und Wirkl i c h k e i t und die Rolle Ungar n s im zweite n Weltk r i e g ]. B udap e s t 1964, S. 291. Lévai : Eichm a n n in Hunga r y , S. 66. 54 Lév a i : Eichm a n n in Hunga r y , S. 106. 40 Arbeitse in s a tz nach Deuts c h la n d ging e n und daß es ihne n erlau b t war, ihre Familien mitzu n eh men . 5 5 Im Rück b lick und ange s ic h ts der offe n e n Unter r e d u n g e n mit Hitle r fragt man si ch, wieso Horth y an die Ernst- h a f tig k e it dies e s Vors c h lag s hat glau b e n könne n . Es ist aber eine Tatsa c h e , daß die deuts c h e Führ u n g groß e Anstr e n g u n g e n mach te, die Verw e n d u n g jüdis c h e r Arbeiter im Krieg s e in s a tz als ihre Absich t ersche i n e n zu lassen . Obwo h l die Kon f eren z in Kleß h eim mit Hitler gerad e vor der deu tsch en Bese tzu n g nich t zu eine m Einv e r s tän d n is führ te, vers ich e r t Rand o lp h Brah a m, daß “es überh a u p t kein e n Zw eif e l dara n gibt, daß die Beha n d lu n g der unga r is c h e n Jude n auch disk u tie r t wurd e und daß Horth y bestimmte Konz e s s io n e n mach te, die sich für das unga r is c h e Jude n tu m als unhe ilv o ll heraus s t e l l t e n ” . Die von Veesenmay e r in Unga r n be ga n g e n e n Hand l u n g e n zeig e n , daß die Deuts c h e n zu Begin n den Ansc h e in aufr e c h ter h ielten , daß die Depo r tatio n e n dafü r bestimmt wä ren , zum deuts c h e n Krieg s e in s a tz beizu trag en . Hitler info rmierte am 9. April Feld marsch all Erh ard Milch im Luftf a h r tmin is ter iu m, daß 100. 0 0 0 ung a r is c h e Jude n in Deuts c h la n d erwa r te t würd e n . Der unga r is c h e Premier min is ter Sztó j a y vers ich e r te Vees e n mayer , daß die unga r is c h e Regie r u n g 100. 0 0 0 voll taug lich e Jude n lief e r n würd e . Ob die Absic h t von deuts c h e r Seite jemals erns t gemein t war, kann man bezw e if e ln . Unge f ä h r eine n Mona t nach der deuts c h e n Bese tzu n g vera n la ß te Vees e n mayer , daß dies e r Plan fallen g e las s e n wurd e und daß der Tran s p o r t der unga r is c h e n Jude n dire k t nach Ausc h w itz geleitet werd en sollte. 5 6 Scho n am 9. März , soga r noch vor dem Einma r s c h in Unga r n , schr ieb Himmle r an Goer in g , daß Plän e gema c h t würd e n , unge f ä h r 100. 0 0 0 Häftlin g e zu lief e r n , um mit dere n Hilf e die Luftw a f f e n in d u s tr ie 55 Maca r t n e y , S. 239. Am 28. April sprac h Horth y mit Bisch o f Ravas z , der die Aussag e n des Reichs v e r w e s e r s aufzei c h n e t e . Nur mehre r e hunde r t a u s e n d Juden sollt e n — versic h e r t e Horth y — das Land ve rla s s e n , um zu arbei t e n . Man würde ihnen nicht s antun , kein Haar sollt e i hnen gekrü mmt werde n . Man würde sie so behan d e l n wie die fast hunde r t a u s e n d ungar i s c h e n Arbei t e r , die schon im Auslan d arbe i t e t e n . Euge n e Leva i (Lév a i ) : Bl ack Book on the Marty rd o m of Hungar i a n Jewry . Züric h 1948, S. 117. 56 Brah a m: Polit i c s of Genoc i d e , I, S. 372 and II, S. 597. 41 unte r ir d is c h zu verla g e r n . 5 7 Als Albe r t Spee r bei den Nürn b e r g e r Proz e s s e n wegen solch e r Pläne verhö r t wurde , er klä r t e er, daß Hitle r im Herbs t 1943 die Absic h t geha b t habe , groß e unte r ir d is c h e Flug z e u g f a b r ik e n zu baue n . Hitler gab diesb ezü g lich sein en Befeh l. Speer stimmte jed o ch damit nich t über e in , und desh a lb habe er den Be fe h l nich t mit aller Gena u ig k e it ausge f ü h r t . Im März 1944 übermi t t e l t e de r Direk t o r des Ze nt r a l b ü r o s der Org an is a t i o n Tod t Plän e für diese Bau ten an Hitler. Das war wäh r en d der Zeit, als Speer kran k war. In diesem Zusammen h an g ford er t e Hitler , daß die Anlag e in sech s Mon aten fertig g estellt sein sollte. 5 8 Währ e n d der Zusa mmen k ü n f te am 6. und 7. April, kurz nach dem Einma r s c h in Unga r n , besprach Hitler mit Speer die Möglic h k e i t , 100.0 0 0 jüdis c h e Arbei t s k r ä f t e bereitzu s tellen . Hitler bestan d darau f , daß die Arb eiter unter Himmlers Kon tr o lle blieb e n . 5 9 Himmler dag eg en wollte eher das Jud en p r o b lem auf radik a le Weise löse n als der Luftw a f f e n in d u s tr ie helf e n . In einem Memo r a n d u m an Himmle r vom 17. April erklä r te Spee r , daß der Führ e r pers ö n lich mit dem Reich s f ü h r e r SS in Verb in d u n g trete n und ihn dazu brin g e n wolle, etwa einh u n d e r ttau s e n d notw e n d ig e Arbe itsk r ä f te zur Verf ü g u n g zu stellen ; und das solle durc h eine entsp r e c h e n d e Quote von Jud en aus Ung arn bewerk s t e l l i g t werd en . Der Füh r er ford ert e , daß mit ihm in Kürze eine Zusammen k u n f t statt f i n d e n sollte, um in Gegenwa r t aller, die es angin g , die Einze lh e iten zu bespr e c h e n . 6 0 Am 24. Mai, als der Tran s p o r t der unga r is c h e n Jude n zu den Gask a mmer n in Ausc h w itz scho n im Gang e war, sprac h Himmle r zu deuts c h e n Gene r ä len über sein e Plän e . Er sagte , daß es möglich wäre , mit Hilf e von 100. 0 0 0 jüdis c h e n Männ e r n aus Unga r n (und späte r mit weiter e n 100. 0 0 0 ) , unte r ir d is c h e Fabr ik e n zu baue n . Aller d in g s würd e n die Jude n in Konz e n tr a tio n s lag e r gebr a c h t, und das 57 Tria l of the Major War Crimi n a l s befor e the Inte r n a t i o n a l Mili t a r y Trib u n a l . Nürnb e r g 1948, Bd. 27, S. 355-35 7 ; 1584- ( I I I ) - P S . 58 Tria l of the Major War Crimi n a l s , Bd. 32, S. 498; 3720- P S . 59 Will i A. Boelc k e : Deuts c h l a n d s Rü stu n g im Zweit e n Weltk r i e g . Hitle r s Konfe r e n z e n mit Alber t Speer 1942- 1 9 4 5 . Frank f u r t 1969, S. 347. 60 Währe n d der Nürnbe r g e r Prozes s e hat Speer geleu g n e t , Himml e r diese Mitt e i l u n g gema c h t zu haben , aber er ga b zu, daß er von den 100.0 0 0 Juden für die unter i r d i s c h e n Flugz e u g f a b r i k e n wußte . R ober t E. Conot : Justi c e at Nurem b e r g . New York 1983, S. 439-3 4 0 . Cf. Feny o : Hitle r , Horth y , and Hunga r y , S. 181. 42 deuts c h e Volk sähe nich ts von ihne n . 6 1 Es sche in t, daß damals nich t nur Hort h y in die Irre gefü h r t wurd e über das, was mit den meiste n Mensc h e n gesc h a h , die aus Unga r n depo r tier t wurd e n . Soga r deuts c h e n Gene r ä len und Minis te r n wurd e glau b h a f t gema c h t, daß der Einma r s c h in Unga r n dazu verh ü lf e , daß viele jüdis c h e Arbe its k r ä f te für den Bau von unte r ir d is c h e n Flug z e u g f a b r ik e n zur Verf ü g u n g stün d e n . 6 2 In Wirk lich k eit sch ein t der Plan , 100. 0 0 0 Jude n in Deuts c h la n d einz u s e tz e n , ein Täusc h u n g s man ö v e r gewese n zu sein, teilwe i s e zumind e s t , um zu erre ich e n , daß Horth y nich t eing r if f . So kam es dazu , daß da s Gehe ima b k o mmen von Kleß h e im, über das niema ls offiz ie ll beric h tet word e n war, unte r Gehe imh a ltu n g ausg e f ü h r t wurd e . Horth ys Schw e ig e n half de n Deuts c h e n , die Depo r tatio n e n in Unga r n ausz u f ü h r e n . 6 3 61 Albe r t Speer : Der Sklav e n s t a a t . Mein e Ausei n a n d e r s e t z u n g e n mit der SS. Stuttg a r t 1981, S. 401. Heinri c h Himml e r : Geheim r e d e n 1933 bis 1945 und andere Anspr a c h e n , hrsg. von Bradle y F. Smith a nd Agnes F. Peterson: Frankf u r t 1974, S. 203. 62 Wi e v i e l e Unga r n eige n t l i c h zur Arbei t nach solch e n unter i r d i s c h e n Fabri k e n transp o r t i e r t wurden und was mit ihnen gesc h a h , ist nicht klar . Die Behau p t u n g Léva i s , daß alle , die dort h i n gebr a c h t wurd e n , auch dort gesto r b e n sind, ist nicht bewi e s e n . Léva i : Eich ma n n in Hunga r y , S. 104. Feny o : Hitle r , Horth y , and Hunga r y , S. 181 and 187. Cf. Reitl i n g e r , S. 353 und 355. Vgl. Albert Speer : Der Sklave n s t a a t , S. 400-40 3 and 448-44 9 . Ma n hat Speer s Behau p t u n g , er hätte von dem Schic k s a l der Juden nicht gewuß t , in Zweif e l gezog e n . In einem Brief vom 5. Juni 1943 an Himml e r hat Speer bestä t i g t , daß er die Beric h t e von zweie n sein e r Assist e n t e n (Desch and Sander ) über dere n Besic h t i g u n g des Lager s erhal t e n hatte und daß er nun dem Lager Baust o f f e liefe r n würde . Matth i a s Schmi d t : Alber t Speer . The End of a My th. New York 1984, S. 192-19 3 . Vgl. Ulrich Herbe r t (Hrsg . ) : Europ a und der “Reich s e i n s a t z . ” Auslä n d i s c h e Zivi l a r b e i t e r , Krieg s g e f a n g e n e und KZ-Hä f t l i n g e in Deuts c h l a n d 1938-1 9 4 5 . Essen 1991, S. 414-41 5 . 63 Edmu n d Veesen m a y e r und László Baky , die an der Ausfüh r u n g der Depor t a t i o n e n wesen t l i c h bete i l i g t ware n , sagt e n in ih ren Prozes s e n Belast e n d e s gegen Horthy aus. Obwohl sie wahrsc h e i n l i c h übert r i e b e n , um Schul d von sich zu weise n , stimm t e n beide darin übere i n , daß Horth y den Depor t a t i o n e n außer h a l b Budape s t seine Zustim m u n g gab. Gemäß Veesen m a y e r ha be Horthy ihm gegenüb e r behau p t e t , daß er nur daran inter e s s i e r t se i, die reich e n und wirts c h a f t l i c h wich t i g e n Juden in Budap e s t zu schüt z e n . Für die ande r e n inte r e ssi e r e er sich nich t — er habe dabei ein sehr häßli c h e s Wort gebra u c h t — , er sei berei t , diese dem Reich oder ander e n als Arbei t s k r ä f t e zu überg e b e n . Da s habe er bewil l i g t ; er habe das nicht getan wegen Veesen m a y e r s Drohun g e n , sonde r n nachde m Horthy dies verein b a r t und sich mit seinem Premie r m i n i s t e r und seinen Minist e r i e n bera t e n habe . Baky seine r s e i t s beric h t e t e von einem Treff e n mit Horthy , der seinem Mitkäm p f e r aus dem erste n Weltk r i e g vertr a u l i c h gesag t haben soll, daß die De uts c h e n ihn betro g e n 43 Im ganze n schein t die Geheimh a lt u n g der Fakto r gewe s e n zu sein , der den Bemü h u n g e n , dem unau f f ä l l i g e n Ausf ü h r e n des Depo r t a t i o n s - und Vern ich tu n g s p r o g r a mms Einh a lt zu gebie te n , am meisten scha d e te. Der Antri e b für die Verni c h t u n g s p l ä n e war o ffens i c h t l i c h zu stark, als daß er durc h gehe ime Verh a n d lu n g e n oder durc h mutig e und isolier te Rettu n g s v e r s u c h e von Einz e lp e r s o n e n hätte gesto p p t werd e n könn e n . Der Appe ll an Mitg lied e r der Regie r u n g , da s Verf a h r e n gege n ü b e r den Jude n zu ände r n , schie n in den meisten Fällen verlo r e n e Mühe zu sein , da die Sztó j a y- Reg ie r u n g im groß e n und ga nz e n die deuts c h e Lösu n g des “Jud e n p r o b le ms ” unte r s tü tz te . Horth ys Vers u c h , die Depo r tatio n e n —wen n auch spät — zu stopp e n , war offen s i c h t l i c h beein f l u ß t worde n durch seine Erke n n tn is , daß die wirk lich e Be de u tu n g der Depo r tatio n e n in der Öffen tlich k eit bek an n t war. Wege n der bedr o h lich e n Anwe s e n h e it der deuts c h e n Arme e , der Gesta p o und viele r fana tisc h e r Kollab o r a te u r e war alles , was gegen das deuts c h e Gebo t der Gehe imh a lt u n g bega n g e n wurd e , bruta le n Verg e ltu n g s maß n a h me n ausg e s e tz t. Ein gemein s a mes Unter n e h men der kirch lich en Obrig k eiten auf christlich er Seite, die Öffen tlich k eit durch Prok la ma tio n e n in den Kirc h e n aufz u k l ären , sch ein t ein e Mög lich k eit voll von Gefa h r e n gewe s e n zu sein , aber unte r den gege b e n e n Umstä n d e n war hätten . Sie wollt e n die Juden depo r t i e r e n . Dageg e n habe er nicht s . Er hasse die Juden aus Galiz i e n und die Kommu n i s t e n . Sie sollt e n weg, weg aus dem Lande ! Aber es gebe ander e Juden , die gute Unga rn seien . Horth y ha be dabei die Namen von Chori n und Vida genan n t und beton t , da ß er deren Depor t a t i o n e n nicht zulas s e n könne . Aber den Rest könnt e n die Deut s c h e n nehme n . Braha m: Polit i c s of Genoci d e , I, S. 379. In den Nürnbe r g e r Pr oze s s e n gab Horthy zu Protok o l l , daß er erst Ende Juni ausfü h r l i c h e Beric h t e von den Vernic h t u n g s l a g e r n bekam . Auf die Frage , was er getan habe, antwo r t e t e Ho rth y : “Sola n g e die Depor t a t i o n e n auf dem Land statt f a n d e n , war ich, da meine ve rsc h i e d e n e n Prot e st e an Veese n ma y e r erfol g l o s waren , gegen ü b e r der deuts c h e n Überm a c h t macht l o s . Als nun auch die Depor t a t i o n e n aus der Haupt s t a d t droht e n , war die Sach e etwa s ande r s. Die ungar i s c h e n Strei t k r ä f t e , die durch das Land verst r e u t waren , ware n so minimal , daß an einen Wider s t a n d gegen die deuts c h e n Maßna h m e n nicht zu denke n gewes e n wäre . Die Strei t k r ä f t e in Budap e s t ware n au ch mini ma l , aber sie unte r st a n d e n eine m verl ä ß l i c h e n , vorz ü g l i c h e n Offi z i e r , Gene r a l Bakay , auf den ich mich verla s s e n konn t e . . . ” Mario D. Feny o , Hitl e r : Horth y and Hungar y . Germa n - H u n g a r i a n Relati o n s 1941-1 9 4 4 , New Have n 1972, S. 194-1 9 5 . (Feny o zitie r t nach NA Recor d Group 238, World War II War Crimes Reco r d s , Natio n a l Archi v e s , Washi n g t o n D.C. ) 44 sie die realistis c h s te , um die Depo r tatio n e n zu verla n g s a me n oder ihne n soga r Einh a lt zu gebie te n . Die Inter v ie w s zeig e n , daß der Erha lt des Vrba - W etzler - Be r ich ts die Kirc h e n mit der Drin g lich k e it eine r solch e n Aktio n konf r o n tier te . Wege n ihre r zöge r n d e n Haltu n g in dies e r Ange leg e n h e it vers ä u mte n sie eine n pote n tiell wirk s a men Rettu n g s v e r s u c h , der für ande r e noch nicht einma l als eine realistis c h e Möglich k e it gege b e n war. Jenö Léva i hat als Argu me n t ange f ü h r t, daß kath o lis c h e Kirc h e n f ü r s te n — Papst Pius XII. insbe s o n d e r e — ni ch t gesc h w ieg e n habe n . Léva i führ t Bewe ise an, daß Paps t Pius XII. und sein e Repr ä s e n tan te n bei der unga r is c h e n Regie r u n g Prote s te eing e r e ich t hatten . 6 4 Tatsäch lich trat Ange lo Rotta, der apos to lis c h e Nuntiu s in Unga r n , bei vier Geleg e n h e iten — im April und Mai — wege n der Ak tio n e n gege n die Jude n an den Premier min is ter Sztó j a y hera n und info r mier te und warn te ihn. 6 5 Es ist ein Prob le m in Léva is Bewe isf ü h r u n g , daß die Prote s te (sie bezo g e n sich allerd in g s vor allem auf christlich e Jud en ) , nich t offiziell vor sich gin g en ; und da man in der Öffen t l i c h k e i t ni ch t von ihne n wußt e , konn t e n sie von den Nazi- K o llab o r a te u r e n igno r ier t werd e n . Das Inter v iew von Szen e s mit Andr á s Zaka r zeig t, daß Kard in a l Seré d i, der von den unga r is c h e n Kirc h e n f ü h r e r n am ehest e n in der Lage gewes e n wäre, Oppos i t i o n zu bezie h e n , dazu über r e d e t word e n war, eine n den Unter n e h mu n g e n der Regie r u n g gegen ü b e r kriti s c h e n Hirte n b r i e f wiede r zurüc k z u z i e h e n . Im 64 J enö Lévai : Hunga r i a n Jewry and the Papacy . Pope Pius XII Did Not Remai n Silen t . Londo n 1967. 65 Fen y o , S. 194. Rott a teil t e am 15. Mai der ungar i s c h e n Regie r u n g mit, daß die apost o l i s c h e Nunti a t u r schon frühe r die ungar i s c h e Regie r u n g auf jene Bestim m u n g e n der Gesetz e ge gen die Juden aufmer k s a m gema c h t habe , die sie für unge r e c h t halt e , vor alle m diej e n i g e n Be sti m m u n g e n , die zwisc h e n getau f t e n und israe l i t i s c h e n Juden nicht unter s c h i e d e n und auf unmen s c h l i c h e Weise ausge f ü h r t würde n . Bis jetzt wären diese Bemüh u n g e n [d er Nuntia t u r ] umsons t gewese n . Nach Auskü n f t e n , die die Nunti a t u r erhal t e n habe, solle die ungar i s c h e Regie r u n g nun dazu berei t sein , 100. 0 0 0 zu depor t i e r e n , und diese r Vorga n g würde ver-s c h l e i e r t . . . Die ganze Welt wisse , was die Depor t a t i o n e n in Wirk l i c h k e i t bede u t e n . Leva i (Léva i ) : Black Book, S. 197. Noch am 8. Juni stell t e Veese n ma y e r fest, daß die Depor t a t i o n e n im Ausla n d keine beach t l i c h e Reakt i o n hervo r g e r u f e n hätte n . Daher könne die Aktio n so wie gepla n t weite r g e f ü h r t werde n . Saul Fried l ä n d e r : Pius XII and the Third Reich . A Docum e n t a t i o n . New York 1966, S. 219-220 . Kardin a l Seré d i hat seine eige n e Weig e r u n g , gege n die Depor t a t i o n e n zu hande l n , dadu r c h gere c h t f e r t i g t , daß auch der Vati k a n gesc h w i e - g e n habe (Vgl. Török - I n t e r v i e w ) . 45 allg e me in e n hatte die Führ u n g s s c h ic h t in der kath o lis c h e n Kirc h e und in and eren Kirch en die Absich t, vor allem christlich e Jud en zu retten , wob ei sie dann die Mehr z a h l der bedr o h te n Jude n ohne wirk s a me Fürs p r e c h e r beise iteließ e n . Die Inter v iew s zei g e n auße r d e m, daß die unga r is c h e n Kirch e n nicht fähig und zum Teil nich t willen s waren, sich zusammen - zu sch ließ en zu ein em verein ten öffen tlich en Pro test. Das Teleg r amm des Pap stes vom 25. Jun i stellte ein en Durch b r u ch dar; es war aber nur ein e geheime Botsc h a f t, wie Braha m darge le g t hat, und es wurde erst dann gesa n d t, als der Ausc h w itz- Be r ich t von Vrba und Wetzler in weiten Kreis e n in der Sch w ei z verö ff e n t l i c h t word en war. Obwo h l der Ausch w i t z - B e r i c h t dem päpstl i c h e n Nuntiu s in Bratis l a v a von Oscar Kras n a n s k y bald nach seiner Entst e h u n g übermi t t e l t wurde (e twa Ende April oder Anfan g Mai), war sich der Vatik a n noch zu einem so späte n Datu m wie dem 20. Juni wege n der Zuve r lä s s ig k e it des Beric h ts nich t sich e r und schic k te eine n Gesa n d te n zu eine m Inter v iew mit Vrba und Wetzler . 6 6 Die Erke n n tn is , daß ein früh e s Beka n n tma c h e n für die Rettu n g der bedr o h te n jüdis c h e n Bevö lk e r u n g in Unga r n wich tig war, wirf t die Frag e wegen einer ander e n kriti s c h e n Verz ö g e r u n g auf. Waru m wurd e der Vrba - W et z l e r - B e r i c h t in den westlich e n Zeitun g e n nicht vor Mitte Juni verö f f e n t l i c h t , da er doch scho n Ende Apri l verf ü g b a r war? Nach der Auss a g e von Kras n a n s k y wurd e er durc h geheime Boten “ganz zuver lä s s ig ” bei Dr. Nath a n Schw a lb in Genf abge lief e r t. 6 7 Doch zu welch e m gena u e n Zeitp u n k t wurd e der Beric h t wirk lich gesc h ic k t und abge lief e r t? Hand e lte Schw a lb schn e ll, damit der Beric h t an einflu ß r e ic h e Pers o n e n gelan g te , oder war er sich der Drin g lich k e it nich t bewu ß t? Wege n der Zens u r in der Schw e iz kann es schwier ig gewe s e n sein , eine Möglich k e it für die Veröf f e n t l i c h u n g des Beric h t s zu finde n . Im Gege n s a t z zu Unga r n jedo c h besta n d in Genf kein e Gefa h r für gewa lts a me Verg e ltu n g s maß n a h me n . Der 66 Brah a m: The Polit i c s of Genoc i d e , II, S. 714; Conwa y , S. 274-2 7 6 ; Kulka : The Five Escap e e s , S. 207-2 1 0 . 67 Kulk a , S. 207. Natha n Schwa l b vertr a t Heha l u t z (ein e zion i s t i s c h e Arbe i t e r - O r g a n i s a t i o n ) in Genf. Roswe l l McCle l l a n d bestä t i g t in einem Brief vom 12. Oktob e r , daß die Ausch w i t z - B e r i c h t e , di e er nun nach Washi n g t o n schic k e und die er von Kopec k y erhal t e n habe, urspr ü n g l i c h an Natha n Schwa l b adres s i e r t waren . Wy man n : Ameri c a and the Holoc a u s t , Bd. 12, S. 75. 46 Bericht hätte vervie l f ä l t i g t und verbrei t e t werden können ; man hätte auslä n d is c h e Korr e s p o n d e n te n und Regie r u n g s v e r tr e ter konta k tier e n könn e n . Der Mang e l an schne llem, tatk r ä f tig e m Hand e ln bleib t ein Rätse l. Brah a m deute t über z e u g e n d dara u f hin, daß die Sach e durc h eine Verö f f e n t l i c h u n g zu einem früh e r e n Ze itp u n k t hätte geänd e r t werde n kön n e n : Eine Kampa g n e in der Press e au f Grund dieser Protok o l l e [nämli c h des Vrba-W e t z l e r - B e r i c h t s ] könnt e , wenn sie Anfang Mai gesche h e n wäre, eine ernüc h t e r n d e Wirku n g geha b t habe n auf die poli t i s c h e Führun g und auf die Führung in der Regie r u n g , ohne deren Mitar b e i t die Deutsc h e n ihre völker m ö r d e r i s c h e n Pläne nicht hätte n ausfü h r e n können . 6 8 Außer d e m spieg e ln die Beleg e kein e konz e r tier te Aktio n von seiten der jüdis c h e n Führ u n g s s c h ic h t wide r , die jüdis c h e Bevö lk e r u n g in Unga r n über die wahr e Absic h t der Depo r tatio n e n zu info r mier e n . In dies e r Hins ich t habe n Kastn e r und ande r e Jude n au s der unga r is c h e n Führ u n g s s c h ic h t vers a g t. Sie waren natü r lich Geise ln der Gesta p o , und sie waren es, die die erste Ziels c h e ib e für Verge ltu n g s ma ß n a h me n gewe s e n wäre n , wäre n die Depo r tatio n e n nich t in eine r gere g e lte n Art und Weise vor sich gega n g e n . Ob sie im Ernst glau b te n , daß sie im geheime n die beste Rettu n g s - mö g lich k e it aush a n d e ln könn te n , oder ob sie nur Nach teile sahe n im Orga n is ie r e n eine s aktiv e n Wide r s tan d s — sie schein e n jeden f a lls die Opfer von Eich man n s Manip u la tio n e n gewe s e n zu sein . 6 9 Die Furc h t vor der 68 Brah a m: The Polit i c s of Genoc i d e , I, S. 278. Vgl. W. Rings: Advoka t e n des Feinde s , S. 144-14 6 . Noch am 29. Juni wurde die Veröf f e n t l i c h u n g eines Artik e l s über die Juden v e r f o l g u n g durch die Zensu r verb o t e n . Gerh a r t M. Riegn e r : Switz e r l a n d and the Leade r s h i p of its Je wish Communi t y during the Second World War. In: Rando l p h L. Braha m : Jewis h Leade r s h i p durin g the Nazi Era: Patte r n s of Behav i o r in the Free World . New York 1985. S. 78. 69 Wi e das Inter v i e w mit Józse f Éliás zeigt , hat Ottó Komol y , Bauin g e n i e u r und Präsid e n t der zionis t i s c h e n Organi s a t i o n in Ungar n , den Ausch w i t z - B e r i c h t erha l t e n , und er beab s i c h t i g t e , ihn zu verv i e l f ä l t i g e n . Eine Eint r a g u n g vom 21. August in seinem Tageb u c h zeigt , daß Komo l y sich bemüh t e , den Botsc h a f t e r von Spanie n zum Lesen des Berich t s zu veranl a s s e n . Die Herau s g e b e r i n der Tageb ü c h e r , Mária Schmi d t , glaub t , daß Komol y de n Beric h t wahrs c h e i n l i c h auch ander e n neutr a l e n Botsc h a f t e n zur Verfü g u n g geste l l t hat. Mári a Schmi d t : Koll a b o r á c i ó vagy Koope r a c i ó . A Budap e s t i Zsidó Tanác s [Koll a b o r a t i o n oder Koope r a t i o n . Der Judenr a t von Budape s t ] Budape s t 1990, S. 127 und 224. Er spiel t e in den 47 Gesta p o und die Furc h t vor eine r Pani k unte r d r ü c k te n mit Erfo lg jede n Vers u c h , diej e n ig e n aufz u k lä r e n , die für die Vern ich tu n g s lag e r bestimmt ware n . Die Furc h t vor “ein e r Pani k in jüdis c h e n Kreis e n ” war ein Bewe g g r u n d soga r für die beso r g ten Chris te n , die zuer s t den Vrba - W e tz le r - Ber ic h t in Unga r n beka n n tma c h ten . (Vgl. Éliás - I n ter v iew . ) Ande r e r s e its blieb Rudo lf Vrba da vo n über z e u g t, daß viele Jude n , die nach Ausc h w itz gebr a c h t wurd e n , vers u c h t hätten , Wide r s tan d zu leisten , zu flieh e n oder den Depo r tatio n e n Ei nh a lt zu gebie te n , wenn der Beric h t über die Zustän d e im Lag er verö ffe n t l i c h t oder sofo rt in Ung arn verb rei t e t word e n wäre . Wenn die unga r is c h e n Jude n von den “glü h e n d e n Öfen ” gewu ß t hätten , hätten sie die Tran sp o r tzü g e nich t so bereitwillig bestieg en , und das ganz e Unter n e h men wäre nich t so schn e ll und so reib u n g s lo s ausg e f ü h r t word e n . 7 0 Ereigni s s e n des Jahres 1944 eine wichti g e Ro lle und auch bis zu seine m Tode; er wurde im Janua r 1945 von Recht s r a d i k a l e n ermor d e t . Braha m: Polit i c s of Genoc i d e , I, S. 107, 381, 430, II, S. 701, 818, 781-78 2 , 818, 951, 982-985, usw. Im allge m e i n e n war die jüdis c h e Führ u n g in Ungar n über die Bedeu t u n g der Depor t a t i o n e n gut unter r i c h t e t . Phili p p (Fül ö p ) Freud i g e r , ein bedeu t e n d e s Mitgl i e d des Juden r a t e s , hat den Ausch w i t z - B e r i c h t von Rabbi Weiss m a n d e l erhal t e n . Braha m: The Polit i c s of Genoc i d e , II, S. 711-7 1 2 . Braha m: What Did They Know and When? S. 117-12 1 . Cf. Fülöp Freudi g e r : Five Month s . In Braha m : The Trage d y of the Hungar i a n Jewry , S. 262. In einem Telegramm vom 2. Juni aus Bern an das State Depar t m e n t verwe i s t Lelan d Harri s o n auf eine Botsc h a f t von Freud i g e r aus Ungar n . Freud i g e r besch r e i b t die verzw e i f e l t e Lage der Juden . Die Depor t a t i o n werde gnade n l o s ausge f ü h r t . . . Di ese Maßna h m e n hätte n schon 310.0 0 0 Opfer gefo r d e r t . In diese r Botsc h a f t gibt es aller d i n g s kein e n Hinw e i s auf das Ziel der Depor t a t i o n e n . David S. Wy man: Ameri c a and the Holoca u s t , Bd. 12, S. 90-91. Am 10. Juni 1944 versuc h t e man, der Politi k des Juden r a t s eine neue Richt u n g zu geben . Dr. Imre Varga wollt e , daß man der chris t l i c h e n Gese l l s c h a f t a lles , was gesch a h , mitt e i l t e . Varg a schl u g prak t i s c h eine n Par ti s a n e n k r i e g vor, wobe i auch drast i s c h e Waffe n , wie Gift und Bakte r i e n , verwe n d e t werde n könnt e n . Samu Stern , Sprec h e r des Juden r a t s , hat diese n aktiv e n Wide r s t a n d abgel e h n t und sagte , er würde die Gesta p o sofor t über diese gefäh r l i c h e n Vo rsc h l ä g e infor m i e r e n . Am Tag danac h beging Varga Selbst m o r d . Denis Silagi : A Foil e d Vent u r e . In: Brah a m: The Trag e d y of Hunga r i a n Jewry , S. 234-2 3 5 . Cf. Brah a m: The Poli t i c s of Genoc i d e , II, S. 629. 70 In einer volls t ä n d i g e r e n Wiede r g a b e seine r Inter v i e w s mit Török stell t Szene s die Frage , ob die Juden durch eine ernst l i c h e Bemü h u n g , sie über die bevor s t e h e n d e n Depor t a t i o n e n und ihr Ziel zu infor m i e r e n , hätt e n gere t t e t werd e n könne n . In seine r Antwo r t hat Török , der ab Mitte Juni die Inter e s s e n der chris t l i c h e n Juden im Juden r a t vertr a t , di es e Alte r n a t i v e nega t i v beur t e i l t . Er sehe keine Mögli c h k e i t zum Entkom m e n für die meist e n Mensc h e n in den entle g e n e n Orten auf dem Lande , währe n d für einze l n e , vor allem für dieje n i g e n , die in Budap e s t gebli e b e n waren , Aussic h t e n für eine Flucht vorhand e n waren. Als Grund 48 Vrbas und Wetzler s Warn u n g vor eine r Mass e n v e r n ich tu n g erre ich te die vielen Mensch e n nicht, deren Le be n letzten Ende s gefä h r d e t war. Die hier folg e n d e Reih e von Inter v iew s bewe ist, daß manc h e n die Notwe n d i g k e i t für eine Veröf f e n t l i c h u n g oder Prokl a ma t i o n in irgen d e i n e r Form sofo r t klar war. Aber sie erka n n te n auch , daß sich die unga r is c h e Führ u n g nich t star k genu g zeig te und daß sie nich t schn e ll genu g hand e lte, um Wirk s a mes zu erre ich e n , obwo h l sie die Möglich k e it zum Wide r s tan d hatte — einem zuges ta n d e n e r ma ß e n gefä h r lich e n Unter f a n g e n . Die Gesc h ic h te des Ausc h w itz- Be r ich ts zeig t, daß dies e Doku me n te die größ te Wirk u n g hatten , wenn sie unge k ü r z t ware n oder kein e r Inter p r e tatio n ausg e s e tz t wurd e n . Solch e gena u e n und vollstän d ig e n Beric h te über die Situ a tio n in Ausc h w itz hatte es bis dahin noch nich t gegeb e n . Sie waren wohl das am sc hw e r s te n zu über w in d e n d e Hind e r n is für diej e n ig e n , die die Plän e der Nazis für eine Mass e n v e r n ich tu n g in Abred e stellen wollten . 7 1 Zu einem Zeitp u n k t, als viele unbes tä tig te Gerüch t e kursie r t e n , stellt e n dies e Doku me n t e für denk e n d e Mens c h e n eine n zuve r lä s s ig e n Bewe is dar, daß Greu e ltaten von bish e r unvo r s te llb a r e n Ausma ß e n stattg e f u n d e n hatten . Diese Doku me n te sind einma lig in ihre r obje k tiv e n Dars tellu n g , Gena u ig k e it und Vollstän d ig k e it. Sie vers e tz te n die eing e w e ih ten Lese r währ e n d des Krise n j a h r e s 1944 in ei ne auße r g e w ö h n lich e Situ a tio n , beso n d e r s in Unga r n . Währ e n d sie mit eine m Schla g Zweif e l an vorh e r umg eh en d en Gerü ch ten auslö sch ten , erleg ten sie gleich zeitig den j en ig en ein Gefü h l von Vera n tw o r tu n g auf, di e jetzt von den Vern ich tu n g s lag e r n für seine pessi m i s t i s c h e Einsc h ä t z u n g gab Török an, daß die Poliz e i auf dem Lande bere i t w i l l i g mit den Nazis zusa mme n a r b e i t e t e und daß es schwe r gewes e n sei, die Juden zu überz e u g e n , daß das Zusamme n f ü h r e n von Mensche n m e n g e n nicht für den Arbei t s e i n s a t z gesch e h e , wie man offi z i e l l vers i c h e r t e , sond e r n für die Verni c h t u n g s l a g e r . Szen e s : Befe j e z e t l e n múlt, S. 206-2 0 7 . Dr. Alexa n d e r Natha n hat den Versu c h unter n o m m e n , einer Einhe i t von jüdis c h e n Arbei t e r n den Inhal t des Ausch w i t z - B e r i c h t s bekan n t zu mache n . Di e Reakt i o n sei schre c k l i c h gewes e n . Man hätte ihn — wie Natha n selbs t beric h t e t — Deser t e u r , Verrä t e r und Schuf t genan n t . Man hätte ihn der Poliz e i überg e b e n wolle n . Die Lage sei ernst gewes e n . Wenn er die Hilfe seine r zioni s t i s c h e n Freun d e nich t geha b t hätt e , hätt e man ihn totge s c h l a g e n . Asher Cohen : The Halu t z Resis t a n c e in Hunga r y . 1942- 1 9 4 4 . New York 1986, S. 130. 71 Mac a r t n e y , II, S. 302. 49 wußte n . Es gab natü r lich wenig Möglich k e iten für die, die gemäß ihre r eigen e n Einsi c h t hande l n wollt e n , und die Risi k e n ware n groß . Für Unga r n folgte daraus eine völlig neue Beurte i l u n g der politi s c h e n Situat i o n , wie sie bis dahin vers t a n d e n word e n war. Ei ne völli g e Umori e n t i e r u n g war für die ungar i s c h e Führu n g , die bishe r Ante il an der Gestal t u n g der politi s c h e n Situ a tio n geha b t hatte, nich t leich t. Das Einma lig e , das die Inter v iew s von Szen e s beitr a g e n , lieg t darin , daß jetzt Bind e g lied e r in eine r histo r is c h e n Frag e von beso n d e r e r Bede u tu n g reko n s tr u ie r t werd e n konn te n , die vorh e r nich t vorh a n d e n ware n . Die Inter v iew s zeig e n , daß der Ausc h w itz- Be r ich t von Vrba und Wetzler die Staa ts - und Kirc h e n f ü h r u n g e n viel früh e r erre ich te , als man vorhe r ange- n o mmen hatte . Als C. A. Macartn e y die ausführ l i c h e Gesc h ic h te der Gesc h e h n is s e in Unga r n schr ieb , konn te er kein e Quellen für das Folg en d e zitieren : “Nich t ein mal jetzt (An f an g Jun i) sch ein t das Gehe imn is über das Beste h e n von Gask a mmer n durc h g e s ic k e r t zu sein : jeden f a lls enth ä lt kein e s der übrig g e b lieb e n e n Doku me n te eine dahin g e h e n d e Ande u tu n g . ” 7 2 Rand o lp h Brah a m war in der Lage , auf die Zeug e n a u s s a g e n von Jude n aus der F ühr u n g s s c h ic h t hinz u w e is e n ; aber dere n Erin n e r u n g war so vage , daß er den Zeitp u n k t für die Verte ilu n g des Beric h ts in Buda p e s t nich t vor dem Mona t Juni anse tz e n konn te . 7 3 Die “Ver s c h w ö r u n g zum Schw e ig e n ” , die Brah a m bei eine m Groß te il der unga r is c h e n Führ u n g in allen Bere ich e n beob a c h tet, gewin n t an Gewic h t, wenn man bede n k t, daß es für manc h e scho n unge f ä h r am 15. Mai möglich war, Kenn tn is von den Vern ich tu n g s - l a g e r n zu habe n . Wer an dem verab r ed eten Stillsch weig en teilg en o mmen hatte, gab nach dem Krieg nich t freiwillig sein e Info rmatio n preis, um den Umfan g sein er Teiln ah me nich t aufz u d e c k e n . Die bewu ß te Unter d r ü c k u n g dies e s Wiss e n s um die Depo r tatio n e n war nich t eine Sach e von auge n b lick lich e r Unen tsc h ied e n h e it oder Zöge r n . Was veru r s a c h te die Lähmu n g ? Waru m hielt sie so lang e an? Wenn es heute auch auge n s c h e in lich ist, daß dies e einf lu ß r e ic h e n Männ e r hätten ande r s hand e ln sollen , so bleib t doch die Frag e beste h e n , wie und waru m so 72 Braha m : What Did They Know and When? S. 119-12 1 . 73 Lic h t e n s t e i n , S. 21. Vgl. Szen e s : Befe j e z e t l e n múlt , S. 93. 50 viele Perso n e n in Vertr a u e n s s te llu n g e n ein Wiss e n unte r d r ü c k e n konn te n , das für die Rettu n g von Taus e n d e n nötig war. Die vers c h w ie g e n e Warn u n g , die soga r über die Gren z e n von Unga r n hina u s eine unhe ilv o lle Wirk u n g hatte, hätte fast die Spu r en ein es entsch eid en d en Absch n itts der Gesch ich te verd e c k t. Falls es nötig ist, von Schu ld zu spre c h e n , so lieg t ohne Zweif e l die Veran t w o r t u n g für die Gesche h n i s s e bei den eige n t l i c h e n Verbr e c h e r n , nämlic h bei Hitler und seinen fanati s c h e n Anhä n g e r n . Die Kirc h e n f ü h r u n g und die Staa ts r e g ier u n g in Unga r n wurd e n jedo c h zu pass iv e n Kollab o r a te u r e n , da sie kein e Anstr e n g u n g mach ten , ihr Wiss e n weiter z u g e b e n , und sie trag e n zumin d e s t eine Mitv e r a n tw o r tu n g für das Ausma ß des Unhe ils . 51 Warnung und Schweigen in Budapest (Interviews) 1 Sándor Szenes Den Beric h t brac h te jeman d unte r Lebe n s g e f a h r über die slow a k is c h - u n g a r is c h e Gren z e und über g a b ihn dort ei ne m, der ihn dann nach Buda p e s t mitn a h m. Ein Beamter im Außen min is ter iu m vera b r e d e te noch am selb e n Tag ein Tref f e n mit eine m alten Freu n d , eine m evan g e lis c h - r e f o r mier te n Pfar r e r , und beau f tr a g te ihn mit der Über s e tzu n g des Beric h ts und sein e Über g a b e an bestimmte Pers o n e n . Wann und wie gelan g te dies e r Ausc h w itz- Be r ich t nach Unga r n ? Wer hat ihn beso r g t, wer hat ihn über s e tz t, und wem wurd e er zuer s t zuge s c h ic k t? Die Antw o r ten auf dies e Frag e n sind von groß e r Bede u tu n g . Von ihre r Bean tw o r tu n g häng t es ab, wie man die Katas tr o p h e vers teh t, die fast ein e halb e Millio n nach Ausch w itz versch lep p ter Men sch en betraf. Wer hatte in den entsc h e id e n d e n Auge n b lick e n die bevo r s te h e n d e Gefa h r erka n n t, welch e Möglich k e iten zur Rettu n g ware n vorh a n d e n , und wer hat 1 Die gekürz t e Fassu n g der Interv i e w s stüt z t sich auf das Wesen t l i c h e in dem Artik e l “. . . akkor már minde n egy há z f ö aszta l á n ott volt az Ausch w i t z i Jegy z ö k ö n y v . . .” [der Ausch w i t z - B e r i c h t lag berei t s bei jedem kirch l i c h e n Würde n t r ä g e r auf dem Tisch. " ] In: Való s á g , Budap e s t , Nr. 10. Oktob e r 1983, S. 75- 90 . Der Beric h t über Ausch w i t z von Vrba und Wetzle r , von dem in den Interv i e w s die Rede ist, wurde dama l s als Prot o k o l l bezei c h n e t , um den dokume n t a r i s c h e n Aspek t des Darges t e l l t e n zu be ton e n . Außer den hier da rge s t e l l t e n Inter v i e w s hatte ich über versc h i e d e n e Frage n zu diese m Thema Inte r v i e w s mit Káro l y Heté n y i - V a r g a , Lehre r für Relig i o n s g e s c h i c h t e , Dr . Mikl ó s Mest e r , dem ehema l i g e n Kult u s- S t a a t ß e k r e t ä r der Sztój a y - und der La kat o s - R e g i e r u n g e n , und mit Erzde k a n - O b e r p f a r r e r Dr. Gy örgy Kis. Das Grundm a t e r i a l der Aufna h m e s e r i e schen k t e ich der Tondok u m e n t a t i o n des Ungari s c h e n R undfu n k s . (MR Hangok . D-5154 . ) Eine ausfü h r l i c h e r e Darst e l l u n g der Inter v i e w s befind e t sich in meinem Buch Befej e z e t l e n múlt , Buda p e s t 1986 . 52 die Vera n tw o r tu n g für die Vers ä u mn is s e zu trag e n ? In den beka n n te n Publik a tio n e n der Histo r ik e r gibt es gena u s o viele Unsic h e r h e iten und Wide r s p r ü c h e wie Antw o r ten . Braham stellt die Aussage n von zwei Flüchtl i n g e n , zwei Mithelf e r n in Zili n i a und von vier promi n e n t e n Unga r n der jüdi s c h e n Führ u n g s s c h i c h t eina n d e r gege n ü b e r ; die Auss a g e n sind ab er derma ß e n wide r s p r ü c h lich , daß er sich gezwung e n sieht festzus t e l l e n : “Es stellt sich nicht genau heraus”, wan n der Berich t nach Bud ap est weiterg eleitet wurd e. “Erst in der zweiten Junih ä lf te bega n n e n die Vors teh e r de r unga r is c h e n Jude n , Exemp la r e des Beric h ts an einf lu ß r e ic h e Regie r u n g s k r e is e und kirc h lich e Würd e n tr ä g e r bzw. ihre auslä n d is c h e n Freu n d e weiter z u g e b e n . ” 2 Die Frag e nach dem Wie und Wann wird auch in ande r e n , nich t mind e r wide r s p r u c h s v o llen histo r is c h e n Werk e n aufg e w o r f e n . Jenö Léva i berich tet in sein em Szürke könyv 3 über eine n sech z e h n Seiten umfa s s e n d e n , in hebrä is c h e r Sprac h e abgef a ß te n Be ric h t, der irge n d w a n n im Juni in Buda p e s t ange k o mmen sein soll. Dezsö Schö n , Reda k te u r der in Isra e l hera u s g e g e b e n e n Zeitsc h r if t Új Kelet , datier t in sein e m Buch über den Eichman n Proze ß 4 die Ankunf t in Budape s t au f Mitte Mai. Elek Karsai sch r eib t: “. . . In Bud ap est wuß te man bereits Mitte Jun i über die Existen z des Vern ich tu n g s lag e r s Ausc h w itz, man kann te sein e n Aufb a u und sein e Funk tio n e n . ” 5 Péter Bokor bemerkt im Be gleit t e x t ledigl i c h , daß der Beric h t “bald ” im Osten und Weste n , “sog a r in Buda p e s t” beka n n t wurd e . 6 In sein em in Rom mit dem Botsch aftssek r etär der päp stlich en Nun ziatu r in Buda p e s t, Erzb isc h o f Genn a r o Vero lin o , gema c h ten Inter v iew kann man 2 Braha m: The Poli t i c s of Genoc i d e , II, S. 709-7 2 4 . 3 S z ü r k e köny v [Graue s Buch]. Budape s t 1946. Dieser Hinwe i s könnt e sich auf den Beric h t des “poln i s c h e n Major s ” bezie h e n , da die Läng e jene s Beri c h t s etwa dem hier genan n t e n hebrä i s c h e n Text ents p r i c h t . Vgl. Anha n g . 4 Der Proze ß in Jerus a l e m , Tel-A v i v 1962. 5 Elek Karsa i : Miér t nem bomb á z t á k az amer i k a i a k a náci halá l t á b o r o k a t ? [Warum wurden die Nazi Vernic h t u n g s l a g e r von den Amerik a n e r n nicht bomba r d i e r t ? ] In: Histór i a 1 (1981) . 6 Vgl. das von Péter Bokor gemach t e In ter v i e w mit Alfre d Wetzl e r für die Dokumen t a r s e r i e im ungaris c h e n Ferns e h e n : Eichm a n n in Budap e s t . In: Láto h a t á r (Juli 1981) , S. 161-19 0 . 53 folgend e s lesen: “Mitte Juni . . . e rreic h t e der Auschw i t z - B e r i c h t schon die Welt — soga r Buda p e s t und auch Buda ! ” 7 In mein er hier verö ffe n t l i c h te n Interv i e w mo n ta g e kommen vier Zeitg e n o s s e n und Zeug e n zu Wort, m it den e n ich 198 1 und 198 2 Inter v iew s über das Verh ä ltn is der Kirc h e n zum Jude n tu m aufz e ic h n e te. Über den Auschw i t z - B e r i c h t sprech e n hier Józs ef Éliás, reformi e r t e r Pfarre r im Ruhe s ta n d , Mária Szék e ly (ver h . Küllö i- Rh o r e r ) , Über s e tz e r in und Dolme ts c h e r in , Dr. Andr á s Zaka r , kath o lis c h e r Pries te r im Ruhe s ta n d und ehema lig e r Sekr e tä r von Kard in a l Seré d i, auße r d e m Sánd o r Törö k , Sch r iftsteller. Auf die Frage nach dem Wie und Wann sagt Józef Éliás , ehema lig e r Sekr e tä r des Jó Pászto r Bizo ttsá g [Aus s c h u ß “Gute r Hirt” ] im Wider s p r u c h zu den bishe r erwä h n te n Publik a ti o n e n : Er habe das deuts c h e Exemp la r des Berich ts “an ein em der letzten Apriltag e oder in den ersten Tag en im Mai . . . aus der unmit t e l b a r e n Umgeb u n g der Flüch t l i n g e ” erhal t e n . Seine damalig e Mitarb eiterin , die Überset zerin des Berichts, Mária Székely, erin n e r t sich an ihre erste Bege g n u n g mit dem deuts c h e n Text: “Es gehö r t zu jene n ersc h ü tter n d e n Erleb n is s e n , di e ich nich t verg e s s e n kann . Es war Ende April, aber wahr s c h e in lich e r Anfa n g Mai 1944 . ” Und wied e r Éliás : “In siebe n oder acht Tagen brach t e [Már ia Szék e ly] den getip p te n unga r is c h e n Text in sech s Exemp la r e n . ” Es war am 10. Mai 1944 oder an eine m der dara u f f o lg e n d e n Tage , als Éliás mit der Zuste llu n g der unga r is c h e n Exemp la r e begin n e n konn te . An der Spitz e der Adre s s a ten stan d e n die Namen der Ober h ir te n , der führ e n d e n Männ e r der unga r is c h e n Kirc h e n — der kath o lis c h e n , der refo r mier te n und der luth e r is c h e n . Bei der Bestäti g u n g geschic h t l i c h e r Ta tsach e n besteht eine Regel, daß eine Erinn e r u n g nur dann als authe n t i s c h e Quell e gilt, wenn sie auch von einer ande r e n Seite bestä tig t wird . Má ria Székely bestätigt als erste Person die Auss a g e n von Éliás . Als Auge n z e u g e lief e r t auch Sánd o r Törö k Bewe ise , eine r der Über b r in g e r . (Er ist leid e r der einz ig e Über leb e n d e . ) Indir e k te , jedo c h über z e u g e n d e Be we ise sind die Auss a g e n von Andr á s Zakar , dem ehemal i g e n Sekre t ä r des Ka rd in als Seréd i. Bestätig en d ist auch 7 Végjá t é k a Duna menté n [Das Ends p i e l an der Donau ]. Budap e s t 1982. 54 der Brief des refo r mier te n Konv e n ts vom 17. Mai 1944 an Premier min is ter Sztó j a y, der die Depo r tatio n e n gene h mig te. Unmiß v erstän d lich ist die Mahn u n g : Wir wiss e n , daß die Depo r ta tio n e n die “End lö s u n g ” bede u te n . Es wird aus dem Éliás-In terv iew ersich tlich , daß dieser Brief mit Ken n tn is des Ausc h w itz- Be r ich ts gesc h r ieb e n wurd e . Nach Gesp r ä c h e n mit Histo r ik e r n und Arch iv a r e n kann ich beha u p te n : Es kann als erwie s e n gelten , daß de r Ausc h w itz- Be r ich t Ende April oder Anfa n g Mai 1944 bere its in Buda p e s t war und daß er vorlag , als am 15. Mai die Depo r tatio n der Jude n auf dem La nde began n . Wie Józse f Éliás in unser e m Gesp r ä c h beha u p te te “. . . lag der Ausc h w itz- Be r ich t bere its bei jede m kirc h lich e n Würd e n tr ä g e r auf dem Schr e ib tisc h ” . 8 Leid e r erwä h n e n die kirche n g e s c h i c h t l i c h e n Arbeit e n und die Aufz e i c h n u n g e n der Bisc h ö f e , die sich mit dieser Epoche befassen , diese Tatsache nicht. Das “W arum” ist ein andere s wichti g e s Thema. 8 Bestä t i g t wird dies durch einen Beri c h t von Jean de Bavie r , Vertr e t e r des Inter n a t i o n a l e n Roten Kreuz e s in der Schwe i z : “On 13 May , the day befor e I left Buda pe st, I was informe d by the Jewish commu n i t y that a rail w a y meet i n g was due to take plac e on 15 May conc e r n i n g the c onvey a n c e of 300,00 0 Jews to Kassa and possib l y to Poland . As far as the genera l publ i c and the auth o r i t i e s are conc e r n e d , this movement of persons is simply a matte r of provi d i n g a labou r force but, since the depor t e e s will inclu d e child r e n and old pe opl e , the meani n g of this trans p o r t is quite diffe r e n t . It has been state d to me , not only by the Jewish commu n i t y but also by a highl y plac e d Hung a r i a n offi c i a l , that the desti n a t i o n of these train s is in Polan d , the up-to - d a t e insta l l a t i o n s for putti n g peopl e to death by means of gas. The Jewi sh commu n i t y stat e s that it has proo f of the disa p p e a r a n c e , by the same mean s, of their fello w Jews in Poland ” . Arieh Be n-T o v : Facin g the Holoc a u s t in Budap e s t . The Inter n a t i o n a l Comm i t t e e of the Red Cross and the Jews in Hungary , 1943-1 9 4 5 , Dordr e c h t 1988, S. 126. 55 J ózsef Éliás Von Józse f Éliás , dem refor mi e r t e n Pf ar r e r , hörte ich Anfa n g der sech z ig e r Jahr e , als ich einig e Jahr e als Korre s p o n d e n t der Zeitu n g Néps z a b a d s á g [Fre ih e it des Volk e s ] für die Bezir k e Hajd ú - Bih a r und Szabo lc s - S z a tmár in Debre c e n lebte . Persön l i c h habe n wir uns vor über zehn Jahr e n kenn e n g e ler n t, in einer für ihn schw e r e n Zeit. Er vertr a t das Rech t sein e r Gemein d e und sein eigen e s als ein Pf ar r e r , der sein e s Amtes enth o b e n und vor ein Kirch en g erich t gestellt word en war. Im Auftrag mein er Red ak tio n habe ich dies e n Fall aufme r k s a m unte r s u c h t, und ich war bald davo n überz e u g t , daß Éliás zu Unrec h t Opfer einer polit i s c h e n Verfo l g u n g gewo r d e n war. Auch in Debr e c e n wußt e n nur weni g e , daß Éliás der einzi g e Inhab e r eine r beso n d e r e n inter n a tio n a le n Ausz e ic h n u n g war. Die IHCA (In tern atio n al Heb r ew Christian Allian ce) ist ein e intern atio n ale, ökume n is c h e Orga n is a tio n , die die Bekä mp f u n g der Rass e n - und relig iö s e n Voru rteile für ihre wich tig ste Aufg ab e hält. Sie stiftete wäh r en d des Zweiten Weltk r ie g s eine Ausze ic h n u n g in Form eines Preis e s für den kirc h lich e n Würd e n tr ä g e r , der in ei ne m von den Deuts c h e n bese tzten Land am erfo lg r e ich s ten sein e Rettu n g s tätig k e it für bedr o h te Mens c h e n ausf ü h r te. Vom Lond o n e r Kong r e ß der IHCA 1948 wurd e der Preis Józs e f Éliás zuer k a n n t. Das Jahr 1942 brac h te für Józs e f Éliás groß e Verä n d e r u n g e n . Im Sommer war er Hilf s p f a r r e r in Ceglé d , und er schlo ß sich dem orga n is ie r ten Wide r s tan d an, der “Tele k i- G r u p p e ” 9 , dem Vorl ä u f e r der nach der 9 Pál Telek i , Profe s s o r für Geogr a p h i e und später Premie r m i n i s t e r (1939- 1 9 4 1 ) , beging Selbst m o r d , als im Jahre 1941 di e deuts c h e Wehrm a c h t durch Ungar n marsc h i e r t e und Jugos l a w i e n beset z t e . Ungarn wurde dadur c h gezwu n g e n , gegen ü b e r Jugos l a w i e n einen Vertr a g zu verle t z e n . Der Selbs t m o r d wurde als Prote s t gegen die Aktio n der deuts c h e n Regie r u n g verst a n d e n . Für weite r e Auskü n f t e über Soós vgl. Szene s : Befej e z e t l e n múlt, S. 92-93 . Feren c Gerge l y schre i b t in der Nr.1/ 1 9 8 3 der Zeits c h r i f t Confe s s i o einen biogr a p h i s c h e n Nachr u f 56 deuts c h e n Bese tzu n g Unga r n s ins Lebe n geru f e n e n Unga r is c h e n Unab h ä n g ig - k e its b e w e g u n g (Mag yar Függ e tlen s é g i Mozg a lo m, MFM) . Sein alter Freund , Géza Soós, Laie und Sekre t ä r der refor mi e r t e n Juge n d o r g a n is a tio n Soli Deo Glor ia und Minis te r ialr a t im Auße n min is ter iu m, zog ihn mit in die Orga n is a tio n s a r b e iten hine in . Noch im Dezember desselben Jahres bestellt Bisch o f Ravas z ihn nach Budape s t . Zuers t war er als Pfarr e r und Sekre tä r , späte r als leiten d e r Pfar r e r vom “Gute n Hirte n ” für den Schu tz von Chris te n jüdis c h e r Herk u n f t tätig . Er nahm den Auftr a g nicht sofor t und leic h t h e r z i g an, sonde r n eigen t l i c h erst dann , als er erfu h r , daß vor ihm bere i t s fünf Pfar r e r den Auft r a g zurüc k g e w i e s e n hatte n . Józse f Éliás , der die Über g a b e des Ausc h w itz- Be r ich ts an hochs teh e n d e politi s c h e und kirchl i c h e Perso n e n organ i s i e r t e . Sein e Tätig k e it als Pfar r e r und Sekr e tä r bega n n im Winte r 1942 /4 3 . Das ware n die Mona te der groß e n Wend e im Krieg : Die deuts c h e Arme e wurd e bei Stalin g r a d , die unga r is c h e am Don katas tr o p h a l gesc h la g e n , und und beric h t e t unter ander e m über die Rolle von Soós in der ungari s c h e n Unabh ä n g i g k e i t s b e w e g u n g . 57 das Land wurd e immer stär k e r in den Krieg hine in g e z o g e n . Józse f Éliás beric h tet: “Von den Anfä n g e n bis zur Befr e iu n g stan d e n die immer größ e r e n und schw ier ig e r e n Aufg a b e n der Rettu n g von Mens c h e n im Mittelp u n k t der Arbeit des 'Guten Hirten '. Für mich verfl o c h t e n sich die kirc h lich e n Aufg a b e n und die de r Bewe g u n g ” . Von der Bewe g u n g und von Géza Soós bekam Éliás die außero r d e n t l i c h e Aufga b e , den Ausch w i t z - Ber ic h t [von Vrba und Wetzler ] aus dem Deuts c h e n ins Unga r is c h e über s e tz e n zu lass e n und die vertr a u lich e Zuste llu n g an die Adre s s a ten zu orga n is ie r e n . ÉLIÁS: An ein em der letzten Apriltag e oder in den ersten Tag en im Mai verabr e d e t e Géza Soós mit mir ein Treffe n . Er deute t e im vorau s an, daß er mich zu einem länge r e n Gespr ä c h bäte , er habe mir etwas sehr Wicht i g e s mitzut e i l e n . Ich glaube , wir trafen uns im Kaffee h a u s Múzeu m. Géza, ein temp er a me n t v o l l e r , jedoch gleich z e i t i g beson n e n e r Mann, vibri e r t e vor Aufr e g u n g . Ich fühlte, daß er mit eine r auße r g e w ö h n lich e n Nach r ic h t geko mmen war. Er beric h tete, daß zwei jung e n slow a k is c h e n Jude n mit Hilf e eine r gehe ime n Gefa n g e n e n o r g a n i s a tio n die sens a tio n e lle Fluc h t aus dem poln is c h e n Konz e n tr a tio n s lag e r Ausc h w itz gelu n g e n war, und sie hatten den Auftr a g , darü b e r zu beric h ten , was in Ausc h w itz vorg in g . Die Flüc h tlin g e fertig ten an sich e r e m Ort eine ausf ü h r lich e , mit Zeich n u n g e n vers e h e n e Besc h r e ib u n g über Ausc h w itz an und nann te n das Doku me n t ein Proto k o ll, um auch dadu r c h die Auth e n tizität und Faktizität zu beto n e n . Ein Mitg lied unse r e r Bewe g u n g an der slow a k is c h e n Gren z e erhie lt aus der unmit t e l b a r e n Umgeb u n g der Flüch t l i n g e ein deutsc h e s Exempl a r des Beric h ts , der Bote war damit am Morge n unse r e s Tref f e n s in Budap e s t ange k o mmen . Die Leiter der Bewe g u n g entsc h ied e n , mich mit den Aufg ab en zu beau ftrag en , die uns durch den Berich t gestellt wurd en . SZENES : Was waren diese Aufga b e n ? ÉLIÁS : Zuer s t die gena u e , klar e und schn e lle Über s e tzu n g des Beric h ts aus dem Deuts c h e n ins Unga r is c h e . Zw eiten s : Das Abtip p e n des unga r is c h e n Texte s in sechs f a c h e r Ausfe r t i g u n g . Dritte n s : Fünf Exemp l a r e mußte n den 58 von Géza genan n t e n Perso n e n zuges t e l l t werde n , aber so, daß sie nicht einma l ahne n durf te n , von wem ihne n der Beric h t gesc h ic k t und durc h wen er überb r a c h t word e n war. Vierten s : Das sech s te Exemp la r und das deuts c h e Orig in a l mußte ich auf eine Art und Weise , die mir späte r mitgeteilt werden sollte, an Géza zurück g e b e n . Schlie ß l i c h fünft e n s : Die unga r is c h e n Exemp la r e durf te n nich t auf den Schr e ib ma s c h in e n des “Gute n Hirte n ” getip p t werde n . Währe n d unse r e s Gesp r ä c h s — ich sehe es jetzt noch vor mir —hatten wir ein en leeren Stu h l zwisch en uns, auf den wir unsere Tasch en stellten , und Géza schob mir den Beric h t in die Tasche . Als er die Adress a t e n aufz ä h lte — zuer s t die höch s ten kirc h lich e n Würd e n tr ä g e r —füg te er hinz u , daß wich tig e Regie r u n g s mitg lied e r nich t erfa h r e n dürf te n , daß wir den Beric h t besa ß e n . Sie brau c h ten nich t aufgek l ä r t zu werden, weil sich alle — wie Géza unterstr i c h — vom Reic h s v e r w e s e r bis zu den meist e n Minis te r n — über die Rolle von Ausc h w itz im klar e n ware n . Die Wide r - s ta n d s b e w e g u n g wolle desh a lb vor alle m die kirc h lich e Führ u n g s s c h ic h t info r mier e n , damit sie sich von der Regie r u n g nich t irre f ü h r e n ließ e und damit bede u te n d e Pers ö n lich k e iten Dr uc k auf den Reich s v e r w e s e r und die Regie r u n g ausü b e n könn te n , um die bevo r s te h e n d e Trag ö d ie für die Jude n zu verhin d e r n . Géza teilte außer d e m mit, daß die Wider s t a n d s b e w e g u n g die Möglich k e it hätte, den Be ric h t unga r is c h e n und ande r e n Pers ö n lich k e iten , die in der Schw e iz lebte n , zuko mmen zu lass e n . Schließ lich legte er mir ans Herz , daß alle, die ich in dies e Aktio n hine in b e z ö g e — der Über s e tz e r , der Bote — treue , der Aufg a b e gewac h s e n e , zuver lä s s ig e Mensc h e n se in müßte n . Wir sprac h e n über diese Frag e und vere i n b a r t e n , da ß ich eine meiner treue s t e n , kulti v i e r t e s t e n und erp r o b ten Mitarb eiterin n en , Mária Szék ely, bitten würd e, den Tex t zu übers e t z e n . SZENE S : Wußte t ihr im “Gute n Hirte n ” scho n früh e r über Ausc h w itz Besch eid ? 59 ÉLIÁS: Als ich den Berich t erh ielt, wuß te ich bereits fast alles Wich tig e. Mein e Mitar b e iter kann te n nur die über a ll verb r e iteten , unbe s tä tig ten Info r ma tio n e n über die deuts c h e n Lage r . SZENE S : Wohe r wußte s t du fast alles ? ÉLIÁS: Damals entwick elte sich ein e auß erg ewö h n lich e Zusammen arb eit zwisc h e n unse r e m “Gute n Hirte n ” und dem Kath o lis c h e n Vere in des Heilig en Kreu zes in Ung arn (Mag yar Szen t Kereszt Egyesü let, MSZKE). Dieser Verein war eine Institu t i o n der Inter e s s e n v e r t r e t u n g und des Glau b e n s von kath o lis c h e n Jude n . 1944 betätig te er sich unte r der Schir mh e r r s c h a f t des Bisc h o f s von Györ , Baro n Vilmo s Apor , und wurd e von zwei hervo r r a g e n d e n Pers ö n l i c h k e i t e n geleit e t , von dem weltli c h e n Präsi d e n t e n Profe s s o r Dr. Józse f Caval l i e r und von dem Jesui t e n - P a t e r József Ján o si, dem geistlich en Direk to r . Mit Pro f esso r Cav allier, der aus ein er alten fran zö sisch en kath o lisch en Familie stammt, verb an d mich ein e tiefe , ökume n is c h e , seelisc h e Gemein s c h a f t. Für ihn bede u te te der Glau b e die aufo p f e r u n g s v o lle Mens c h lich k e it gege n ü b e r allen . Er war ein hing e b u n g s v o l l e r Kamer a d und unt erst ü t z t e mich völlig in meiner Tätigke i t . Drei oder vier Tage nach der deuts c h e n Besetz u n g bat mich Cavall i e r , ihn im Büro des MSZKE in der Múzeu m- S t r a ß e aufz u s u c h e n . Ich ging hin, und er erzäh l t e mir auf Grund vertr a u l i c h e r Mittei l u n g e n aus dem Vatika n , die er von der Budap e s t e r päpst l i c h e n Nunzi a t u r hatte , den Ablau f des deuts c h e n Plan e s für die unga r is c h e n J ude n . Wie in ande r e n Länd e r n , so bega n n man auch hier mit den Vero r d n u n g e n , die die Jude n entr e c h teten , dann folg te der gelb e Ster n , das Ghetto , schließ lich die Depo r tatio n , die Gaska mmer und das Krema t o r i u m. Ich hörte zuers t von Caval l i e r über Ausch w i t z und ähnli c h e Lager . N ach diesen bestür z e n d e n Mittei l u n g e n mußte ich vers p r e c h e n , das Gehö r te niema n d e m weiter z u s a g e n . Er hielt es für notw e n d ig , daß ich weiß , was kommen würd e , aber er dach te — und ich war damit einv e r s tan d e n — daß es bess e r wäre, nicht zu verbr e i t e n , was wir wußte n , denn wir könn te n im Kreis e der Jude n Panik entf a c h e n und dadu r c h die Möglich k e iten eine r orga n is ie r ten Hilf e gefä h r d e n . Späte r ware n wir 60 nicht mehr so versc h w i e g e n . Die Au skünfte teilte ich auch Géza mit, als ich den Berich t von ihm erhiel t , aber als mich Cavalli e r aufklär t e , war es erst der 21. oder der 22. März, der dritte oder vierte Tag der deu tsc h en Bese tzu n g . Es gab noch kein e n gelb e n Ster n , noch kein e Ghetto s , die Sztó j a y- Reg ie r u n g war erst seit kurz e m im Amt. Wir konn te n noch hoff e n , daß alles ander s würde . Zwei Tage späte r , am Ende der erste n Woche der Bese tzu n g bat mich der luth e r is c h e Erzd e k a n Dr. Lajo s Kemén y, eine r der beste n und kämp f e r is c h s ten Unter s tü tz e r des “Gute n Hirte n ” , zu sich und erzä h lte mir auf Grun d deuts c h e r Qu ellen gena u dass e lb e , was ich von Cavallie r bereits gehört hatte. Bis da hin konn t e ich noch als junge r Mens c h gut schla f e n , aber in dies e n Tage n bega n n ich, schla f lo s e Näch te zu habe n . SZENES : Kehre n wir wiede r dorth i n zurüc k , als Géza Soós dir den Text des Beric h ts in die Tasch e schob . Was gesch a h danac h ? ÉLIÁS : Ich ging in mein Büro in die Lázár - S tr a ß e 5. Es besta n d aus einem größ e r e n Saal mit 18 Mitar b e iter n , und ich besa ß ein klein e s durc h eine Glas w a n d abge tr e n n te s Zimmer für vert r a u lich e Gesp r ä c h e . Ab und zu arbe iteten hier auch ande r e , vor alle m die Überse t z e r . Ich rief Mária Szék ely herein , überg ab ihr den deu tsch en Tex t des Berich ts mit der Bitte, ihn zu lese n , über den Inha lt zu refe r i e r e n und mir Antw o r t zu gebe n , ob sie die Aufg a b e des Über s e tz e n s über n e h men würd e . Sie konn te mir erst Stund e n späte r , völli g niede r g e s c h l a g e n — aber beher r s c h t — berich t e n , was sie geles e n hatte. Als ich ihr z uhö r te, hatte ich den Eind r u c k , daß es ihr gleic h schle c h t würd e , ich fürc h te te , daß sie für die Über s e tzu n g nich t genü g e n d seelisc h e Kraf t aufb r in g e n könn te . Sie ist aber eine stark e Seele , sie hat sich bereiter k lär t, die Arbeit zu übern e h men . Hier im Büro dürfe sie das nicht mach e n , sagte sie, ihre Wohnu n g sei aber entsp r e c h e n d sich e r . Wir verein b arten , wie sie sich meld en sollte, wen n sie fertig wäre. SZENE S : Wie lang daue r te die Über s e tzu n g ? 61 ÉLIÁS : In sieb e n oder acht Tage n brac h te sie den getip p te n unga r is c h e n Text in sechs Exempl a r e n . Ich la s sofor t ein Exemp l a r , und eigen t l i c h lern te ich dadu r c h den ganz e n Inha lt des Beric h ts kenn e n . Sein Umfa n g betr u g etwa 35-4 0 eng getip p te Seiten , mit einig e n skiz z e n h a f te n Zeich n u n g e n dazw isc h e n , wenn ich mich rich tig erin n e r e , von dem Krema to r iu m und dem Bewa c h u n g s s ys te m. Der Text besc h r ieb gena u das Funk tio n ie r e n der mens c h e n v e r n ich t e n d e n Orga n is a tio n und lief e r te Daten über die aus vers c h ied e n e n Länd e r n vers c h lep p te n und ermo r d e te n Mensc h e n mas s e n . Es war ersch ü tter n d : Währe n d des Übers e tz e n s meld e te sich Géza und bat Mária Székely, ihm das sechste ungaris c h e Exempla r mit dem deuts c h e n Orig in a l ins Auße n min is ter iu m zu brin g e n . Erst jetzt, 37 Jahre nach dies e n Ereig n is s e n , erfu h r ich, daß er Mária damals auch daru m bat, eine englisc h e Über s e tzu n g anzu f e r tig e n . SZENE S : Du hattes t also fünf ungar is c h e Exemp la r e des Beric h ts . Wer ware n die Adre s s a ten und die Zuste ller ? ÉLIÁS: Der erste Adressat war Kard in al (Fü r stp r i ma s ) Dr. Jusztin i á n Seréd i . Auf meine Bitte übern a h m Jó zsef Cavall i e r die Zustell u n g . Ich brac h te ihm den Beric h t, und wir besp r a c h e n die Sach e unte r vier Auge n . Frühe r war er der weltl i c h e Sekre t ä r des Epis k o p a t s und Ha up t r e d a k t e u r der kath o lis c h e n Tage s z e itu n g Nemzeti Újság [Volk s z e itu n g ] und hatte ein solch e s Verh ä ltn is zu Seré d i, daß er bei ihm prak tisc h ohne Klop f e n eintr e ten durf te . Er hielt es jedo c h für besse r , den Beric h t dem Kardi n a l nich t pers ö n lich zu über g e b e n . Jeden f a lls gara n tier te er für die Über g a b e . Das gesch a h auch. Der zweit e Adre ss a t war Bischo f Dr. László Ravasz , Präs id e n t des Weltk o n v e n ts der Refo r mier te n Kirc h e Unga r n s , und der Zustel l e r war Albert Berecz k y , de r Pasto r in der Pozso n y i - S t r a ß e . SZENES : Hatte Berec z k y schon vorhe r von Ausch w i t z gehör t ? ÉLIÁS: Ich weiß es nich t, aber er wuß t e mit Sich erh eit viel darü b er. Er litt an vers c h ied e n e n Kran k h e iten , aber in den furc h tb a r e n Mona ten des Jahr e s 62 1944 hatte er für alles Zeit, Kraf t, Vers tan d und Mut. Währ e n d er im Pred ig e n ohne diplo ma tis c h e s Gefü h l offe n spra c h und, wenn es nötig war, soga r Beleid ig u n g e n nich t mied , war er in der Rettu n g von Mens c h e n so uner mü d lich und einf a lls r e ich wie ke in ande r e r unte r uns. Er war derj e n ig e , der zu Anfa n g der deuts c h e n Bese tzu n g den Leiter der Parte i der Klein la n d w ir te und späte r e n Staa ts p r ä s id e n te n Zoltán Tild y in der Kirc h e in der Pozs o n y i - S t r a ß e und de r Zentra l e der Schott i s c h e n Missio n verste c k t e und auch Gyula Kállai, die Toch ter von Árpá d Szak a s its , und viele ande r e and ersw o . Das dritte Exemp la r war für den luth eri s c h e n Bisch o f Dr. Sándor Raffay . Auf meine Bitte hin überb r a c h t e es ihm der refor mi e r t e Erzde k a n , ein opfer b e r e i t e r Helfe r des “G uten Hirten ” . Der vierte Adress a t war der Arch ite k t Ottó Komo ly, ei ne beka n n te Pers ö n lich k e it unte r den ungar i s c h e n Israe l i t e n und der Leite r der Zioni s t e n in Ungar n . Nach der deuts c h e n Bese tzu n g leitete er eine Hilf s a b te ilu n g der Buda p e s te r Deleg a t i o n des Intern a t i o n a l e n Roten Kreuz e s . Im Dezemb e r 1 0 wurd e er von den Fasc h is te n gefa n g e n g e n o mme n und ermo r d e t. Zur Zeit der Zuste llu n g des Beric h ts wußte ich wenig über ihn und beha n d e lte ihn mit Vorsi c h t . Ich bat meine n treue n Fre un d , den Richt e r Dr. Géza Kárpá t y , ihm den Beric h t zu gebe n . Ich sah zu, da ß ich jeman d e n wählte, der sowo h l in kirch lich en Kreisen als auch im öffen tlich en Leb en nich t bek an n t war. Mein Freu n d Géza zog den Anzu g des Gärtne r s seiner Villa auf dem Gellér t - B e r g an: er sah — wie man dama ls sagte — “wie ein Arbeiter” aus; so gin g er zu Ottó Komo ly, er stellte sich nich t vor, oder er nan n te vielleich t eine n Deck n a men und über g a b ihm die Send u n g ohne Erklä r u n g . Späte r erfu h r ich, daß auch Ottó Komo ly mit der Wide r s tan d s b e w e g u n g in Verb i n d u n g stan d und er Géza Soós von dem Doku me n t unbe k a n n t e r Herk u n f t beric h tete. Als er erfu h r , daß er das Doku me n t durc h die Beweg u n g erhal t e n hatte , bat er sofor t um Erlaub n i s , es vervie l f ä l t i g e n zu dürf e n . Ich weiß von Géza : Er wurd e ge beten , eine Weile zu warten, erst dann durf te n sie mit der Verv ielf ä ltig u n g und Verb r e itu n g begin n e n . Mein e Vermu tu n g , daß das Doku me n t auf dies e Weise in breiter e n Kreis e n ersc h ie n , ist begr ü n d e t. Es kam auch vor — und das ist etwa s iron is c h — 10 Vgl. Anm. Nr. 69 in der Einle i t u n g ! 63 daß jeman d , der mit mir und mein e r Tätig k e it solid a r is c h war, mit eine r späte r e n Kopie zu mir kam, um mich vertr a u l i c h zu infor mi e r e n . Vom fünfte n Exempl a r sagte Géza: Er würde darü b e r zu einem pass e n d e n Zeitp u n k t verf ü g e n . Dies gesc h a h , als Sánd o r Törö k , der Anfa n g der vier z ig e r Jahr e bere its eine n Ruf als Schr if ts teller und Jour n a lis t hatte, aus der Inter n ier u n g freik a m. SZENES: Das klin g t seh r rätselh af t . Erkläre mir das, bitte, ein g eh en d er ! ÉLIÁS : Törö k wurd e mit viele n ande r e n Intellek tu e llen nach der deuts c h e n Besetz u n g intern i e r t , Mitte Mai ist er jedoch entlas s e n worden . Ein Regie r u n g s b e s c h lu ß rief damals de n Verb a n d der Unga r is c h e n Jude n [Mag yar o r s z á g i Zsid ó k Szöv e tsé g e ] ins Lebe n , und er wurde in desse n Verwa l t u n g s a u s s c h u ß als Vert r e t e r der chris t l i c h e n Juden beruf e n . Er melde t e sich bei Caval l i e r und mir und bat uns um Hilfe . Ich erfuh r von Géza Soós, daß auch die Wider s t a n d s b e w e g u n g auf ihn aufme r k s a m gewor d e n war und es vermi t t e l t e , daß Török sehr bald freie n Zutri t t in den Burg p a las t erhie lt, in den vertr a u lich e n Kreis der Gräf in Ilon a Gyula i Edelsheim, der Witwe des stellvertrete n d e n Reich s v e r w e s e r s Istv á n Horth y. Das fünf te Exemp la r des Beric h ts ging an die Gräf in , und Sánd o r Törö k war der Zustel l e r . SZENES : Warum die Gräfin ? ÉLIÁS : Ein Leiter der Bewe g u n g , Domo k o s Szen t- I v á n yi, Mitar b e iter des jünge r e n Hort h y - S o h n e s Mi klós , hatte gute Kontak t e zur Horthy - F a mi l i e und auch zu der Gräf in , die über z e u g t war davo n , daß das Flug z e u g u n g lü c k ihres Manne s von den Deuts c h e n absi c h t l i c h herbe i g e f ü h r t worde n war. 1 1 Szent- I v á n yi mein te, daß sie aus dies e m oder auch aus ande r e n Grün d e n für die Wide r s tan d s b e w e g u n g gewo n n e n werd e n könn te . Törö k wurd e ause r k o r e n , die Gräf in und über sie auch ande r e über die Lage der 11 Für das Flugze u g u n g l ü c k des stellv e r t r e t e n d e n Reich s v e r w e s e r s Istvá n Horth y vgl. Konrá d Matth a e i d e s z : A le gen d a valós á g a [Die Wirkl i c h b e i t der Legen d e ] 2 (1982 ) Histó r i a . 64 Verfol g t e n und gleich z e i t i g die Verfol g t e n über Sache n zu infor mi e r e n , die man im Burg p a las t erfa h r e n konn te . SZENE S : Erhie ltes t du irge n d e in e Meld u n g darü b e r , wie die Adre s s a ten den Beric h t aufna h men ? ÉLIÁS : Die Reak tio n des Kard in a ls Seré d i erre ich te mich nich t, die von Ottó Komo ly nur in der Form, daß er mich um die Verv ielf ä ltig u n g des Doku me n ts bat. Bisch o f Raff a y frag te Erzd e k a n Lajo s Kemén y nur, wohe r das Sch r iftstü ck stamme. Kemén y antwo r tete in sein er typ isch en Art kurz und bünd ig : Es ist egal, Herr Bisc h o f , wohe r das Doku me n t ist, aber jede Zeile enthält die Wahrheit. Die Ga tti n von Istvá n Horth y erkun d i g t e sich, wie mir Törö k beric h tete, nich t nach der Herk u n f t des Doku me n ts , hatte jedo c h auch kein e n Zweif e l an sein e r Echth e it. Das meiste erfu h r ich über die Reak tio n von Lász ló Rava s z ; darü b e r existier t auch ein indir e k te s schrif t l i c h e s Dokume n t . Albert Berecz k y hat den Berich t etwa am 12. oder 14. Mai dem Bisc h o f gege b e n , der da mals den ganz e n Sommer über wege n seiner schwer e n Krankh e i t in Leányf a l u verwe i l t e . Am 15. Mai waren die erste n Depo r tatio n s z ü g e aus der Karp a to - U k r a in e nach Ausc h w itz abge f a h r e n . Die dies b e z ü g lich e n Info r ma tio n e n konn te n für Lász ló Rava s z nich t uner w a r tet gewe s e n sein . Baro n Zsig mo n d Peré n yi, der Präs id e n t des Ober h a u s e s , such te den Bisc h o f bere its Ende April auf und erzä h lte ihm, daß die Jude n in der Karp a to - U k r a in e und in ganz Nord o s tu n g a r n gesa mmelt würd e n , aber nich t um zur Arbe it nach Deuts c h la n d depo r tier t zu werd e n . Ihr Schic k s a l würd e dem der poln is c h e n und slow a k is c h e n Jude n gleic h e n . Das bewo g letzten d lich Lász ló Rava s z , am 17. Mai im Namen des Refo r mier te n Weltk o n v e n ts dem Premier min is ter Sztó j a y ein Gesuch einzu r e i c h e n . In dessen letz tem Absatz sch r eib t er: “W ir müssen Eure Exzell e n z auf die trauri g e n Er eig n i s s e aufme r k s a m mache n , daß die Depo r t a t i o n e n der Jude n ande r e r Länd e r scho n zu einem endg ü l t i g e n Resu ltat gefü h r t habe n . . . . ” Der ungar is c h e Bisc h o f hatte also dem Premiermin ister zum ersten Mal mitg eteilt, daß die Dep o r tatio n 65 “Endgü l t i g e s ” bedeut e , was, wie die Deuts c h e n sagte n , eine “Endl ö s u n g ” bede u te . Also Mass e n mo r d , Völk e r mo r d . 1 2 Das Gesu c h wurd e wahr s c h e in lich von Bisc h o f Rava s z selb s t formu lier t. Er vers tan d es, die Wahr h e it in ange mes s e n e r Form so darz u le g e n , daß man darüb e r keine n Zweif e l haben konnt e . Berecz k y hat es mir noch vor der Zuste l l u n g gezei g t , und er war sehr zufri e d e n , daß bereit s in diesem Text die Wirk u n g des Beric h ts erke n n b a r war. Er sagte , daß die Regie r u n g die Kirc h e n nich t irre f ü h r e n kann mit de r Beha u p tu n g , daß die Depo r tier te n nur zur Arbe it nach Deuts c h la n d gelief e r t würd e n . Ich wied e r u m freu te mich darü b e r , daß die Wide r s tan d s b e w e g u n g mit Hilf e des “Gute n Hirte n ” mit der Besc h a f f u n g des Beric h ts, dess e n Über s e tzu n g und Zuste llu n g ihr Ziel erre ich t hatte. Als am 15. Mai 1944 die erste n Depo r tatio n s z ü g e die Lan d esg ren ze übersch ritten , lag der Ausch w itz-Berich t bereits bei jed em kirc h lich e n Würd e n tr ä g e r auf dem Schr e ib tis c h . 12 Der Brief des Weltko n v e n t s der Evange l i s c h - R e f o r m i e r t e n Kirch e vom 17. Mai 1944 wurde veröf f e n t l i c h t In: Jenö Lé vai: Szürke köny v [Graue s Buch]. Budap e s t 1946, S.59. 66 Mária Székely, die Übersetzerin des Auschw i t z - B e r i c h t s aus dem Deuts c h e n ins Ungar is c h e . 67 Mária Székely Vergilb ter Ausw e is mit rund e m Sieg e l und mit dem Datu m vom 7. April 1944 . Auf dem Bild eine jung e Frau mit schö n e m Gesic h t und erns tem Blick : Die Diako n is s e Mária Széke ly. Die mehre r e Sprac h e n beh errsch en d e Toch ter des namh aften , zu der Zeit als Ban k an g estellter tätige n Zahnar z t e s , wurde 1943 freiwi l l i g e Helfer i n im “Guten Hirten ” und war dort nach der deuts c h e n Beset z u n g fe st angestellt. Sie war eigentlich nie eine richtig e Diak o n is s e , aber mit diese r Besc h e in ig u n g konn te sie siche r e r lebe n und ihre wahre Tätig k e it tarn e n : Sie rettete Verf o lg te, beteil i g t e sich an der Organi s a t i o n von Heime n , die Kinde r verst e c k t e n und beschüt z t e n , sie fertigt e falsche , lebe nsrettende Papiere an; sie arbeitete als Dolme ts c h e r in des Pfar r e r s und Sekr e tä r s im JPB und bei schw ier ig e n Verh a n d lu n g e n der Deleg ie r ten des Inte r n a tio n a len Roten Kreu z e s , wo das Lebe n von Mens c h e n und Kind e r n auf dem Spiel stan d ; sie über s e tz te Doku me n te, die verh e imlich t werd e n mußte n , aus dem Unga r is c h e n und ins Unga r is c h e . SZÉKE L Y : Ich erin n e r e mich noch an das erste Durc h le s e n des Beric h ts im Büro des “Gute n Hirte n ” in der L ázár - S t r a ß e . Es gehör t zu jenen ersc h ü tter n d e n Erleb n is s e n , die ich ni ch t verg e s s e n kann . Es war Ende April, aber wahr s c h e in lich e r in de n erste n Maitag e n 1944 . Das gena u e Datu m weiß ich nach so vi ele n Jahre n nicht mehr. SZENE S : Viele , die im Früh j a h r oder Sommer über Ausc h w itz gehö r t hatten oder even tu ell sog ar den Berich t zu Gesich t bek amen , wollten nich t glau b e n , daß möglich ist, was dort gesc h a h . Haben Sie es gegla u b t? SZÉKE L Y : Dies e r Tatsa c h ten b e r ic h t war so unbe g r e if lich bestü r z e n d und ersc h ü tter n d , daß man es gar nich t in Worte fass e n kann . Man konn te kein e n Zweif e l an der Echth e it haben . Es wund e r t mich jedo c h nich t, daß es 68 ein ig e Men sch en gab , die das nich t glau b en wollten . Ich durfte mich aber den Zweif e ln und der von dem Scho c k he rv o r g e r u f e n e n Verz w e if lu n g nich t hing e b e n . Wenn es auch sehr schw e r war, mußte ich mich auf die Aufg a b e des Über s e tz e n s konz e n tr ier e n , um die Arbe it so schn e ll und grün d lich wie möglich abzu s c h ließ e n . Was ich da über n a h m, brau c h te eine n ganz e n Mensc h e n . Ich arbeitete sechs bis acht Tage lang fast pause n lo s an der Über s e tzu n g , und ich kann sage n , daß dies e Arbe it mit kein e r mein e r seith e r ig e n Auftr ä g e zu verg leich e n ist. Aus dem Beric h t ging mir der bis dahin nur vom Höre n s a g e n beka n n te meth o d is c h und peda n tis c h orga n is ie r te Mens c h e n mo r d — das gepla n te Verb r e c h e n an Masse n — in sein er vollen , entsetzlich en Realität auf. Der Ein d r u ck blieb unau slö sch lich in mir hafte n , gena u wie die bruta le Tatsa c h e , daß es Mens c h e n gab, die das ausg e d a c h t und vollzo g e n hatten und so tief sink e n konn te n . SZENE S : Ich kenne zwei Exemp la r e des Beric h ts von damals mit dem gleic h e n Text. Ihr Umfa n g betr ä g t je ca. 40 Seiten . Die Über s e tzu n g war siche r eine sehr anstr e n g e n d e Arbeit. Wo arbeiteten Sie? Das war doch eine verb o te n e und lebe n s g e f ä h r lic h e Tätig k e it nich t nur für den Über s e tz e r , sond e r n auch für diej e n ig e n , die auch indir e k t damit zu tun hatten . SZÉKE L Y : Unge f ä h r eine n Mona t n ach der deuts c h e n Bese tzu n g konn te ich in das Haus von Káro ly Szlad its in der Érmellék i- S tr a ß e 7 ziehe n . Das spielte für mich pers ö n lich eine so groß e Rolle, weil ich so vom Büro der Unga r is c h e n Deleg a tio n des Inter n a tio n a len Roten Kreu z e s , wo ich späte r im Sommer 1944 arbe itete, nur ein paar Minu te n entf e r n t war. Ich beka m von den Szlad its eine Mans a r d e , und das war in jede r Hins ich t idea l. Ich konnt e dort unges t ö r t übers e t z e n . Man st ell t e mir auch Wörte r b ü c h e r zur Verf ü g u n g , und Káro ly Szlad its war durc h sein e güte v o lle, weise Mens c h lich k e it eine groß e Hilf e und Stütz e für mich . Er wußte , daß ich etwas Wich tig e s mach te, aber er war ein taktv o ller Mens c h und erwar te te nich t von mir, daß ich ihn einw e ih te . So konn te ich den unga r is c h e n Text auf meine r klein e n Schre i b ma c h i n e in Sicherh e i t tippen . Ich machte sechs Exempl a r e . 69 SZENES: Hat die Familie Szlad its nich t bemerk t, daß Sie inn erlich mit etwas besch ä f tig t waren ? SZÉKE L Y : Wege n der viele n Greu e l in der Auße n w e lt fiel ihne n mein e Stimmu n g gar nich t auf. In dem Haus und gera d e in mein e m klein e n Zimmer gesch a h e n auch viele ander e “auf r e g e n d e ” Sach e n . Ich denke hier b e i an die Fälsc h u n g von Papie r e n zur Lebe n s r e ttu n g ande r e r , an Tref f e n und Besp r e c h u n g e n mit vers c h ie d e n e n Mens c h e n . Auch wenn die Familie etwas gemerkt hätte, so hat sich doch keine r neugi e r i g gezei g t . SZENE S : Die Auto r e n des Beric h ts besc h r ieb e n die Einr ich tu n g e n des Lage r s , die Meth o d e der Täto w ie r u n g und Selek tier u n g , die Funk tio n der Gask a mmer n und der Krema to r ien . Si e bege g n e ten da neue n , bis dahin unbe k a n n te n Begr if f e n . Wie wurd e n Sie mit ihne n fertig ? SZÉKE L Y : So ungla u b lich es ersc h e in e n mag: Dies e r Beric h t ist ein troc k e n e r Text, ohne jeglich e Emoti o n e n , als ob man darü b e r gesc h r ieb e n hätte, wie Brot geba c k e n wird ; ich weiß nich t, was für Gleic h n is s e ich noch nenn e n kann , damit ich den Gege n s tan d nich t harmlo s ersc h e in e n lass e . Ich sage nich t, daß die Über s e tzu n g einf a c h war, aber so viele neue Begr if f e und Voka b e ln fand ich nich t. Natü r lich war der Inha lt, unab h ä n g ig von der Formu lier u n g , unsa g b a r schr e c k lich . SZENE S : Wie habe n Sie die Zeich n u n g e n kopie r t? SZÉKE L Y : Wenn ich mich gut erin n e r e , war es ziemlich schw e r , Durc h s c h lag p a p ie r zu besch a f f e n , aber schließ lich gelan g es mir, auch wenn ich im Zeich n e n nich t gesc h ic k t bin, die Zeich n u n g e n zu kopie r e n und in den Text einz u s e tz e n . SZENE S : Ein Adre s s a t der von Ihne n ange f e r tig ten Exemp la r e war Kardin a l Seré d i. Im Archiv des Kardin a ls fand ich in einem Doku me n ten b ü n d e l aus 70 dem Jahr e 1944 ein Exemp la r des Ausc h w itz- Be r ich ts , und auf den Zeic h n u n g e n sind noch die Spur e n des lilaf a r b e n e n Durch s c h l a g p a p i e r s erke n n b a r . Ist es möglich , daß Sie ein solch e s Durc h s c h lag p a p ie r benu tz te n ? SZÉKELY : Gewiß , es war lila! Ganz gewiß ! SZENE S : Dann ist es möglich , daß das Exemp la r Ihre Arbe it ist, obwo h l in dies e m Sommer der Beric h t dem Kard in a l von viele n Leute n zuge s c h ic k t wurd e , und man kann nich t wiss e n , welch e s ins Arch iv gelan g te . Es steh t kein e Sign a tu r dara u f . Natü r lich mußt e es vor jede m verh e imlich t werd e n , was Sie mach ten . Wie lang e kann man aber so ein Gehe imn is hüte n ? SZÉKE L Y : Zur Zeit des Übers e tz e n s sah den Beric h t auße r mir nur eine einzig e Pers o n , mein damalig e r Bräu tig a m, seit 1945 mein Mann, der zu den Szlad its herü b e r k a m, wenn es ihm sein e Arbe it als Chir u r g und die Bomb a r d ie r u n g e n erlau b te n . Ihm konn te ich es nich t verb e r g e n . Wenn ich ihm nich t erzä h lt hätte, was ich dem Beric h t entn a h m, und es ihm nich t gezei g t hätte , wären alle offene n Ge spr ä c h e mit ihm unmög l i c h gewor d e n . Ich erin n e r e mich noch , daß er toten b le ic h war, als er den Text las. . . . Es gab auch eine n pein lich e n drama tisc h e n Momen t mein e r Über s e tz e r tätig k e it, durc h eige n e s Ve rsc h u l d e n . Es war mir warm im Zimmer , und desh a lb ging ich mit mein e n Papie r e n und mein e m Wörte r b u c h auf die klein e Terr a s s e im Erdge s c h o ß des Hause s , die etwa drei bis vier Meter vom Drah tz a u n des Grun d s tü c k s entf e r n t war. Ein stär k e r e r Wind s to ß riß eine Seite de s deuts c h e n Texte s , auf der auch Zeich n u n g e n ware n , weg bis an den Za un , und sie blieb dort häng e n . Auf der ande r e n Seite des Zaun e s ging ein de uts c h e r Sold a t auf und ab. Er hielt Wach e. Die Deu tsch en besetzten nämlich die Villen der Ermellék i-Straß e auf beiden Seiten der Szladit s - V i l l a und ihr gege n ü b e r und bewa c h t e n sie stän d ig . Ich war wege n der wegg e f lo g e n e n Seite sehr ersc h r o c k e n . Aber bevo r ich dorth in lauf e n konn te , grif f der Wach p o s ten bere its durc h den Zaun und über g a b mir höflich das Papie r . Zu mein e m Glüc k inter e s s ie r ten 71 ihn wede r die Zeich n u n g e n noch der Text . . . Natü r lich ging ich sofo r t ins Zimmer zurüc k , um zu arbei t e n . SZENE S : Die ungar is c h e n Exemp la r e ware n fertig . Was gesch a h mit ihne n ? SZÉKELY : Ich überga b sie József Éliás in der Lázár - S t r a ß e . Ein Exemp l a r des unga r is c h e n Texte s und das deuts c h e Orig in a l mußte ich im Auftr a g von Józsi [d.h. Éliás] in die Úri-St r a ß e zu Géza Soós bring e n . Da war eine Depe n d a n c e des Auße n min is ter iu ms . Es war ein aben teu e r lich e r Weg voller Aufr e g u n g . Ich ging vom Szén a - P la tz in die Burg hina u f , aber es gab gera d e Flieg e r a lar m, und ich lief in den Lufts c h u tz k e ller eine s Haus e s . Kaum war ich wied e r wegg e g a n g e n , gab es wieder Alarm, aber er dauert e nur kurz e Zeit. Dann gab es noch oben in der Burg irge n d w e lc h e Ausw e is k o n tr o llen , und es war eine groß e Erleich te r u n g für mich , als ich mit dem deuts c h e n und unga r is c h e n Exem p la r des Beric h ts endlich bei Géza Soós ankam. Er nahm die Dokume n t e auch mit einem erlei c h t e r t e n Seuf z e r an. . . SZENES: Haben Sie den Bericht auch ins Englisc h e überse t z t ? SZÉKELY : Géza Soós beauft r a g t e mich damit , als ich ihm den ungar i s c h e n Text brac h te. Ich glau b e , dies mal wa r der Termin noch kürz e r . Ich beka m den deuts c h e n Text zurü c k und arbe itete wied e r Tag und Nach t und durf te nich t eins c h laf e n , weil . . . aber das brau c h e ich Ihne n ja gar nich t zu erklä r e n . Ich hörte späte r , daß es irge n d w ie plötz lich eine Möglich k e it gab, die Dokume n te in die Schwe iz zu schic k e n , desh a lb dies e Eile mit der Über s e tzu n g . 1 3 13 Wa s mit diese m engl i sc h e n Exemp l a r gesch e h e n ist, ist noch nicht bekan n t gewo r d e n . In der Schwe i z war diese s Exemp l a r im Monat Mai offen b a r nicht ange k o mme n . Soós gelan g am 9. Dezemb e r die Fluc h t nach Ital i e n , wo er dem Gehe i md i e n st (OSS) der amer i k a n i sc h e n Arme e eine n Beri c h t über die Wider s t a n d s b e w e g u n g in Ungar n ersta t t e t e . Er überga b auch einen Mikro f i l m des Beric h t s über Ausch w i t z . Da diese r Berich t noch aus dem Ungaris c h e n ins Engl i sc h e über se t z t werd e n mußt e , enth i e l t der mitge b r a c h t e Mikro f i l m offen b a r nur den unga r i s c h e n Text . Szene s : Befe j e z e t l e n múlt, S. 93 und Elek Karsa i : Some 72 SZENE S : Habe n Sie schon etwa s darü b e r erfa h r e n , was mit den unga r is c h e n Exemp la r e n gesc h a h ? SZÉKE L Y : Vor unge f ä h r zehn Jahr e n ersc h ie n ein Artik e l in der Zeitu n g Néps z a b a d s á g [Fre ih e it des Volk e s ], worin der Ausc h w itz- Be r ich t zur Disk u s s io n stan d , und mein Name als Über s e tz e r wurd e auch erwä h n t. Aus diese m Artik e l habe ich erfah r e n , daß die von mir übers e tz te n Exemp la r e hoch g estellten kirch lich en Persö n lich k eiten zug estellt word en waren . Ich hörte dann in der ersc h ü tter n d e n Fern s e h s e r ie des Ungar is c h e n Fern s e h e n s “Száz a d u n k ” [Unse r Jahrh u n d e r t ] wied e r von dem Beric h t . Es war bestü r z e n d , die proj izier te n Zeich n u n g e n und Textteile wied e r z u s e h e n . Aber auch die Tatsach e darg estellt zu seh en , was es eig en tlich war, wozu mein e Arbe it aufk lär e n d beig e tr a g e n hat, nämlich die Wahr h e it aufz u d e c k e n . Józse f Éliás rief mich im Mai 1981 an und erwä h n te wied e r die Über s e tzu n g des Beric h ts. Ich ha tte ihn seit 1949 nich t gese h e n , kaum etwa s über ihn gehö r t, aber wir unte r h ie lten uns, als ob wir erst eine n Tag davo r mitein a n d e r gesp r o c h e n hätten . Und es war so unhe imlich , fast verb lü f f e n d , wie sich Józs i in Lobs p r ü c h e n über mich ergo ß . Ich konn te das nich t genu g abwe h r e n , ich habe ja nie gefü h lt, daß ich mit dies e r Übers e tzu n g etwas ander e s getan hätte, al s was ich gera d e tun mußte . Ich fühlte irge n d w ie immer , daß der Mens c h die Aufg a b e hat, das zu tun, was er in eine m Auge n b lick zu tun fähig ist. SZENE S : Sie über n a h men wirk lich eine le be n s g e f ä h r lich e Aufg a b e . . . . Ich möch te noch etwa s frag e n . Über Ausc h w itz gibt es heute eine Meng e an Liter a tu r . Haben Sie späte r etwas über das Lager geles e n ? Hatten Sie genug Seele n k r a f t, sich dafür zu inter e s s ie r e n ? Waren Sie vielleich t am Ort? SZÉKE L Y : Ich las über Ausc h w itz und über den Nazis mu s im allg e me in e n viele s , was sowo h l unte r eine m histo r is c h e n als auch eine m ande r e n Aspe k t Aspects of the Histor y of the Hungar i a n Resis t a n c e Movem e n t (19 March- 1 5 Octob e r 1944) . In: A Rádai Gy üjt e m é n y Évkön y v e 4-5 (1986) , S. 238-28 7 . Vgl. Anhang. 73 gesch r ieb en wurd e. Vor allem interessierte es mich vielleich t desh alb , weil mich die Frage nach dem Faschi s mu s als seelische Seuche, also als eine Gefa h r , die den Mens c h e n korr u mp ier t, besc h ä f tig te und heute noch besch äftig t. In Ausch w itz war ich ni cht , aber Anfan g der sechz i g e r Jahre war ich mit mein e m Mann und unse r e n Kind e r n in Buch e n w a ld . Wir fuhr e n von Weima r aus dorth in . Im Lage r ange k o mmen , fühlten wir irge n d w ie den groß e n Zusa mmen s to ß und die Unve r s ö h n lich k e it von Kultu r und fasc h is tis c h e r Barb a r e i. Mein e Kind e r betr a c h teten Buch e n w a ld und was dort zu sehe n ist, als ob sich das alles nich t auf der Erde , sond e r n auf einem ander e n Plane t e n zuget r a g e n hätte . . . . 74 András Zakar , Sekre tä r des Kardin a ls Jusztin ián Seréd i. 75 András Zakar Dr. Andr á s Zaka r , pens io n ie r ter kat ho l i s c h e r Pfarr e r , wählt e den Beruf eine s Pfar r e r s nach eine m unge w ö h n lich e n Beru f w e c h s e l: Vor sein e n theo lo g is c h e n Stud ie n erwa r b er ein Diplo m als Bauin g e n ie u r an der Tech n is c h e n Univ e r s ität in Budap e s t . Auch sein e Laufb a h n als Pfarr e r verlief unge w ö h n lich : Er bega n n nich t als Kapla n im Pfar r a mt, sond e r n als Büroange s t e l l t e r im Palast des Kard i n a l s in Eszt e r g o m. Im Früh j a h r 1944 wurd e er Sekr e tä r des Kard in a ls Jusz tin ián Seré d i, und er blieb bis zu dess e n Tode Ende März 1945 in dies e m Amt. Danac h wurd e er Sekr e tä r des neue n Kard in a ls Józs e f Mind s z e n ty, und er bekle id e te dies e s Amt noch drei Jahre. Heute lebt er als Rent n e r in einer gemü t l i c h e n mit Büche r n und Manus k r i p t e n angef ü l l t e n Wohnu n g in einer Straß e in Buda. Der Anfan g sein e r Tätig k e it als Sekre t ä r bei Kard in a l Seré d i war durc h ein dramat i s c h e s Jahr im Leben de s Lande s gezei c h n e t : Es wurde von den Deuts c h e n bese tzt, von der Roten Ar me e befr e it und von Osten bis Weste n durc h den Krieg verw ü s tet. Ich mach te drei Tona u f n a h me n mit Andr á s Zaka r über die in der Resid e n z des Kard in a ls und in der Umwe lt ablau f e n d e n Ereig n is s e des Jahr e s , vor allem über das Verh ä ltn is der kath o lis c h e n Kirc h e zum Jude n tu m und zu den Depo r tatio n e n . Zaka r ist vielleich t heute der einz ig e noch über l e b e n d e zeitg e n ö s s is c h e Zeuge unter den ehemalig en Mitarb eitern des Kard in als. 1 4 14 In seine r Rezen s i o n von Befej e z e t l e n múlt schre i b t Braha m kriti s c h über die antis e mi t i s c h e Haltu n g von Andrá s Zakar : “R ati o n a l i z a t i o n s for Cardi n a l Seré d i ' s attit u d e towar d the Jews can be found in th e inter v i e w with Rever e n d Andrá s Zakar , the Card i n a l ' s forme r secr e t a r y . The inte r v i e w refl e c t s not only his conc u r r e n c e with the Cardi n a l ' s posit i o n s , but also his own well-k n o w n antip a t h y towar d the Jews. Zakar' s anti- S e mi t i c views were fully revea l e d in his bookl e t that was publi s h e d in Switz e r l a n d in 1976: Elhal l g a t o t t feje z e t e k an magy a r tört é n e l e mb ö l [Vers c h w i e g e n e Kapit e l aus de r unga r i s c h e n Gesc h i c h t e ]. In the trad i t i o n of the era, Zakar attem p t e d to prove that the Jews a nd 'the talmud i s t s ' were respon s i b l e for every major trage d y in Hunga r i a n histo r y from the time of the Mohács disas t e r in 1526 to the peac e trea t i e s that were conc l u d e d afte r Worl d War II. He went as far as to claim that 'Jewis h force s ' were res pon s i b l e for guidin g Admira l Horthy into 76 ZAKAR: Meine Aufgab e als Sekret ä r be i Kardin a l Serédi war es, das zu löse n , womit er mich beau f tr a g t hatte, und ich mußte als offiz ie lles Gehe imn is hüte n , worü b e r er mich info r mier te . Über sein e Tätig k e it kann ich natü r lich nur beric h ten , was ich gese h e n habe , und kann nur sage n , wie ich es heu te beu r teile. Ich muß gleich zeitig beto n en , daß die Info rmatio n en und Beric h te im Amt des Kard in a ls von viele n Seiten her kamen , und ich war bei weitem nich t über alles info rmiert. SZENE S : Ware n nach Ihre m Wiss e n der Kard in a l, der Episk o p a t und der Kler u s — vielleich t info r mier t durc h den Vatik a n — sich im klar e n darü b e r , was mit dem Jude n tu m in Deuts c h la n d und im einv e r le ib te n Öster r e ich gesc h a h ? ZAKA R : Unbe d in g t, der unga r is c h e Kl er u s und Eszte r g o m ware n über die Ereig n is s e mit den Jude n und über den Stan d p u n k t des Vatik a n s info r mier t. Wir müss e n es für sehr beda u e r lich ha lten , daß die eins c h läg ig e Liter a tu r der Öffen t l i c h k e i t nur das Leide n , die Quale n der Juden und die sie plag e n d e n Vero r d n u n g e n zeig te und das wich tig e Rund s c h r e ib e n des Vatik a n s , das noch im Früh j a h r 1937 von Paps t Pius XI. hera u s g e g e b e n war, kaum erwä h n te . Diese s Schr e ib e n begin n t mit den Worte n : “Mit bren n e n d e r Sorg e . . . [ver f o l g e n wir die Lage in Deuts c h la n d ]. ” 1 5 Und gerade diese päpstliche Enzyklik a war das früh e , grun d l e g e n d e und mahn e n d e Gloc k e n lä u ten für die Welt und vor allem Euro p a , daß es endlich merkt e : Es gesch e h e n außer o r d e n t l i c h e und gefäh r l i c h e Dinge in Deuts c h la n d , und weiter e sind zu erwar te n . Die Tatsa c h e , daß dies e Enzyk lik a in jede Spra c h e über s e tz t und vom Kler u s sowo h l bei uns als auch über a ll besp r o c h e n , in Vortr ä g e n und Publik a tio n e n inter p r e tier t adopti n g pro Hitle r polic i e s . ” Rando l p h L. Braha m, "Sán d o r Szen e s : Befe j e z e t l e n múlt, " In: East Europ e a n Quart e r l y 22 (1988 ) , S. 122. 15 Die Enzy k l i k a von Pius XI “Mit brenn e n d e r Sorge . . .” vom 14. März 1937 beschä f t i g t e sich mit dem Nation a l s o z i a l i s m u s und der Lage der kathol i s c h e n Kirch e in Deuts c h l a n d und kriti s i e r t e und veru r t e i l t e die Rass e n t h e o r i e der Nazi s . Die Enzy k l i k a wurde in ungar i s c h e r Spr ac h e in der Zeits c h r i f t Korun k Szava Népkö n y v t á r a [Nati o n a l b i b l i o t h e k , Stimm e unser e r Zeit] Nr. 10-11 (1937 ) verö f f e n t l i c h t . 77 wurde und Pred ig ten über sie zu höre n ware n , all das lief e r te die rich tig e n Vora u s s e tzu n g e n für die grun d le g e n d e Deutu n g des Fasc h is mu s , dies e neue Form des Heid e n tu ms . Aufgr u n d dies e r Ereig n is s e kann man sage n , daß sich der unga r is c h e Kler u s über die wich tig e n Frag e n und Kons e q u e n z e n , die aus der natio n a ls o z ialis tis c h e n Ideo lo g ie und der Rass e n th e o r ie entstan d e n , im klar e n war. SZENE S : Hatte die kath o lis c h e Kirc h e n f ü h r u n g in Unga r n Kenn tn is darü b e r , wie sich die Kirc h e in den bese tzten Länd e r n zum Beisp ie l gege n ü b e r der antif a s c h istisc h e n Wi de r s tan d s b e w e g u n g und der deuts c h e n Lösu n g der soge n a n n te n Jude n f r a g e verh ielt? ZAKAR : Ja, denn beso n d e r s die fra n z ö s is c h e Wide r s tan d s b e w e g u n g war beka n n t, und es wurd e über sie viel in de r Pres s e beric h tet. Das Auftr e ten des hollän d is c h e n Episk o p a ts dien te in Unga r n 1944 bere its als Lehr e . In Hollan d hatte nämlich der Episk o p a t se in Prote s ts c h r e ib e n gege n den Terr o r und die Jude n v e r f o l g u n g früh z e i t i g , näml i c h 1942 , hera u s g e g e b e n , zu einer Zeit, als sich die Deuts c h e n noch sehr star k fühlten und aus dies e m Grun d e auch die nich t verf o lg te kath o lisc h e Kirc h e dras tisc h bestr a f te n . 1 6 16 Die Fakten des sogena n n t e n “holl ä n d i s c h e n Beisp i e l s ” : 1942 prote s t i e r t e der katho l i s c h e Episk o p a t bei Sey ss - I n q u a r t , dem Reich s s t a t t h a l t e r der Niede r l a n d e wegen der massenh a f t e n Ve rhaf t u n g e n und der Judenve r f o l g u n g . Um ihn zu beruh i g e n , stric h e n die deuts c h e n Behör d e n die Konve r t i t e n und die in Misch e h e n Gebor e n e n von der Liste der zu Depor t i e r e n d e n , aber sie verl a n g t e n , daß der Episk o p a t die Verha n d l u n g e n und ihr Ergeb n i s versc h w i e g e . Der Episk o p a t leist e t e dem keine Folge , und in den katho l i s c h e n Kirche n Hollan d s wurde am 26. Juli 1942 ein muti g e r Prot e st , ein Aufr u f zur mensc h l i c h e n Soli d a r i t ä t , verl e se n . Als Verge l t u n g depor t i e r t e n die Deuts c h e n die aus den Liste n gestr i c h e n e n 700 Mensc h e n nach Ausch w i t z , unter ihnen die namha f t e Karme l i t e r i n und Philo s o p h i n deutsc h e r Abstam m u n g Edith Stein und ihr Bruder . (Siehe Vortr a g von Univer s i t ä t s p r o f e s s o r Dr. Pincha s Lapide aus Jerus a l e m am 10. Dezemb e r 1982 in Innsb r u c k . Tonauf n a h m e von Andot e x - T e x t k a s s e t t e n , Innsb r u c k . ) Kathol i s c h e und eini g e jüdi s c h e gesc h i c h t l i c h e Abhan d l u n g e n führe n diese s "holl ä n d i s c h e Beisp i e l " als Grund dafür an, daß Pius XII. über di e Ausrott u n g des europäi s c h e n Judentu m s schwi e g . Das bewei s t auch ein Schre i b e n des Papstes vom 30. April 1942 an den Berli n e r Erzbi s c h o f Konra d Prey s i n g , in welchem er den an ihrem Bestimmu n g s o r t tätig e n Oberh i r t e n das Erwäg e n der Protest - Ä u ß e r u n g e n des Episkop a t s und gleic h z e i t i g , “dem größe r e n Übel vorbe u g e n d , ihre Zurüc k h a l t u n g bei Äußer u n g e n ” empfi e h l t . “Das ist auch ein Grund dafü r, warum wir uns in unseren Äußerung e n zurü c k h a l t e n . . .” teil t der Paps t mit. Aber er schre i b t in seine m Brie f auch : “Das 78 SZENE S : Ist dem Kler u s und dem Kard in a l der Geda n k e durc h den Kopf gega n g e n , daß die Bese tzu n g des Land e s erfo lg e n könn te und daß die unga r is c h e n Jude n auch das Schic k s a l ereilen würd e , das den Jude n in ande r e n Länd e r n bere its von 1940 - 4 2 wide r f a h r e n war? ZAKAR : Aus den Anspr a c h e n des Kardin a ls im Parla me n t und sein e n sons tig e n Äuße r u n g e n folg e r te ich, daß er immer mehr erka n n te : Man müss e sich dara u f vorb e r e iten . SZENE S : In der Sammlu n g von 1944 im Eszte r g o me r Arch iv des Kard in a ls sah ich ein Exemp la r des Beric h ts über Ausc h w itz. Leid e r ist kein e Sign a tu r dara u f , die etwa s über sein e Herk u n f t auss a g t. Was wiss e n Sie über dies e n Ausc h w itz- Be r ich t? ZAKAR : Dies e n Beric h t beka m ich von Kard in a l Seré d i pers ö n lich zum Lesen bei sein e m Aufe n th a lt in Gerec s e , wohin er sich für paar Tage zum Ausr u h e n und zur Arbe it zurü c k z o g , wenn er Zeit dafü r hatte. SZENE S : Wann konnte das in Gerec s e gesch e h e n sein ? ZAKAR: Bestimmt einen Mona t vor der Veröf f e n t l i c h u n g des bisc h ö f lich e n Hirte n b r ief e s , also Ende Mai 1944 . mutige Auftr e t e n für Gerec h t i g k e i t und Me nsc h l i c h k e i t schad e t eurem Land nicht , sonde r n versc h a f f t ihm und euch sogar Ehre vor der Weltö f f e n t l i c h k e i t . ” Saul Fried l ä n d e r : XII. Pius és a Harmad i k Biroda l o m [Pius XII. und das Dritte Reich] Budap e s t 1966, S. 139. Die Kriti k e r der “schw e i g e n d e n Kirch e ” verur t e i l e n die Zweid e u t i g k e i t diese r Stell u n g n a h m e und halt e n sie für eine nich t akze p t a b l e Theor i e des “risik o l o s e n , moral i s i e r e n d e n Wide r st a n d e s” . Es ist aber eine Tatsa c h e , daß der Papst am 25. Juni 1944 Horthy in einem persö n l i c h e n Schre i b e n um die Verhin d e r u n g der Judenv e r f o l g u n g in Ungarn gebet e n hat und am 27. Juni Kardi n a l Serédi und den Episko p a t zum offene n Protes t aufg e r u f e n hatt e . Nach den bishe r bekann t geword e n e n Dokume n t e n waren di es e beid e n Bots c h a f t e n die erste n Offenba r u n g e n von Pius XII. 79 SZENE S : Das heiß t, daß der Kardin a l E nde Mai den Beric h t bere its kann te . Wisse n Sie etwa s darü b e r , von wem er ihn beko mmen hatte? ZAKAR : Dieje n i g e n , die in der Umge bu n g des Kardin a l s arbeit e t e n , teilte n die Meinun g , daß Miklós Esty, der weltli c h e Kammer h e r r des Papste s , ihm den Beric h t gebr a c h t hatte. SZENE S : Wann mag das gesch e h e n sein ? ZAKAR: Wahrscheinlich Mitte Mai. SZENE S : Zwisc h e n dem 10. und dem 20.? ZAKAR: Wahrs c h e i n l i c h ja. SZENES: Sie ken n en den Aussch n itt aus dem Interv iew, in dem der refo r mier te Pfar r e r , Józs e f Éliás , der Pfar r e r und Sekr e tä r vom “Gute n Hirten ”, erzäh lt, daß sich auf sein Bitten József Cav allier bereit erk lärt hatte, dem Kard in a l ein Exemp la r des Beric h ts nich t pers ö n lich , sond e r n durch einen zuver l ä s s i g e n Boten z ukommen zu lasse n . Konnte Caval l i e r denn Mikló s Esty mit eine r so wich tig e n Aufg a b e beau f tr a g e n ? ZAKAR: Ja, natürli c h . Miklós Esty war der stellv e r t r e t e n d e Leiter der Actio Catholica. Cavallier kannte ihn sehr gut, und si e konnt e n einan d e r unbe d i n g t vert r a u e n . Wenn sich Cavalli e r bereit erklärt hatte, dem Kardina l den Beric h t zuzu s te llen , das unte r s tr e ich t nur, daß er Mikló s Esty zur dire k te n Zuste llu n g für geeig n e t hielt. SZENES: Stan d Mik ló s Esty in ein em solch en Verh ältn is zum Kard in al, daß er ihm solch ein Doku me n t pers ö n lich aush ä n d ig e n konn te ? 80 Kardin a l Jusz tin ián Seré d i zusa mmen mit Mikló s Esty, der ihm den Ausch w itz- Be r ich t von Vrba und Wetzler zeig te . 81 ZAKAR: Als weltlic h e r Kammerh e r r des Papstes — das ist eine Ausz e ic h n u n g der Kirc h e — verric h tete er zu bestimmte n Anläs s e n im Festg e w a n d , sein e Ausze ic h n u n g e n tr ag e n d , gewis s e Dien s te für den Kard in al. Anso n sten war er Ban k ier des Natio n alen Kred itin stitu tes (Nemze t i Hiteli n t é z e t ) und gab dem Kard i n a l für die Verwa l t u n g seine s Priv a tv e r mö g e n s Ratsc h läg e . Er hatte die Möglich k e it, sich mit dem Kard in a l unte r vier Auge n zu treff e n , sei es in Eszte r g o m oder Buda p e s t, um ihm den Beric h t zu gebe n . SZENE S : Wußte man in der Umge b u n g des Kard in a ls nich t früh e r von den Tode s la g e r n in Ausc h w itz? ZAKA R : Nur in Form von Gerü c h ten , dene n man aber nich t Glau b e n sche n k e n konn te . Ich erin n e r e mich , daß ich, als ich den auth e n tis c h e n Beric h t bere its geles e n hatte, hörte, da ß diese r in die Schwe iz gesc h mu g g e lt worde n sei, daß dieje n i g e n aber, die ihn dort erhie lten , alles zuer s t nich t glaub e n konnt e n und sich nicht trau t e n , ihn zu veröf f e n t l i c h e n . SZENES: War sein Inh alt so verb lü ffen d ? ZAKAR : Ja, es schie n so ungla u b lich zu sein . Die Vors tellu n g s k r a f t hat gewis s e Grenz e n . . . SZENE S : Sie beka men also den Beric h t Ende Mai 1944 in Gerec s e vom Kardin a l , dem Miklós Esty das D okument Mitte Mai zugestellt hatte. ZAKAR: Ja. Am Ende eines Spazi e r g a n g s gab er mir den Berich t , damit ich ihn läse und ihm mein e Mein u n g darü b e r sagte . Ich gab ihn näch s te n Tag zurü c k und sagte , daß er mich sehr bedr ä n g t habe und daß ich däch te, die Kirch e müss e alle Risik e n in Kauf nehme n und prote s tier e n . Dara u f antw o r tete der Kard in a l: “Ja, ich ha be scho n ein Rund s c h r e ib e n entw o r f e n , das ich mit den Bisc h ö f e n besp r e c h e n we rde. Wir weisen diese beispi e l l o s e Unge r e c h tig k e it für die unga r is c h e Gesc h ic h te zurü c k . ” 82 SZENE S : Im Eszte r g o me r Arch iv las ich eine handg e s c h r ieb e n e Varia n te des von Ihne n erwä h n te n Rund s c h r e ib e n - E n tw u r f s vom Kard in a l. Der Kardin a l hatte dara u f gesc h r ieb e n : “I ch habe ihn nich t verw e n d e t, sond e r n eine n neue n gesc h r ieb e n . ” Ist da s der Entw u r f , den Sie mein ten ? ZAKAR : Wahr s c h e in lich war das die erste Formu lier u n g . An der endgü l t i g e n Formu l i e r u n g , die bis Ende Juni fertig wurde , arbei t e t e n die Erzb isc h ö f e und die Bisc h ö f e mit. 1 7 SZENE S : Hatte der Kardin a l den Ausc h w itz- Be r ich t und das Schic k s a l der Depo r tier te n vor den Pfar r e r n am Hof des Palas te s in Eszte r g o m erwä h n t? ZAKAR: Nein, nein! Ich beoba c h t e t e , daß er Diskr e t i o n übte , soga r mir gege n ü b e r , sein e m Sekr e tä r . Er konnt e ja glaub e n , daß die Gesta p o zu einig e n Bezie h u n g e n hatte und daß sie auf dies e Weise sein e 17 Der Hirten b r i e f des Episko p a t s vom 29. Juni 1944 zum Schutze der Mensc h e n r e c h t e und als Prote s t gegen die Depor t a t i o n e n , der dann in Abspr a c h e mit der Regie r u n g in den Kirch e n nicht vorge l e s e n wurde , ersch i e n in der Zeits c h r i f t Kriti k a 6 (1983) . Vgl. auch das Runds c h r e i b e n des Kardi n a l s an den Episk o p a t über seine Verha n d l u n g e n und seine n Brief w e c h s e l mit dem Premie r m i n i s t e r Sztója y vom Anfang April 1944 bis 10. Mai, weite r h i n seine Mitte i l u n g an den Episk o p a t über seine Verha n d l u n g e n nach dem 10. Mai und über die Gründe darübe r , warum der Hirte n b r i e f nicht verle s e n wurde , Vá di r a t a náci z mu s elle n [Ank l a g e sc h r i f t gegen den Nazismus], MIOK (Hrsg.), Buda p e s t 1960, II, S. 53- 56 und III, S. 53-57, 115-121 und 126-129 . In seine r schon zitie r t e n Rezen s i o n gibt Braha m folge n d e Auskü n f t e über den Hirte n b r i e f von Kardi n a l Seréd i : “Reve r e n d Gy örgy Kis, the former pastor of Bakony s z e n t l á s z l ó who now lives in Aurach , Au str i a , notes that in retro s p e c t it was quit e fort u n a t e that the past o r a l lett e r was not read. In his start l i n g l y frank and extre m e l y infor m a t i v e inter v i e w , Rever e n d Kis state s inter alia (S. 283): 'Thus Princ e Prima t e Seréd i in June 1944 — when the phy si c a l l y and menta l l y tortu r e d , humil i a t e d , plund e r e d provi n c i a l Jews and many tens of thousands of Jewish Chris t i a n s were remov e d from the count r y pr es s e d into catt l e cars and by the time of the past o r a l lett e r s ' appe a r a n c e most of them were alre a d y kill e d — divid e s Hunga r i a n Jewry into two parts . The one part is guil t y beca u s e it exer t e d a subve r s i v e effec t on all aspec t s of Hunga r i a n life , the othe r part , in turn, sinn e d with its sile n c e beca u se it did not stan d up again st thei r core l i g i o n i st s. What foll o w s from this logic a l l y ? That both parts , that is all of Jewry , are to be conde m n e d ' ” . In: East Europ e a n Quart e r l y 22 (1988 ) , S. 120-1 2 1 . 83 versc h lo s s e n s ten Gehe imn is s e irge n d w ie erfa h r e n könn te . Für das sich e r s te hielt er es desha l b , nicht darüb e r zu sprec h e n . SZENE S : Folg t dara u s , daß er nicht einma l die Bisc h ö f e über den Inha lt des Bericht s informi e r t e ? ZAKAR: Es ist kaum wahrsch e i n l i c h , daß er ihnen den Beric h t per Post zug esch ick t hätte. Aber es ist w ohl wahr s c h e in lich , daß er ihn den Bisc h ö f e n bei der näch s te n Bisc h o f s k o n f e r e n z vorlas oder durc h sein e n Sekr e tä r vorles e n ließ . Gyula Mátr a i, Büro d ir e k to r des Kard in a ls , war damals Sekr e tä r der Bisc h o f s k o n f e r e n z . SZENE S : Hielt er also den Beric h t für ein so wichtig e s und auth e n tis c h e s Dokume n t , daß er es auch den Bisch ö f e n zeige n wollt e ? ZAKAR : Ich denk e ja, wenn er ihn schon mir gezei g t hatte . Währe n d mein e r Tätig k e it war das der einzig e Fa ll, daß er mir ein solch e s Vertr a u e n entg e g e n b r a c h te, worü b e r ich sehr über r a s c h t war, und ich erka n n te das dank b a r an. Also wenn er es mir g ezeig t hatte, dann tat er es genaus o gege n ü b e r Bisc h o f Apor und den ande r e n . 84 Sándo r Törö k , der dafü r sorg te, daß der Ausc h w itz- Be r ich t in die Händ e von Reisc h s v e r w e s e r Horth y kam. 85 Sándor Török Der Schr if ts teller und Jour n a lis t Sá nd o r Törö k bega n n sein e Lauf b a h n Anfa n g der zwan z ig e r Jahr e in Sieb e n b ü r g e n . Er war Arbe iter , vers u c h te sich als Schau s p ie le r , währ e n d sein e s Lebe n s wurd e er Mitar b e iter und Reda k te u r von neun Zeitu n g e n , Red a k te u r von Rund f u n k s e n d u n g e n und von Lehr b ü c h e r n . Es ersc h ie n e n von ihm über zwan z ig Roman e . Ich lernte aus sein e m Inter v iew eine kurze und schwe r e Zeit sein e s Lebe n s ausf ü h r lich e r kenn e n , die Ze itsp a n n e von der deuts c h e n Bese tzu n g 1944 bis zur Befr e iu n g . Er sche n k te mir Vertr a u e n , und bald duzten wir uns. In dies e n Mona ten voller Gesc h e h n is s e wurd e ihm sein Beru f verb o ten . Die Deu tsch en hab en ihn intern iert. Er wurd e Mitte Mai mit Hilf e von Prote k tio n e n befr e it, damit er eine n unmö g lich e n Auftr a g ausfü h r e . Er sollt e die Aufga b e übe r n e h men , das Leben und die Inter e s s e n der Chris te n jüdis c h e r Herk u n f t zu vertr e ten , zu schü tz e n , zu retten , auch vor den en , die sie zum Tod e veru rteilten . 1 8 Und gera d e in diese r Zeit half e n ihm viele , auch Unbe k a n n te , und ebne ten sein e n Weg auf der Such e nach Unter s tü tzu n g im Kreis e von Vertr e ter n der Kirc h e n und des Roten Kreuze s , wie auch im königli c h e n Palast , bei der Familie des Reich s v e r w e s e r s . Alles, was er erzäh lt, ist bein ah e dru ck r eif. Er beh ielt Verh alten , Stimmu n g e n , Situ a tio n e n , die viele n Seltsa mk e iten und Grima s s e n der Äuße r lich k e iten gena u in sein e r Erin n e r u n g . Er bega n n sein e Tätig k e it im Verw a ltu n g s a u s s c h u ß des Verb a n d s der Unga r is c h e n Jude n (Mag yar Zsidók Szövets é g e ) Mitte Mai, nachdem er aus der Inter n i e r u n g befre i t war, und späte r wurd e er stellv e r tr e te n d e r und gesc h ä f ts f ü h r e n d e r Präs id e n t des Verba n d e s der Chris t l i c h e n Juden (K ere s z t é n y Zsidó k Szöve t s é g e ) . Von Ende Mai/A n f a n g Juni 1944 an konn te er dank einig e r Vertr a u e n s leu te der Frau von Istv á n Horth y im Burg p a las t ein- und ausg e h e n . 18 Vgl. Anm. Nr. 70 in der Einle i t u n g . 86 TÖRÖK: Um die chris t l i c h e n Juden ve rt r e t e n zu könne n , brau c h t e ich vor allem die Unters t ü t z u n g des Verein s des Heilige n Kreuzes (Szent Kereszt Egyes ü let) , dess e n Schir mh e r r der ka th o lis h c h e Bisc h o f von Györ , Baro n Vilmo s Apor , war. Dann benö tig te ich den “Gute n Hirte n ” , dem Bisc h o f Lász ló Rava s z vors ta n d , und mich unte r s tü tz te auch noch der luth e r is c h e Bisc h o f , Sánd o r Raff a y. Hinte r ihne n stan d e n ihre Kirc h e n , die, wie ich glau b te , ein Wort zu sage n habe n oder geha b t hätten , und manc h ma l schie n e n sie mir auch helf e n zu könn e n oder zu wollen . Ich formu lier e desh a lb so vors ic h tig , weil ich die Sach e erns t nahm, und anfa n g s gehö r te ich zu denj e n ig e n , die glau b te n , viel helf e n zu könn e n , obwo h l wir im Grun d e geno mmen nur sehr wenig e rre ich e n konn te n . Was wir gema c h t habe n ? Wir beso r g ten einig e n Mens c h e n Ausw e is e , damit sie sich ein wenig freier bewe g e n konn te n , ande r e n sc hu f e n wir die Möglich k e it, allein oder mit ihren Familien zu flieh en . Letztlich ist aber alles — die Depor tatio n e n , die Todes mä r s c h e nach Deuts c h la n d , die Salv e n am Dona u u f e r und die Ersc h ie ß u n g e n au f den Land s tr a ß e n , der groß e , entset z l i c h e Massen mo r d mit über eine r halbe n Milli o n Opfer n und alles , was noch dazu gehö r te — unwid e r r u f lich gesc h e h e n und ist nich t mehr wiede r g u t z u ma c h e n . . . . Wir aber, die wir damals zusa mmen g e a r b e itet hatten , dach ten noch , helf e n zu könn e n . Diese Mens c h e n g r u p p e , die zusammen a r b e itete, kam durch vers c h ied en e Kon tak te mitein an d er in Berü h r u n g , und aus dies e n Bezie h u n g e n führ te ein Fade n in den Burg p a las t. Durch dies e n — über das Rote Kreu z — konn te ich an den Besp r e c h u n g e n teiln e h men , dere n Haus h e r r in die Witw e von Istv á n Horth y war. Man pfleg te von ihr als “die klein e Frau Reich s v e r w e s e r in ” zu sprec h e n . Gyula Vállay, der Leiter des Roten Kreu z e s , und die Schw e s ter des Bisch o f s Apo r , Baro n in Gizella Apo r , Leiterin der freiwillig en Kran k e n s c h w e s te r n - a u s b ild u n g , führ ten mich mit ihr zusa mmen . SZENE S : Hast du Vállay und Gize lla Apor bere its von früh e r geka n n t? TÖRÖK : Nein , kein e n der beid e n . Wegen mein e s Amtes konn te ich sofo r t zum Roten Kreuz gehen , um Hilfe bei meine r Arbei t zu erbit t e n , und ich 87 lernte sie dort kenn e n . Unser e Zu sammen a r b e it kam schne ll zusta n d e , weil sie sich bereit erk lärten , an allem teilzu n eh men , wen n ihre Hilfe gefo rd ert würde . Sie — vor allem Gizel l a Apor — hatten schon frühe r Zutri t t zum Burg p a las t, und einma l, Ende Mai oder Anfa n g Juni, nahme n sie mich auch mit und stellt e n mich der “klein e n Fr au Reich s v e r w e s e r i n ” vor. So konnt e etwa s Merk w ü r d ig e s gesc h e h e n : Währ e n d alle dem, was sich in der Welt zutr u g , und währ e n d auf der eine n Seite des Palaste s sich die Reside n z des päpst l i c h e n Nunt i u s befa n d — und er wa r für uns eine groß e Hilf e — und währ e n d auf der ande r e n Seite die deuts c h e Botsc h a f t war und um sie heru m deu tsch e Komman d an tu r en , kam in der Mitte des Palastes, im Wohng e ma c h der Witw e des stellv e r tr e te n d e n Reich s v e r w e s e r s , eine klein e “Ver- s c h w ö r e r g r u p p e ” zusammen — ich war auch dabei — um die neues te n Infor ma tio n e n , welch e die Witw e des stellv e r tr e te n d e n Reich s v e r w e s e r s aus der Umge b u n g des Reich s v e r w e s e r s hatte und die wir aus der Auße n w e lt mitg e b r a c h t hatten , mitein a n d e r zu besp r e c h e n und zu verg leich e n . Natü r lich muß man sich dazu die damalig e merk w ü r d ig e , gefä h r lich e , komp lizier te , verlo g e n e , helf e n d e , angr e if e n d e und über s tü r z te Situ a tio n vors te llen , von dere n Einf lu ß sich auch die Burg b e w o h n e r nich t fern h a lten konn te n . Ich mußte zum Beisp ie l einig e Woch e n lang jede n Tag die Gatti n von Istvá n Horth y unt e r eine r von ihr ange g e b e n e n Telef o n n u mmer anru f e n , und sie — als “Bar d ó c z , der Buch b in d e r ” — fra g e n , “ob es Arbe it gibt” . Wenn sie dara u f mit “Ja” antw o r tete, daß wieder Buchbi n d e r a r b e i t zu verric h t e n wäre , dann ging ich auf bestimmte n Wege n zu ihr hina u f , um die Info r ma tio n e n zu beko mmen oder mit ihr zu bespr e c h e n , was in diese m oder jenem Fall zu tun wäre. SZENES: Wer gehört e eigent l i c h a uße r dir noch zu dies e r Grup p e ? TÖRÖK : Von dene n ich es weiß , ware n es Gize lla Apor , Gyula Vállay, József Cavall i e r , Pater Jánosi und ich. Ich war vier- oder fünfmal mit ihnen gemein sam bei der “klein en Frau Reic h s v e r w e s e r i n ” , aber wenn ich mich richt i g erinn e r e , waren János i und Cava ll i e r nicht immer dabei. Außerd e m bin ich oft als Bard ó c z , der Buch b in d e r , auf die Burg hina u f g e g a n g e n . 88 SZENE S : Wer dach te sich die Kons p ir a tio n mit Bard ó c z aus? TÖRÖK : Wahr s c h e in lich Gize lla Apor . SZENE S : Man schr ieb den Sommer 1944 . Wie war die Atmo s p h ä r e und die Stimmu n g im Regie r u n g s p a las t? Was konn e s t du mitemp f in d e n ? TÖRÖK : Die Äuße r lich k e iten verr ie te n viel. Es gab zum Beisp ie l vers c h ied e n e Wach p o s ten im Palas t. Es gab die prun k v o lle, präc h tig e , mittelalterliche Prunk-Leibgarde mit Ma ntel , Helm und Helleb a r d e , die eine Wach a b lö s u n g verr ic h tete. Dann gab es die realistis c h e r e n galo n ie r ten Leib g a r d isten in grün e m Kleid , die Türs teh e r . Und es gab die Hofla g e r w a c h e , eine Para d e e in h e it von ausg e w ä h lten Sold a te n und Offiz ie r e n . Sie saße n im inne r e n Hof auf Bänk e n , und wenn ein Mitg lied der Famili e des Reich sv er w e s e r s oder ein Gen era l über den Hof fuh r , dan n trate n sie mit dem Geweh r an und salu tier te n . Aber auf dem Platz stand e n sich die Hofla g e r w a c h e und ein deuts c h e r Panz e r , bzw. eine deuts c h e Poste n k e tte gege n ü b e r . Sie beob a c h teten die Vorg ä n g e im Palas t, und ich glau b e , sie wußte n über viele s Besc h e id . Wir mußte n mit Gize lla Apor und Gyula Vállay von der Seite des Gede n k mu s e u ms der König in Elisa b e th (Erz s é b e t Kirá lyn é Emlék mú z e u m) übe r eine n Nebe n e in g a n g hina u f g e h e n , und wir sahe n dort hinte r den — ich muß sage n — naiv anmu ten d e n Masc h in e n g e w e h r n e s te r n die grün g e k le id e ten Leib g a r d is ten . Sie bewa c h ten den Palas t. . . . Diej e n ig e n , mit dene n ich dort zusa mmen g e k o mmen war, wußte n alle, daß der Krieg für die De uts c h e n mit eine r Nied e r lag e ende n würd e . Sie fürch te te n die Deuts c h e n , geeh r t habe n sie sie nicht beso n d e r s , aber sie ware n ihne n gege n ü b e r ir ge n d w ie unbe h o lf e n , unsc h lü s s ig und geläh mt. Sie hätten sich alle am lieb s ten den Englä n d e r n erge b e n . Aber wo waren die Englä n d e r ? Das war ei ne einfäl t i g e Sehns u c h t . Horth y und seine Gefäh r t e n konnt e n oder wollt e n noch nicht wahrh a b e n , daß die Sowje t a r me e die Deuts c h e n aus U nga r n hera u s s c h la g e n würd e . 89 SZENE S : Ich kann mir denk e n , daß das auch ein Thema unte r euch war, die sowje tis c h e Arme e nähe r te sich ja bereits dem Karpa te n v o r lan d , der rumän is c h e n Gren z e . TÖRÖK : Das war kaum ein Gesp r ä c h s th e ma unte r uns, und wenn die Nach r ic h ten der Ostf r o n t ins Gesp r ä c h kamen , dann auch nur nebe n b e i. SZENES : Was war euer Hauptt h e ma ? TÖRÖK : Die Plän e der Deuts c h e n und die Möglich k e iten der Verte id ig u n g . Die Lage der Jude n , die Depo r tatio n , die zu erwa r te n d e n antij ü d is c h e n Maßn a h me n . In den Besp r e c h u n g e n herr s c h te erns te Stimmu n g , es gab kein e Exku r s e und kein e Plau d e r e i. Witze ware n nie zu höre n . Meisten s schlo s s e n wir unse r e Besp r e c h u n g e n mit eine r Bilan z unse r e r Maßn a h me n ab, mit der Über leg u n g , was die näch s te n Aufg a b e n ware n und wer was auf sich nehme n könn te . SZEN E S : Worü b e r konn te s t du ihne n beric h ten ? TÖRÖK : Über die Lage der Jude n in Pest und über die Folg e n der neue n Vero r d n u n g e n . Es gab jede n Tag eine neue Vero r d n u n g gege n die Jude n . Ich beric h tete über die Erba r mu n g s lo s ig k e it und die Greu e ltaten der Behö r d e n , und ich gab ihne n mein e In fo r ma tio n e n über die Depo r tatio n e n auf dem Land e . Ich hatte gewis s e Vo rs tellu n g e n , wann und wie sich eine Möglich k e it für eine gewis s e Lind e r u n g der Härte gebo te n hätte. Ich erba t ihre n Rat im Zusa mmen h a n g mit dies e n Maßn a h me n , und wir besp r a c h e n , wer mit sein e n Bezie h u n g e n etwas zu erre ich e n vers u c h e n könn te . SZENE S : Konn te man etwas erre ich e n ? TÖRÖK : Größ e r e Ding e nich t, nur ein oder zwei klein e r e . Wir grün d e ten zum Beisp ie l eine n jüdis c h e n Ärzte v e r e in mit 30-4 0 Ärzte n . Wir konn te n ihne n solch e deuts c h e n Ausw e is e beso r g e n , mit dene n sie sich auch nach 90 den Ausg a n g s z e iten , die die Jude n eins c h r ä n k te n , freier bewe g e n konn te n . Einig e unte r ihne n konn te n sich mit falsc h e n Papie r e n vor den Behö r d e n vers te c k e n . Unter den zusa mmen g e p f e r c h ten Mens c h e n und Kind e r n in den Häus e r n mit dem Jude n s ter n ga b es sehr viele Kran k e , und dies e Ärzte g r u p p e konn te sehr viel helf e n . Die bloß e Existen z der Jude n erzeug t e auch schwer w i e g e n d e sozial e Sorg e n . Es herr s c h te groß e s Elen d unte r den Verf o lg ten , fast jede br ote r w e r b e n d e Tätig k e it wurd e ihne n unte r s a g t oder eing e s c h r ä n k t, und die arbe itsf ä h ig e n Männ e r wurd e n zum Arb eiten versch lep p t. Viele Familien ben ö tig ten Hilfe, sie brau ch ten Kleidun g , Lebensmi t t e l , Medikamen t e und Geld. Dabei konnt e n der Verei n des Heilig e n Kreuze s , der “Gute Hirt” und das Rote Kreuz , wenn auch mit eing e s c h r ä n k te n Möglich k e iten , so doch mit einer gewis s e n Freih e it helf e n . Mir waren dieje n i g e n , die sich um die “kleine Frau Reichsv e r w e s e r i n ” vers a mmelten , in ihre r ganz mens c h lich e n Art sehr symp a th is c h . Ich habe von allen groß e Hilf s b e r e its c h a f t erfa h r e n . Aber verg iß nich t, was ich sagte : Alles , was letzten d lich den Jude n wide r f a h r e n ist, das ist wahr . SZENES: József Éliás erzählte mi r, daß du der “klein e n Frau Reich sv erweserin ” ein Exemp lar des Ausch w itz-Berich ts zug estellt hattest. TÖRÖK : Nach d e m ich den Beric h t erha lten hatte, ging ich damit zu eine m Staa ts s e k r e tä r im Außen min is ter iu m. Er war kein e bede u te n d e Pers ö n lich k e it. Ich über r e ich te ihm de n Beric h t und bat ihn, ihn an den Reich s v e r w e s e r weiter z u le iten . Er blätter te darin und sagte : Das ist jüdis c h e Hyste r ie. Er vers teh e den Grun d , aber die Jude n seien so empf in d lich und baus c h ten alles auf. Ich sah, daß der Beric h t auf dies e m Weg nich t weiter g e le itet würd e , und ich ließ ihn Horth y im Einv e r n e h men mit Vállay und Gize lla Apor über die “klein e Frau Reich s v e r w e s e r in ” zuko mmen . SZENE S : Warum bist du zuers t zu einem bedeu tu n g s lo s e n Staats s e k r e tä r gega n g e n , wenn du den Beric h t auch dire k t an Horth y weiter g e b e n konn te s t? 91 TÖRÖ K : Ich dach te, der Beric h t wäre Horth y glau b w ü r d ig e r , wenn er ihn aus dem Auß en min isteriu m zug estellt bek äme. Verg iß nich t, daß nich t nur der Staa ts s e k r e tä r des Auße n min is ter iu ms die Nach r ic h ten über die Gask a mmer n und die Krema to r ien für jüdis c h e Gerü c h te hielt. SZENE S : Das stimmt. Der Beric h t gelan g te also Ende Mai oder Anfa n g Juni 1944 über die Éliás - T ö r ö k - V á llay- Bar o n in Apor - “ k le in e Frau Reich s - v e r w e s e r i n ” - K e t t e zu Miklós Horth y . TÖRÖK : Ja, so war es. Späte r hörte ich dann von der “klein e n Frau Reich s v e r w e s e r in ” daß Horth y alles für wahr geha lten hatte. SZENE S : Vielleich t weiß t du auch , daß Horth y 1953 in Buen o s Aire s sein e Memo ir e n hera u s g e g e b e n hat, und darin sc hr ieb er folg e n d e s : “Ich erfu h r erst im Augu s t durc h gehe ime Boten die furc h tb a r e Wahr h e it über die Vern ich tu n g s lag e r . ” 1 9 TÖRÖ K : Ich hörte von den Memo ir e n . Was Horth y schr ieb , ist nich t wahr . Seit Anfa n g des Sommer s 1944 spra c h e n wir, die wir im Palas t zusa mmen k a men , über die Ereig n is s e in eine r solch e n Weise , daß jede r von uns über den Ausc h w itz- Be r ich t info r mier t war. Und nach d e m ich ihn Horth y zug estellt hatte, hatte ich im Nach h in ein sog ar das Gefü h l, daß diese s Exemp la r nicht sein erste s wa r, sond e r n daß jüdis c h e Vors teh e r oder László Rav asz ihm ein es vielleich t bere its vorh e r über r e ich t hatten . 19 Mikl ó s Horth y : Emlék i r a t a i m [Memoi r e n ]. Buenos Aires 1953. S. 259. Die ab 1942 dokume n t i e r t e Widerl e g u n g der “U nwis s e n h e i t ” von Horthy und Sztója y siehe Szina i / S z ü c s : Horth y Mikló s titko s ir ata i [Die gehei m e n Schri f t e n von Mikló s Horthy ], Budapes t 1966. Vgl. Dokum e n t e Nr. 75 und 81-88 und die dazug e h ö r i g e n Anme rk u n g e n . Im Jahre 1953, als Horthy sein e Memoi r e n zuer s t verö f f e n t l i c h t e , war er schon 85 Jahre alt. Gleic h nach dem Krieg, als er im Zusammen h a n g mit dem Nürnbe r g e r Prozeß verhör t wurde, gab er ein frühe r e s Datu m an für seine erst e Begeg n u n g mit dem Ausch w i t z - B e r i c h t . Er behau p t e t e damal s : Es war “gege n Ende Juni 1944, als ich ausfü h r l i c h e Beri c h t e über das Verni c h t u n g s l a g e r Auschw i t z bekam” . Mario D. Feny o : Hitle r , Ho rth y and Hunga r y . German - H u n g a r i a n Relati o n s 1941-1 9 4 4 . New Have n 1972, S. 194-1 9 5 . (Feny o zitie r t nach NA Recor d Group 238, World War II War Crimes Reco r d s , Natio n a l Archi v e s , Washi n g t o n D.C.) Sogar “gege n Ende Juni” wäre aller d i n g s etwa einen Monat nach der Überg a b e durch Török . 92 SZENE S : Das ist möglich . Ich denk e , daß der Beric h t auch von der Frau von Istv á n Horth y, von Gize lla Apor und von Vállay geles e n wurd e . 2 0 Habt ihr unte r euch darü b e r gesp r o c h e n ? TÖRÖK : Über Einz e lh e iten nich t. Es herrs c h ten , wie bei viele n damals, zwei Gefüh l e in Frau Horth y und in den anderen: Mitleid und Scha mg e f ü h l . Wir dach ten auch dara n , ob der Weste n wohl von uns sage n würd e , daß wir die Deuts c h e n so bedie n ten , daß wi r ihne n Hund e r ttau s e n d e von Mens c h e n so einf a c h hinw ü r f e n . SZENE S : In dem Sommer hast du dich mit viele n Mens c h e n aus kirch l i c h e n und weltl i c h e n Zi rke l n getro f f e n . Hatte s t du auch bei ander e n dies e Erfa h r u n g gesa mmelt? 20 Pete r Goszt o n y , ein Histo r i k e r ungar i s c h e r Abstam m u n g in der Schwei z , schrie b mir in einem Brief vom 14. Juni 1984, daß er schon über ein Jahrz e h n t mit der Witwe von István Horthy in Verbin d u n g st eh e . Er habe sie in Port u g a l besu c h t und von ihren Gespr ä c h e n Tonba n d a u f n a h m e n ge mac h t . Er hat sich mehrm a l s über die Depor t a t i o n e n von 1944 mit ihr unter h a l t e n . Er schic k t e ihr meine n Inter v i e w - A r t i k e l zu diese m Them a , und sie schil d e r t e ihre Reakt i o n in einem Brief vom 24. Mai 1984. Frau Horth y erin n e r t e sich : Sie habe den drama t i s c h e n Ausch w i t z - B e r i c h t von Sándo r Török erhal t e n . N achd e m sie ihn geles e n habe, sei sie hinunt e r g e g a n g e n in die Wohnun g ihres Schwi e g e r v a t e r s , wo sie nur seine Frau vorfan d . Nach dem Lesen des Berich t s we int e die Schwi e g e r m u t t e r , und sie selbs t überga b ihn ihrem Mann, dem Reich s v e r w e s e r . Horth y , der schoc k i e r t war, dacht e zunäc h s t , daß so etwas Graue n h a f t e s unmög l i c h wahr sein könne . Seine Schw i e g e r t o c h t e r , an die er sich wand t e , um sich nach der Zuver ä s s i g k e i t des Dokum e n t s zu erkun d i g e n , versi c h e r t e , daß je des Wort des Berich t s wahr sei. Für alle [in der Famil i e ] war diese s Erei g n i s schoc k i e r e n d und ersch r e c k e n d , weil sie bishe r angen o m m e n hatte n , daß man die Juden in Arbe i t s l a g e r nach Deuts c h l a n d bringe n würde, and was sie sonst da rü b e r gehö r t hatt e n , hiel t e n sie für Übert r e i b u n g e n . Der Beric h t sei ersch ü t t e r n d ; zugl e i c h erkl ä r e er viele s , was mit den Depor t a t i o n e n zu tun hatte . 93 Bischof László Ravasz vertra t die reform i e r t e n (kalvi n i s t i s c h e n ) Christ e n in Unga r n . 94 TÖRÖK : Ja, fast bei allen , an die ich mich wege n mein e s Amtes auf der Such e nach Hilf e wand te . Ich war auch bei Lász ló Rava s z . Man nann te ihn oft den “ref o r mie r ten Jesu iten ” . Damit mein te man, daß er sehr gebild e t und klug war. Er war schw e r kran k und empf in g mich in Leán yf a lu im Bett lieg e n d , ich saß nebe n ihm, wir unte r h ie lten uns, und auf einma l brac h er in Trän e n aus. Er bohr t e den Kopf in sein Kissen und schrie : “Ich wollte das nicht, ich wollte das nicht! ” Ich be ric h t e t e ihm von der Lage des Lande s , was er sowie s o wußte , und ich mach te eine Ande u tu n g über den Ausc h w itz- Be r ich t, und dara u f h in brac h er in Trän e n aus. SZENES : Hatte er einen Grund zu sagen , daß er das nicht wollt e ? TÖRÖK : Ja, er hatte eine n Grun d dafü r . Er gehö r te zu den bede u te n d e n rech tso r ien tier te n kirc h lich e n Ober h ä u p te r n . Er schw a mm nich t nur mit dem Stro m, sond e r n er war für viel e , beso n d e r s für die Gläu b ig e n als Oberp f a r r e r seine r Kirch e , als au sge z e i c h n e t e r Redne r und wirku n g s v o l l e r Predi g e r der Strom selbs t . 2 1 SZENES: Und Kard in al Seréd i? Ich las in ein er kirch en g esch ich tlich en Abha n d l u n g , daß du als Ge sch ä f t s f ü h r e r des Verb an d e s der Christ l i c h e n Jude n mit ihm stän d ig in Konta k t stan d e s t. TÖRÖK: Das ist übertrieb en , aber zweimal war ich wirk lich bei ihm. Ich hatte einen Plan, den bespr a c h ich mit József Cavall i e r und Pater Jánosi , und wir mein ten alle drei, daß Kard in a l Seré d i vielleich t etwa s tun könn te . Caval l i e r und János i baten ihn um ei ne Audi e n z , und zum gege b e n e n Termin erschi e n e n wir alle drei bei ihm. 21 In einer Rede aus dem Jahre 1938 vor dem ungarisc h e n Parl a l m e n t werde n die früher e n Ansic h t e n des Bischo f s ersic h t l i c h . Ravas z unter s t ü t z t e dama l s das neue Geset z gegen die Jude n: “Es ist meine Überz e u g u n g , daß diese s neue Geset z dem Fried e n wie auch der Siche r h e i t unser e s Lande s dient , sogar den Inter e s s e n derje n i g e n , die mit große m Eifer dageg e n spr e c h e n (ich erke n n e ihr Rech t an, das zu tun) . . . Ich hätt e es vorg e z o g e n , daß die [Jude n ] schon längs t erkan n t hätte n , daß man eine Minde r h e i t , die i nner h a l b des Staat e s die Recht e der Mehrh e i t genie ß t , nich t habe n kann ” . Szen e s : Befe j e z e t l e n múlt , S. 94-95 . 95 SZENES : In Eszte r g o m? TÖRÖK : Nein , in der Burg. Da gab es auch eine Resid e n z des Kardin a ls . Wenn ich mir über le g e — diese Zere mo n ie , die damals so wund e r b a r erns t war — wie der Kardi n a l in unser e m Krei s e ersc h ie n . . . . Wir drei stan d e n im Empfa n g s r a u m, auf der einen Se ite von mir der weltli c h e Leiter des Verein s des Heilig en Kreu zes, Cav allier, auf der and eren der Jesu iten - Pater und Relig i o n s l e i t e r des Verei n s , und ich in der Mitte . Der Kardi n a l kommt here in und hält sein e n Ring zum Hand k u ß hin. Wir beug e n die Knie und küss e n den Ring . Dann setzt sich der Kard in a l auf die klein e Bank , und Pater Jáno s i träg t vor: Herr Törö k habe eine n Plan , und sie — der Pater mit dem Jesui t e n o r d e n hinte r sich und Cava llier mit seinem Verein — billigten und unte r s tü tz te n das, was ich hier vortr a g e n würd e . Der Kard in a l mach te eine n Wink , und ich erzä h lte dara u f : Ich hätte Kenn tn is über die Vero r d n u n g des norw e g is c h e n prote s ta n tis c h e n Kirc h e n o b e r h a u p ts , daß dieje n i g e n Bürge r — Genda r me n , Poliz isten , Beamte, Eisen b a h n e r etc. — die den Deuts c h e n beim Einf a n g e n de r Jude n , der Wide r s tan d s k ä mp f e r und der Lin k en beh ilflich sin d , das heilig e Aben d mah l nich t zu sich neh men dürf e n , es würd e ihne n verw e h r t. Für gläu b ig e Prote s tan te n ist das eine ersc h ü tter n d e geistig e Bestr a f u n g . In eine r schö n e n unga r is c h e n Formu lier u n g sagt man: Wer nich t mit rein e r Seele an den Tisc h des Herr n tritt, der “ißt und trinkt Verdammn i s unter dem Schei n des Brote s und des Wein e s ” . Gäbe es denn nich t die Möglich k e it, frag te ich den Kard in a l, so etwa s Ähnlich e s zu verk ü n d e n , weil das sowo h l bei den Kath o lik e n als auch bei ande r e n groß e Wirk u n g hätte . Daru m bat ich ihn im Namen derj e n ig e n , die ich vertr a t, und im Namen der Mens c h lich k e it, der Human ität und auch im Namen Gottes . Der Kard in a l schw ieg lang e , die Span n u n g war scho n groß , als er zu spre c h e n bega n n : “W en n sein e Heilig k e i t , der Papst, nichts gege n Hitle r unter n i mmt, was könnt e ich in mein e m engen Wirku n g s k r e is mache n ? Zum Teufe l noch mal! ” sagte er und nahm schn e ll die klein e Mütz e , das Bare tt vom Kopf und schme tter te es zu Bode n . Dann grif f er lang s a m dana c h , setzte es wied e r auf und sagte etwas leise r : “Verz e ih u n g . . . . ” Das war mein e erste Begeg n u n g mit 96 Juszti n i á n Serédi . — Er könnte meiner B itte nicht Genüge leisten, sagte er. Er wollte , aber er könnte nicht —damit ließ er mich gehen. SZENE S : Der Papst hat den Kardin a l E nde Juni durc h den Nuntiu s Ange lo Rotta ausd r ü c k lich zum offe n e n Prote s t gege n die Jude n v e r f o lg u n g aufg e r u f e n . TÖRÖK : Ja. Uns hatte er noch vor dem Aufr u f des Paps tes empf a n g e n . Sons t hätte er nicht gesa g t, was er sagte . Späte r war ich noch einma l bei ihm in der Burg, wieder mit Pater Jánosi und József Cavall i e r . Etwa Anfa n g Juli. Es kamen die Nach r ic h ten , daß bald auch die Buda p e s te r Jude n depo r tier t würd e n . Die Stad t war voll von Gend a r me n vom Land e . Wir drei kamen wiede r zum Kardi n a l , und ich bat ihn: Er sollt e uns helfe n , wen ig sten s die Kin d er zu retten . Er sollte interv en ieren , damit irg en d ein neutr a les Land — es konnte n nur die Schw e iz und Schw e d e n in Frage kommen — sie in sein e Obhu t nehme n und sie mitn e h men konn te . Das Rote Kreu z mit den Botsch aften verh an d elte darü b er, ich wollte wied eru m die Vermi t t l u n g des anges e h e n e n Kardi n a l s Seréd i erlan g e n . Auf mein Bitte n antwo r t e t e der Kardi n a l , wenn er etwas mache n könnt e , würde er es auch tun, aber die Deuts c h e n würd e n ihm eine n Stric h durc h die Rech n u n g mach e n . Dann heulten die Sire n e n auf, ein Lufta n g r if f bega n n , und wir ging e n in den Keller des Palas te s . De r Kard in a l sank auf den Betstu h l des Lufts c h u t z k e l l e r s , und hinte r ihm kni ete n Cavall i e r und auch Pater Jánosi hin. Der Flieg e r a lar m daue r te zw ei Stun d e n , und der Kard in a l betete daue r n d . Ich sah ihn dort, im Lufts c h u tz k e ller , zum letzten Mal. . . Nach unse r e n Bege g n u n g e n dach te ich, daß Se ré d i zwar wohlw o llen d ist, jedo c h zurü c k h a lten d . Er wäre bere it gewe s e n , zu helfe n , teils aus rein human e n Grün d e n , teils weil er Kath o lik war, aber . . . letzten d lich glau b te er, er könn e nich ts mach e n . SZENES: Du hast darü b er gesch r ieb en , daß ihr ein mal zu dritt zu ein er nächt l i c h e n Verha n d l u n g zu Angel o Rotta gegan g e n wart, die “klei n e Frau 97 Reich s v e r w e s e r i n ” , die Baron i n Apor und du. Was war der eigen t l i c h e Gru n d ? TÖRÖK : Das gesc h a h auch Anfa n g Juli, und es erre ich te uns eine alar mie r e n d e Nach r ic h t: Die Depo r tatio n der Buda p e s te r Jude n nimmt ihre n Anfa n g . SZENE S : Was für eine n Eind r u c k hast du von Rotta? TÖRÖK : Er war ein klug e r , nüch te r n e r Gesp r ä c h s p a r tn e r . Mir gege n ü b e r war auch in Rotta etwa s von dem, was ich auch im Verh a lten der “klein e n Frau Reich s v e r w e s e r in ” und der Baro n in Apor beob a c h ten konn te . Sie wollt e n die Tragö d i e der Juden vor mir verkle i n e r n , die Ernsth a f t i g k e i t der Lage vers c h leier n , und sie vers u c h te n , mi ch zu trös ten : “Es wird scho n alles wied e r in Ordn u n g kommen . . .” — aber in der Tief e ihre r Seele glau b te n sie nicht daran . SZEN E S : In den Jahr e n nach der Befr e iu n g wars t du beim Rund f u n k tätig . Ein Thema dein e r Send u n g unte r dem Titel Sonn ta g s g e s p r ä c h (Vas á r n a p i besz é lg e tés ) war, ob man sich an dies e Zeiten und Ereig n is s e erin n e r n sollte. Das war damals, sofo rt nach der entsetzlich en Zeit des Fasch ismu s , ein ins Leben einsc h n e id e n d e s Thema . Was antw o r tes t du heute auf diese Frage ? TÖRÖK : In dem damalig e n Sonn ta g s g e s p r ä c h war Marc e ll Bene d e k mein Partn e r . Wir sagte n beid e : Wir mü ss e n uns alles , was gesc h e h e n war, und daß es über h a u p t gesc h e h e n konn te , gut einp r ä g e n . Heute sage ich dass e lb e . Mit der Prop a g ie r u n g von Haß kann man Mass e n und Orga n is a tio n e n zu Gewa lt ermu n te r n , und in eine r gege b e n e n Situ a tio n kann sich leid e r irge n d w o in der Welt eine neue Varia n te des Völk e r mo r d s wiede r h o l e n . 98 Am 18. und 19. März 1944 traf Hitle r Re ich s v e r w e s e r Horth y in Kleßhe i m. Währ en d Hitler mit Horth y Gesp räch füh r te, übersch ritten deutsch e Trup p e n bere its die unga r is c h e Gren z e . 99 Anhang Früheste Berichte und die Deportationen Am 26. Nove mb e r 1944 verö f f e n t l i c h t e die New York Times A u g e n z e u g e n b e r ic h te über Greu e ltaten in poln is c h e n Konz e n tr a tio n s lag e r n . Der lange Artik e l berie f sich auf eine n Text in Masc h in e n s c h r if t, den der Krieg s f lü c h tlin g s a u s s c h u ß am Tag zuvo r an die Press e gege b e n hatte. Der Krieg s f lü c h tlin g s a u s s c h u ß , der eine bede u te n d e Rolle spielte bei der Hand h a b u n g von Nach r ic h ten über Konz e n tr a tio n s lag e r , führ te die Beric h te mit einer ganzseit i g e n Einleitu n g folg e n d e r ma ß e n ein: “Der Aussc h u ß hat allen Grun d anzu n e h me n , daß dies e Beri c h te eine zutr e f f e n d e Dars tellu n g von den ersc h r e c k e n d e n Gesc h e h n is s e n in diese n Lage r n gebe n . Er veröffe n t l i c h t die Bericht e in de r fest e n Hoff n u n g , daß sie von alle n Amer ik a n e r n geles e n und vers tan d e n werd e n . ” 1 Der Krieg s f l ü c h t l i n g s a u s s c h u ß verö ffe n t l i c h t e drei Bericht e über Ausc h w itz: 1) Den Vrba - W e tz le r - Be r ich t, 2) den Mord o w ic z - Ro s in - Ber ic h t und 3) den Beric h t des “poln is c h e n Majo r s ” . Nur der erste dies e r drei Beric h te wurd e in Unga r n weit verb r e itet und beein f lu ß te dort die Ereig n is s e . Der Beric h t des “poln is c h e n Majo r s ” wurd e im Juni 1944 in der Schwe iz beka n n t und setzte zusa mmen mit dem Vrba- W e tz le r - Be r ich t eine star k e Welle in Bewe g u n g , die den Reich s v e r w e s e r Horth y dazu zwan g , den Depo r tatio n e n durc h sein Eing r e i f e n Einh a lt zu gebie te n . Währ e n d der Beri c h t von Vrba und Wetz l e r scho n vor h e r Beac h t u n g gefu n d e n hat, sind die beid e n ander e n Beric h te re lativ unbek a n n t geblieb e n . Durc h die 1 War Refug e e Board : Germa n Exte rmin a t i o n Camps — Auschwit z and Birke n a u . Washi n g t o n , D.C. 1944. 100 Info r ma tio n e n , die von Martin Gilb e r t zugä n g lich gema c h t wurd e n , wiss e n wir neuer d i n g s , daß der dritt e Beric h t eine unmitt e l b a r e Bedeut u n g für die Ereig n is s e in Unga r n hat. Am Tag der Bese tzu n g Unga r n s durc h die deuts c h e Arme e wurd e er in Budap e s t zugä n g lich , lang e vor dem Vrba - W etzler-Berich t. Doch er gelan g te erst drei Monate später an die Öffen t l i c h k e i t , und das Versc h w e i g e n de s Bericht s in Ungarn ist immer noch unve r s tän d lich . In der Tat biete n alle drei Beric h te bede u te n d e s Bewe ismater ia l, das das Wisse n um Ausch w itz erhä r te t und ergän z t. Roswe ll D. McCle llan d , amer ik a n is c h e r Sond e r b e a u f tr a g te r des amerikanischen Ministeriu ms in Bern , war — bezü g lich der Berich te —die Info r ma tio n s q u e lle für den Auss c h u ß . Er schic k te am 12. Okto b e r die Beric h te an John Pehle zusa mmen mit eine m Brief , in dem er folg e n d e s schr ieb : Was den erste n Beric h t der beid en jungen slowak i s c h e n Juden ange h t , so hatte ich hier in Bern Gele g e n h e i t , mit eine m Mitg l i e d der päpst l i c h e n Nunti a t u r in Brati s l a v a zu sprec h e n , der diese beid e n junge n Männe r persö n l i c h inter v i e w t hatt e und erkl ä r t e , daß sie mit der Darst e l l u n g ihrer Erleb n i s s e einen ganz und gar überz e u g e n d e n Eindr u c k gemac h t hätte n . Ich weiß außer d e m , daß veran t w o r t u n g s b e w u ß t e Mitgl i e d e r der jüdis c h e n Gemei n d e in Brati sl a v a die Verf a sse r diese s Beri c h t s scha r f ins Kreu z v e r h ö r genomm e n hatten , so daß der Stoff , der schli e ß l i c h dari n vera r b e i t e t wurde , nur das enthi e l t , worüb e r ihrer Meinu n g nach und nach der Meinu n g derje n i g e n , die das Kreuz v e r h ö r gefüh r t hatte n , kein Zweif e l oder keine Mehr d e u t i g k e i t best a n d . 2 McCle llan d über s a h die Tatsa c h e , daß der “ers te Beric h t” die Erfa h r u n g von nich t nur zwei, sond e r n von vier aus dem Lage r Entk o mmen e n wide r s p ie g e lte. Im “ers te n Beric h t”, den McCle llan d pers ö n lich übermittelte, wird deu tlich ausg efü h r t, daß der letzte Teil des Berich ts auf den Zeug e n a u s s a g e n von “zwe i ande r e n Jude n ” beru h te , “den e n es gelu n g e n war, aus dies e m Lage r zu flie h e n und die Slow a k e i zu erre ich e n ” . In jene m 2 War Refug e e Board , Box Nr. 6, Frank l i n Delan o Roose v e l t Libra r y , Hy de Park, New York. 101 letzten Teil beric h teten Mord o w ic z und Rosin über Ereig n is s e in Ausc h w itz in der Zeit dire k t nach Vrba s und Wetzler s Fluc h t, vom 7. April an bis zum 27. Mai. Oscar Kras n a n s k y war eine r der Frag e s teller , der alle vier Entk o mmen e n befr a g te und der half , die zwei Beric h te zusa mmen z u f ü g e n . Der Beric h t in sein e r neue n Fass u n g war ursp r ü n g lich an Nath a n Schw a lb adre s s ie r t word e n und wurd e an Dr. Jaro mir Kope c k y, den Genf e r Repr ä s e n tan te n der tsch e c h o s lo w a k is c h e n Exilr e g ier u n g , gesa n d t. Unab h ä n g ig e Quellen bestä tig e n , daß Vrba und Mord o w ic z von Monsign o r e Mario Martilo t t i , einem pä pstl i c h e n Repräs e n t a n t e n aus der Schw e iz , verh ö r t wurd e n . 3 Auch der dritte Ausch w itz-Berich t, nämlich der des “po ln isch en Majors”, erreichte McClelland eben f a lls über Kope c k y in Genf . Wie McCle llan d bestä tig t, bürg te Kope c k y für die Echth e it des Beric h ts . Er umfa ß t die Zeit vom 24. März 1942 bis unge f ä h r Nove mb e r 1943 . Wie Martin Gilb ert klarstellte, war der Verfasser ein Man n namen s Jerzy Tabe a u , nich t ein Majo r , sond e r n ein Mediz in s tu d e n t und ein Mitg lied des poln is c h e n Unter g r u n d s ; er wurd e nach dem Krieg Kard io lo g e und prak tizier te in Crac o w . Obwo h l es ihm gelan g , einig e Mona te vor den ande r e n zu entko mmen , erre ich te sein Bericht die Schweiz erst im Juni 1944 , unge f ä h r zur gleic h e n Zeit wie der Beric h t von Vrba - W e tz le r . Der Beric h t war vor dem 19. Juni in der Schw e iz zugä n g lich ; zu dem Zeitp u n k t bezog Richar d Lichth e i m sich auf ihn in eine m Brief . 4 Zum Zeitp u n k t sein e r Fluc h t im Nove mb e r 1943 schä tz te Taba u die Zahl der in Ausc h w itz ermo r d e te n Jude n auf 1.50 0 . 0 0 0 . Diese Zahl ist verg leich b a r mit der des Vrba - W e tz le r - Be r ich ts , der sie bis zum April 1944 auf 1.76 5 . 0 0 0 einschätzte. 5 Mordo w ic z und Rosin , die am 27. Mai 1944 entk a me n , 3 Conwa y : Frühe Augen z e u g e n b e r i c h t e , S. 276-2 7 7 . 4 Gilbe r t : Ausch w i t z and the Allie s , Siehe 232-2 3 4 . Siehe Anm. 17 in der Einl e i t u n g . 5 Vrba beric h t e t , daß im Lager (in der Zeit von etwa Oktob e r / N o v e m b e r 1943 bis März 1944 ) die Anzahl der Insass e n auf ungefä h r 19.00 0 erhöh t wurde . Im Hinbl i c k auf das üblic h e Verfa h r e n , daß nur 5-10% aus den Transp o r t e n in die Lager aufge n o m m e n wurde n und alle andere n verga s t wurde n , kann man sagen, daß Vrba wohl auch die Zahl von einun d e i n h a l b Milli o n e n Mensc h e n für den Zeitp u n k t , zu dem Tabea u entfl o h , angeg e b e n hä tt e . Die beide n unab h ä n g i g e n Schä t z u n g e n sind sich desha l b ersta u n l i c h nahe. 102 beha u p te n , daß die Tran s p o r te aus Unga r n am 15. Mai bega n n e n , in Ladu n g e n von 14.0 0 0 bis 15.0 0 0 Mens c h e n pro Tag. Die drei Beric h te doku me n tier e n vers c h ied e n e Stuf e n in der Hand h a b u n g der Ausr o ttu n g s - Mas c h in e r ie in Ausch w itz. Der umfas s e n d e Vrba- W e t z l e r - B e r i c h t wurde in erster Linie Info r ma tio n s q u e lle für Artik e l und diplo ma tis c h e Erklä r u n g e n ; er enth ielt eine Fülle von bedeu t e n d e n Einzel h e i t e n . Man sollte aber nicht überse h e n , daß dieser Berich t seit etwa Mitte Jun i zusammen mit dem Berich t des “poln is c h e n Majo r s ” im Umlau f war. Als die PM Daily v o m 6. Juli in New York über die Greu e ltaten beric h tete, bezog sie sich ausdr ü c k l i c h auf den “poln is c h e n Majo r ” als Info r ma tio n s q u e lle. Die Verf ü g b a r k e it der zwei Beric h te gara n tier te die Wirk u n g der Enth ü llu n g e n über die Ereig n is s e in Ausch w i t z . Die Auschw i t z - B e r i c h t e verdie n e n Beachtu n g als einmali g e histori s c h e Doku me n te. Es ware n Auge n z e u g e n b e r ic h te von Bege g n u n g e n mit vers c h ied e n e n Mens c h e n , Grup p e n , Bedin g u n g e n und Ereig n is s e n . Die drei Beric h te zusa mmen zeug e n von Ausc h w itz und sein e r Gesc h ic h te währ e n d der Perio d e , in der das Vern ich tu n g s p r o g r a mm am inten s iv s te n ausg e f ü h r t wurd e , nämlich vom 24. März 1942 bis zum 27. Mai 1944 . Diese drei Beric h te verk ö r p e r n das Bemü h e n , die Mäch te des Versc h w e ig e n s zu bekämp f e n . Da ma n wußte , daß bruta le Verg e ltu n g s - maß n a h me n ange d r o h t ware n für alle “Gerü c h t e ” über Verbr e c h e n , hatte n die Mäch te des Vers c h w e ig e n s die Ober h a n d , wie man im Falle von Unga r n gese h e n hat. Der Myth o s , daß die Jude n als Arbe itsk r ä f te gebra u c h t würde n — wie es in de n Worte n ARBEI T MACHT FREI über dem Einga n g s to r zum Lager Ausc h w itz heiß t — zielte dara u f ab, zu verd e c k e n , daß man in Wirk lich k e it da be i war, das Vern ich tu n g s p r o g r a mm durc h z u f ü h r e n . Um der Eins c h ü c h te r u n g und dem sich stets weiter verb r e iten d e n Mythos entgeg e n z u w i r k e n — diese P unkt e waren beson d e r s kriti s c h für das Denk e n und Hand e ln von Reich s v e r w e s e r Horth y — besc h lo s s e n die Entk o mmen e n und die, die sie verh ö r t und ihre Auss a g e n nied erg esch r ieb en hatten , ein en Berich t zu erstatten , der jed er kritisch en Prüf u n g wide r s teh e n konn te . Die kurz e n einle iten d e n Bemer k u n g e n zum 103 Vrba - W e tz le r - Be r ich t beto n e n , daß der dann folg e n d e Text nur das enth ä lt, was die Entf lo h e n e n selb s t erleb t hatten , und daß nich ts darin steh t, was man nur vom Höre n s a g e n wußte . Der Beric h t überz e u g t allein wege n der Tatsa c h e n , die er enth ält. Bei der Dars tellu n g von Gesc h e h n is s e n und der Besc h r e ib u n g von Gege n s tän d e n mußte n die Verf a s s e r sich auf das Wich tig s te konz e n tr ier e n . Ansta tt etwa s zu erklä r e n oder jeman d e n von etwas über z e u g e n zu wollen , neig e n sie dazu, Dinge abzus c h w ä c h e n . Rheto r ik gibt es nich t. Besch r e ib e n d e Adje k tiv e und Metap h e r n sind selten . Mária Széke ly beoba c h tet: “. . . der Text ist trock e n , er ist so, als ob die Verfas s e r nur erk lär t e n , wie man Bro t back en sollte . . . ” Nur der “poln is c h e Majo r ” schw e if t manc h ma l von dem selb s t aufe r le g ten , nich t literar i s c h e n Stil ab und gesteht si ch eine Spur von Gefü h l zu. Wenn die Info r ma tio n über Ausc h w itz eine solch enor me Schla g k r a f t hatte und dazu fähig war — zwar vers p ä tet wie im Falle von Unga r n — die Gehe imh a ltu n g und den Myth o s zu durc h b r e c h e n , so wurd e ihre Wirk u n g bestimmt durc h die obje k tiv e Beric h ter s tattu n g vers tär k t. Die Beric h te werd e n beso n d e r s ausd r u c k s v o ll dur c h ihre Zurü c k h a ltu n g und durc h die klar e Dars tellu n g von unbe s tr e itb a r e m Bewe ismater ia l. Exemp la r e in Yad Vash e m in Jeru s a lem sind die Grun d la g e für die deuts c h e Vers io n des Vrba- W e tz le r Beric h ts und für die des “poln is c h e n Maj o r s”. 6 Der Vrba - W e tz le r - Be r ich t stammt aus den Unter la g e n von Dr. A. Silb e r s c h e in , der währ e n d des zweiten Weltk r ie g s in Genf dem Auss c h u ß für die Unter s tü tzu n g und Rettu n g von Jude n in den von den Deuts c h e n bese tzten Länd e r n vors ta n d . Die Quelle für den Berich t des “poln is c h e n Majo r s ” kann nich t iden tif izier t werd e n , aber sein e Echth e it wird — wie für die ande r e n Beric h te — durc h den Verg leich mit dem vom Krieg s - f lü c h tlin g s a u s s c h u ß he ra u s g e g e b e n e n englisc h e n Text gesic h e r t. 6 Yad Vashem Archive s , M20/153 and P-7/ 4 3 T c . Die Archi v e von “The World Jewish Congres s Collect i o n ” (New York ) und “The Americ a n Jewish Archiv e s ” (Hebr e w Union Colle g e , Cinci n n a t i , Ohio) besit z e n Kopie n , die mit den Texte n von Yad Vashe m völli g übere i n s t i mme n . Diese werde n aber mit einer Anme r k u n g vers e h e n , die für die frühe Gesc h i c h t e der Beric h t e wich t i g ist: “Submi t t e d by Dr. Riegn e r in June 1944 to the CICR [Inte r n a t i o n a l Commi t t e e of the Red Cross ] and Mr. McCle lla n d . ” 104 Die deuts c h e Über s e tzu n g des Mord o w ic z - Ro s in - Ber ic h ts basie r t auf der Kopie des Krieg s f lü c h tlin g s a u s s c h u s s e s . Ein Berich t aus Ung arn — kurz nach dem 10. Jun i abg efaß t —so llte der Welt offe n b a r e n , wie 335. 0 0 0 Jude n auße r h a lb Buda p e s t in Lager n gesa mmelt und von dort aus depo r tier t wurd e n . Er wird heute zusa mmen mit eine r gekü r z te n Fass u n g des Vrba - W e tz le r - Be r ich ts in dem Nach laß “B. Sag alo w i t z / N ü r n b er g e r Pro zess e . Dossier 14.2 . 2 . 9 ” (In stit u t für Zeitg e s c h i c h t e , ETH, Züric h ) aufbe w a h r t . Obwo h l im Berich t selb st nich t gesa g t wird , wer der Verf a sser war, kan n man mit Bestimmth eit feststellen , wer ihn nach dem Weste n schic k te. Ein Hinw e is dara u f befin d e t sich nämlich in eine m Brief vom 19. Juni 1944 von Mosh e Krau s z aus Buda p e s t an Georg e [ s ] Mand e l Mante llo in Genf. Er schre ib t: “. . . wie Sie aus den beiden beilie g e n d e n Berich t e n entneh men könn e n , habe n die Depor t a t i o n e n aus Unga r n am 15. Mai bego n n e n und wurd e n binn e n drei Woch e n , d.h. bis zum 7. Juni, bere its 335. 0 0 0 Jude n aus dem Land e depo r tier t, hiev o n unge f ä h r 90% nach Polen /Bir k e n a u - A u s c h w itz/ und der übrig e Teil nach Deuts c h la n d ” . Kraus z fügte hinz u , daß seit dem 7. Juni weiter e 100. 0 0 0 depo r tier t word e n seien . “In der Prov in z gibt es nur noch 4 nich t jude n f r e ie Städ te und nach Durc h f ü h r u n g der Depo r tatio n e n aus dies e n , d. i. mehr [ode r ] wenig e r nach 8-10 Tage n kommt Budap e s t an die Reih e . Budap e s t und Umge b u n g [hat] 350. 0 0 0 Jude n . Die Umge b u n g ist bere its seit Woch en ghetto isiert.” 7 Die hier im Brief gena n n te Zahl von 335. 0 0 0 Depo r tier te n stimmt mit der des Beric h ts gena u über e in . Braha m bestä tig t auf Grun d eine r unab h ä n g ig e n Quelle (Yad Vash e m M-20 /9 5 ) , daß Krau s z am 19. Juni die Zusa mmen f a s s u n g des Vrba - W e tz le r - Be r ich ts und eine n Beric h t über die Ghetto is ier u n g und die Depo r tatio n e n in Unga r n in die Schweiz schickte . Da der letztere Bericht bis heute weitgeh e n d unbeach t e t blieb , soll der Text hier vollstän d ig wied e r g e g e b e n werd e n . 8 7 Zitie r t nach Werne r Rings : Advok a t e n des Feindes , S. 143, wo der Origi n a l b r i e f volls t ä n d i g abgeb i l d e t wird. Vgl. Marti n Gilbe r t : Ausch w i t z and the Allie s , S. 244-2 4 5 (Quel l e : Yad Vashe m , “Pazn e r Paper s ” , 12/88 ) und Rando l p h Braha m: The Polit i c s of Genoc i d e , II, S. 712, 729 und 754. Arieh Ben-To v : Facin g the Holoca u s t in Budape s t , S. 161 und 444, wo aus dem Brief von Krausz und aus dem Beri c h t ziti e r t wird , aber ohne Anga b e der Quel l e . 8 Die ungar i s c h e n Akze n t e wurd e n eing e f ü g t , wo sie im Text fehle n . 105 Die Texte wurd e n repr o d u z ier t, ohne daß eine Korr e k tu r von klein e n Fehle r n und Wide r s p r ü c h e n vorg e n o mmen wurd e . 106 107 I Rudolf Vrba und Alfred Wetzler 108 I. [Rud o lf Vrb a ] Am 13. April 1942 wurd e n wir — 1.00 0 Mann — im Sammellag e r Sere d einw a g g o n ie r t. 1 Die Wagg o n tü r e n wurd e n gesc h lo s s e n , wesh a lb wir die Fahr tr ich tu n g nich t fests te llen konn te n . Als die Türe n nach lang e r Fahr t geöf f n e t wurd e n , kons tatier te n wir, dass wir die slow a k is c h e Gren z e pass ie r t habe n und uns in Zwar d o n befin d e n . Die Bewa c h u n g s man n s c h a f t, welch e bis hierh er durch die Hlin k a Gard e gestell t wurd e, wurd e durch Waff e n SS abge lö s t. Nach Abko p p lu n g eine s klein e r e n Teiles unse r e s Tran s p o r tes fuhr e n wir dann weiter und kamen bei Nach t in Ausc h w itz an, wo wir auf eine m Nebe n g e leis e halt mach ten . Die Zurü c k las s u n g des klein e r e n Tran s p o r t- T e iles erfo lg te ange b lich wege n auge n b lick lich e n Raumman g e ls in Ausc h w itz. Übrig e n s kamen uns dies e nach einig e n 1 Die hier vorli e g e n d e Absch r i f t des Beri c h t s von Vrba und Wetzl e r enthä l t eine wahrsc h e i n l i c h von Oscar Krasna n s k y in Z ili n i a verf a ß t e Einl e i t u n g : Zwei jung e n slowak i s c h e n Juden — deren Namen vorlä u f i g im Inter e s s e ihrer Siche r h e i t versc h w i e g e n werde n soll— , die im Jahr e 1942 aus der Slowa k e i depor t i e r t wurde n und volle zwei Jahre in den Konze n t r a t i o n s l a g e r n Birke n a u , Ausch w i t z und Lubli n - M a j d a n e k verb r a c h t habe n , ist es geglü c k t , auf wunde r b a r e Weise zu entko m m e n . Der eine ist am 13. April 1942 aus dem Sammellager Sere d direk t nach Ausch w i t z und von dort nach Birke n a u gebra c h t worde n , der ander e wurde am 14. Juni 1942 aus dem Lager Novak y nach Lublin versc h l e p p t , von dort nach kurzem Aufen t h a l t nach Ausch w i t z und dann nach Birke n a u gebra c h t . Der vorl i e g e n d e Beri c h t enth ä l t nich t alles , was die beide n währe n d ihrer Haft z e i t erle b t e n . Es ist nur das nied e r g e s c h r i e b e n worde n , was dort der eine oder beide geme i n s a m erle b t , gese h e n ode r ganz unmit t e l b a r wahrg e n o mme n und erfah r e n haben . Es werde n keine indi v i d u e l l e n Eindr ü c k e gesch i l d e r t und nicht s wiede r g e g e b e n , was sie nur auf Grund von Mitte i l u n g e n ander e r dritt e r Perso n e n erfa h r e n habe n . Der Beric h t ist so abgef a s s t , dass zuers t die Erleb n i s s e und Wahrn e h m u n g e n jenes junge n Juden , der au s Sered abgesc h o b e n wurde, wiede r g e g e b e n werde n . Diese Wiede r g a b e erfol g t von jenem Zeit p u n k t e an, als auch der zwei t e nach Birke n a u gebra c h t wurde , auf Grund der Aussa g e n von beide n . Dann folgt der Beric h t des zweit e n Juden , der aus Novak y nach Lubli n und von dort nach Ausch w i t z versc h i c k t wurde . Die Aussa g e n deck e n die bishe r erha l t e n e n , wohl nur fragm e n t a r t i g e n , jedoc h verlä s s l i c h e n Beric h t e und ihre über die einz e l n e n Tran s p o r t e mitg e t e i l t e n Date n stimme n gena u mit den amtl i c h e n Aufz e i c h n u n g e n übere i n . Die Aussag e n sind also als durch a u s glaub w ü r d i g zu betra c h t e n . ” 109 Tage n nach . Wir wurd e n nun in Fünf er r e i h e n gestel l t und gezähl t . Wir ware n 643 Mann ange k o mmen . Nach eine m Mars c h von etwa 20 Minu te n mit unsere m schwe r e n Gepäc k — wir si nd gut ausg e r ü s tet aus der Slow a k e i wegg e f a h r e n — kamen wir in das Lage r Ausc h w itz. Wir wurd e n da sofo r t in eine gros s e Bara c k e gefü h r t. An der eine n Seite musste n wir hier das ganze Gepäck abge b e n , an der ande r e n Seite uns völli g nackt auskl e i d e n und unser e Kl ei d e r und Wert s a c h e n abfü h r e n . Nackt bega b e n wir uns dann in eine be nac h b a r t e Barac k e , wo unser Kopf und Körp e r rasie r t und durc h Lyso l desin f izier t wurd e n . Beim Ausg a n g aus dies e r Bara c k e erhie lt ein jede r eine Nummer in die Hand gedr ü c k t. Die Nummer n bega n n e n mit 2.86 0 und ware n fortlau f e n d . Mit dies e n Nummern in der Han d jag te man uns dan n in ein e dritte Barack e, wo dan n die Aufn a h me stattf a n d . Die Aufn a h me besta n d darin , dass uns die in der zweite n Barac k e erhal t e n e Nummer auf eine äusse r s t bruta le Art — wobei viele von uns in Ohnma c h t fiele n — an die link e Brus t täto w ie r t und unse r e Pers o n a lien aufg e n o mmen wurd e n . Wir wurd e n in Hund e r te r g r u p p e n in einen Keller gebrac h t , später in ei ne Barack e , wo wir gestre i f t e Häftlin g s k le id e r und Holzs c h u h e beka men . Diese ganze Proze d u r dauer te bis 10 Uhr vormittag s . Noch am selb en Nach mittag wurd en uns die Häftlin g s k le id e r abge n o mmen und durc h alte schmu tz ig e russis c h e Milit mo n d u r e n (eher Mondu r f e t z e n ) erset z t . So ausge r ü s t e t wurde n wir dann nach Birk e n a u gefü h r t. Ausch w itz ist ein Kon zen tratio n s lag er für politisch e, sog en an n te Schu tz h ä f tlin g e . In der Zeit mein e r Einlief e r u n g , d. h. April 1942 , befan d e n sich da etwa 15.0 0 0 Häft l i n g e , vorw i e g e n d Polen, Reichs d e u t s c h e und zivil e sogen a n n t e Schut z r u s s e n . Einen kleine r e n Teil der Häftli n g e stellten die Kategorie der Krimin a l h ä f t l i n g e und de r “arbe i t s s c h e u e n Elemente”. Dem Lage r k o mman d o Ausc h w itz ist auch das Arbe itslag e r Birk e n a u , fern er die klein e Lag erlan d w irtsch aft Harmen se unterstellt. Alle Häftlin g e werd e n in Ausc h w itz präs e n tier t, dort mit Häftlin g s n u mmer n vers e h e n und dann entw e d e r dort beha lten oder nach Bi rk e n a u oder in ganz gerin g e r Zahl nach Harme n s e gesch i c k t . Die Häf tl i n g e werde n nach der Reihe n f o l g e 110 ihre r Einlief e r u n g nume r ier t. Eine jede Nummer wird nur einma l benü tz t, so dass 111 die letzte Nummer immer die jeweilig e Gesamtzah l aller bish er eing e lief e r te n Häftlin g e zeig t. Zur Zeit unser e r Fluc h t aus dem Lager Birk e n a u , d. h. Anfa n g April 1942 , war dies e Zahl um die 180. 0 0 0 . Die Nummer n wurd e n Anfa n g s an die link e Bru st täto wiert, später — weil sich dort die Täto w ie r u n g etwa s verw isc h t hat — an den link e n Unter a r m. Alle Häftlin g e — ohne Rücksic h t auf die Kategor i e oder Nationa l i t ä t werd e n gleic h mäs s ig beha n d e lt. Zur Erleich te r u n g der Evid e n z sind sie aber unte r s c h ie d lich durc h vers c h ied e n gefä r b te Dreie c k e an der link e n Ober b r u s t unte r der Häftlin g s - N u mmer geke n n z e ic h n e t, wobe i der Anfan g sb u ch s tab e die Natio n alität des Häftlin g s verrät. Dieser Buch stab e (z. B. bei Polen “P”) ersch ein t im Inner e n des Dreie c k e s . Die einze l n e n Farb e n bede u te n : rotes Dreieck politisch er Sch u tzh äftlin g grüne s " Beruf s v e r b r e c h e r schwar z e s " arbeits s c h e u , asozial (vorw ie g e n d Russ e n ) rosa " homos e x u e ll viole tt " Angeh ö r ig e der Sekte der Bibe lf o r s c h e r Die Bezei c h n u n g der jüdis c h e n Häftl i n g e unter s c h e i d e t sich von der beschr i e b e n e n Art der Bezeic h n u n g der Arie r dadu r c h , dass das entsp r e c h e n d e Dreie c k (im über w ieg e n d e n Teile rot) durc h gelb e Spitz e n zu eine m David s ter n ergä n z t ist. Inner h a lb des Gebie te s des Lager s Ausc h w itz befin d e n sich dive r s e Fabr ik e n . Eine Fabr ik der deut s c h e n Aufr ü s tu n g s w e r k e (DAW ) , eine Fabr ik der Fa. Krup p und eine der Sieme n s - W er k e . Ferne r etwa s ausse r h a l b des Lagerb e r e i c h e s ein si ch auf viele Kilomet e r ausbre i t e n d e s ries ig e s Bauo b j e k t “Bun a ” gena n n t. In dies e n Betr ieb e n arbe iten die Häftlin g e. Das Wohng e b ie t, also das Lager im enger e n Sinn e lieg t auf einem Terr ito r iu m von eine m etwa ig e n Ausma s s e von 500 x 300 m. Es ist mit eine r dopp e lten Reih e von 3 m hohe n Beto n p f o s ten umge b e n , die beid e r s e its (also von inne n und auss e n ) durc h dich t ange leg te , auf Isola to r e n befe s tig te Hoch s p a n n u n g s leitu n g e n mitein a n d e r verb u n d e n sind . Zwisc h e n dies e n beid e n Zäun e n , in eine m Absta n d von 150 m steh e n 5 m 112 hohe Wach t[ t]ü r me, die mit Masc h in e n g e w e h r e n und Schw e in w e r f e r n ausg e s tattet sind . Etwas vor dem inne r e n Hoch s p a n n u n g s z a u n ist noch ein gewö h n lich e r Drah tz a u n . Schon die Berü h r u n g dies e s Zaun e s wird durc h Schie s s e n aus den Wacht[ t]ü r men bean tw o r tet. Diese s Bewa c h u n g s s ys te m wird “klein e Poste n k e tte ” genan n t. Das Lager selb s t beste h t aus 3 Häuse r - Reih e n . Zwisc h e n der erste n und zweiten Reih e führ t die Lager s tr a s s e , zwisc h e n der zweite n und dritte n war in der ersten Zeit eine Mauer gesta n d e n . In den Häus e r n der durc h dies e Maue r getr e n n te n Reih e ware n bis Mitte Augus t 1942 jene jüdis c h e n Mädch e n aus der Slowa k e i unte r g e b r a c h t, 7.00 0 an der Zahl, die in den Mona ten März - A p r il 1942 depo r tier t wurd e n . Nach der Über f ü h r u n g dies e r Mädc h e n nach Birk e n a u wurd e die Maue r zwisc h e n der Häus e r r e ih e 2 und 3 abge tr a g e n . Quer durc h die Häus e r r e ih e n führ t der Einf a h r ts w e g . Über dem Eing a n g s to r , das selb s tv e r s tän d lich stän d ig bewa c h t wird , ist mit gros s e n Buch s ta b e n die ironis c h e Aufsch r i f t “Arbei t macht frei” angebr a c h t . Das ganze Lager ist in einem Umkre is von etwa 2.000 m in einem Absta n d von 150 m wied e r mit Wach t[ t]ü r men umge b e n , d. h. die “gro s s e Poste n k e tte ” . Im Raume zwisc h e n der klein e n und gros s e n Poste n k e tte befin d e n sich die Betr ieb e und sons tig e n Arbe its s te llen . Die Türme der klein e n Poste n k e tte sind nur bei Nach t bese tzt, zugle ic h wird auch der elek tr is c h e Stro m in die dopp e lte Umzä u n u n g eing e s c h a ltet. Bei Tag wird die Wach t[ t]u r m- Bes a tzu n g der klein e n Poste n k e tte abge z o g e n und zur gleic h e n Zeit werde n die Türme der gross e n Poste n k e tte besetzt. Eine Fluch t durc h dies e Poste n k e tte — es ha t viele Versu c h e gegeb e n — ist fast ausg e s c h lo s s e n . Die klein e Poste n k e tte bei Nach t zu pass ie r e n , ist ganz und gar unmö g lich , währ e n d die Türme der gros s e n Poste n k e tte so dich t beiein a n d e r steh e n (nur 150 m also ein pro Turm zu bewa c h e n d e r Umkr e is von eine m Radiu s von 75 m), dass ein unbe mer k tes Hera n n a h e n nich t möglich ist. Bei Hera n n a h u n g wird ohne Auff o r d e r u n g gesc h o s s e n . Der Abzu g der Bewa c h u n g s man n s c h a f t der gros s e n Poste n k e tte nach der Aben d d ä mmer u n g erfo lg t erst nach dem inne r h a lb der klein e n Poste n k e tte abg eh alten en App ell, wo festg estellt wird , dass sich alle Häftlin g e im Kreise der klein en Posten k ette befin d en . Wird beim App ell festg estellt, dass ein Häftlin g fehlt, wird durc h Sire n e n Alar m gebla s e n . 113 Die Bewa c h u n g der gros s e n Poste n k e tte bleib t in ihre n Türme n , die Mann s c h a f t der klein e n Poste n k e tte bezie h t ihre Stellu n g e n und dann begin n t das Absu c h e n des Terr a in s zwisc h e n den beid e n Poste n k e tten , welch e s von hund e r te n SS Leute n und Spür h u n d e n durc h g e f ü h r t wird . Durc h den Sire n e n to n wir d auch die weite Umg e b u n g von Ausch w itz in Alarmzu s tan d vers e tz t, soda s s [sic] wenn es dem eine n oder a nde r e n Häftlin g auf ganz wund e r b a r e Art irge n d w ie gelu n g e n ist, die gros s e Poste n k e tte zu passie r e n , mit gross e r Wahr - s c h e in lich k e it damit gerec h n e t werde n muss, das er durch die dicht e n Patro u i l l e n de r deutsc h e n Poliz e i und SS erwis c h t wird . Ein gros s e s Hind e r n i[ s ] für den Flüc h tlin g ist der kahl gesc h o r e n e Kopf, die geken n z e i c h n e t e Kleid u n g (gest r e i f t e Häf tl i n g s k e i d e r oder ander e mit roter Farbe bestr ic h e n e Fetze n ) und das im beste n Falle passiv e Verh a lten der unge mein star k eing e s c h ü c h te r ten Bevö lk e r u n g . Nich t nur 114 eine klein e Hilf e le is tu n g , scho n die Unter la s s u n g eine r sofo r tig e n Anze ig e über das Verweilen ein es vermein tlich en Flü ch tlin g s wird durch den Tod bestr a f t. Wenn der Flüc h tlin g nich t eher erwis c h t wird , bleib t die gros s e n [sic] Poste n k e tte 3 Tage und Näch te hind u r c h bewa c h t. Nach dies e r Zeit wird ange n o mmen , dass es dem Flüc h tlin g gelu n g e n ist, die Poste n k e tte irge n d w ie zu passie r e n , wesh a lb am nächs tf o lg e n d e n Aben d die Bewa c h u n g abge z o g e n wird . Wenn der Flüch t l i n g leben d erwis c h t wird, wird er in Anwes e n h e it des ganze n Lage r s gehä n g t. Wenn er tot aufg e f u n d e n wird , wird sein e Leich e immer — mag sich der Auff in d u n g s o r t wo immer befin d e n — in das Lage r zurü c k g e b r a c h t (dur c h die eintä t o w i e r t e Nummer kann di e Inden t i t ä t und Lager z u g e h ö r i g k e i t leich t festg estellt werd en ), sod an n am Ein g an g s to r bei der klein en Posten k ette mit ein er Tafel in der Han d hin g esetzt. Die Tafel träg t die Aufs c h r if t: “Hier bin ich. ” Es hat währ e n d unse r e r fast zweij ä h r ig e n Haft sehr viele Fluc h tv e r s u c h e gege b e n . Bis auf 2 oder 3 Fälle wurde n aber die Flüc h tlin g e immer lebe n d oder tot zu rü c k g e b r a c h t. Ob es den ganz wenig e n , die nich t wied e r in das Lage r gebr a c h t wurd e n , gelu n g e n ist, tatsä c h lich zu entk o mmen , wiss e n wir nich t. Mit Sich e r h e it kann aber beha u p te t werd e n , dass von den Jude n , die aus der Slow a k e i nach Ausc h w itz bzw. Birk e n a u eing e lief e r t wurd e n , bis heute wir die einz ig e n sind , dene n es geglü c k t ist, sich zu retten . Wie bere its erwä h n t, wurd e n wir am erste n Tage unse r e r Anku n f t in Ausch w i t z nach Birke n a u gebra c h t . Eine Gemei n d e mit der Benen n u n g “Birkenau” existiert eigentlich nic h t. Auch der Name “Bir k e n a u ” ist neu gepr ä g t und von dem in der Nähe lieg e n d e n Birk e n w a ld (Bre z in k y) abge le itet. Das Gebie t, das heute den Namen “Bir k e n a u ” träg t, wurd e und wird noch heute von der Bevö lk e r u n g “Raj s k a ” gena n n t. Das heutig e Lage r z e n tr u m von Birk e n a u lieg t vom Lage r Ausc h w itz ca. 4 km entf e r n t. Die beid e n gros s e n Poste n k e tten von Ausc h w itz und Birk e n a u berü h r e n sich , sie werd e n von eina n d e r ledig lich durc h ein Eise n b a h n g le is getr e n n t. Von Neu- Ber u n , das wir unbe g r e if lich e r w e is e als Post- S telle für Birk e n a u ange b e n muss te n , habe n wir nie etwa s vern o mmen . Diese Stad t dürf te 30-4 0 km von Birk e n a u entfe r n t sein. 115 Zur Zeit, als wir in Birk e n a u anka men , fand e n wir dort ledig lich eine enor m gros s e Küch e für 15.0 0 0 Pers o n e n vor, ferne r 2 ferti g g e s t e l l t e und ein sich im Bau befin d lich e s Stein h a u s . Diese Bauo b j e k te ware n mit eine m gewö h n lich e n Stac h e ld r a h tz a u n umge b e n . Die Häus e r , welch e wir vorf a n d e n , also auch jene , die späte r erba u t wurd e n , behe r b e r g e n die Häftlin g e . Sie sind alle nach gleic h e m Muste r gebau t. Ein jedes Haus ist etwa 30 m lang und 8-10 m breit. Die Wand h ö h e dürf te kaum 2 m über s c h r e iten , währ e n d der Dach s tu h l unve r h ä ltn is mäs s ig , ca. 5 m hoch ist. Es erwec k t den Eindr u c k eines Stalle s , über welch e n ein gros s e r Heub o d e n geba u t ist. Der Raum ist von inne n nich t abge d e c k t, soda s s die inner e mittl e r e Raumh ö h e sich auf etwa 7 m be läu f t . Der Raum wird durch eine Wan d , welch e durch die Mitte der Län g e nach gezo g en wurd e, in zwei Teile geteilt, wob ei diese in der Mitte abg eb r o ch en ist, um die Kommu n ik a tio n zwisc h e n den beid e n Teilen des Raume s zu ermö g lich e n . Sowo h l an den beid e n Seiten w ä n d e n , als auch an beid e n Teilen [ /]S e iten der mittl e r e n Teilu n g s w a n d sind der ganze n Länge nach je zwei paralle l e Etag e n in eine r Höhe vom Fuss b o d e n und vone in a n d e r ca. 80 x 80 cm einge b a u t. Diese Etag e n sind durch vertik a le Teilu n g s w ä n d e auf klein e Kammer n abgete i l t . Es entsteh e n hie [ r ] d u r c h drei Etag e n (Fus s b o d e n , und zwei Etage n aus den Seite n w ä n d e n ) . In eine r Kammer werd e n normaler w e is e drei Perso n e n unte r g e b r a c h t. Sie sind, wie es sich aus den Mass e n ergib t, zu schma l, um ausg e s tr e c k t lieg e n zu könn e n und kaum hoch genu g , um darin aufr e c h t sitz e n zu könn e n . Von Steh e n kann gar keine Rede sein. Auf diese Weise werden in einem Haus oder “Block ” — wie sie bena n n t werd e n , 400- 5 0 0 Pers o n e n unte r g e b r a c h t. Das heutig e Lage r Birk e n a u lieg t auf eine m Terr ito r iu m von etwa 1.60 0 x 850 m, welch e s eben s o wie das Lage r Ausc h w itz mit eine r soge n a n n te n klein e n Poste n k e tte umge b e n ist. Ansch liessen d wird derzeit auf einem Terr ito r iu m gear b e itet, welch e s noch gröss e r ist, als das bereits beste h e n d e Lage r und soll nach Fer tig s te llu n g dem bereits beste h e n d e n Lage r ange s c h lo s s e n werd e n . De r Zweck diese r riese n h a f t e n Vorb e r e itu n g e n ist uns nich t beka n n t. In eine m Umkr e is von etwa 2 km ist das Lager Birk e n a u , 116 ebens o wie das Lage r Ausc h w itz, mit eine r gros s e n Poste n k e tte umge b e n . Das Bewac h u n g s s ys te m ist das gleic h e , wie im Lager Ausch w itz. Die Bauo b j e k te, welch e wir bei unse r e r Anku n f t, in Birk e n a u vorf a n d e n , wurd e n von 12.0 0 0 russ is c h e n Krieg s g e f a n g e n e n erric h tet, die im Dezemb e r 1941 hinge b r a c h t wurde n . Sie arbei t e t e n im stren g s t e n Winte r unte r solch e n unme n s c h lich e n Bedin g u n g e n , dass sie bis auf eine ganze klein e Anza h l, u. zw. jene, die in der Küche besc h ä f tig t ware n , umge k o mmen sind . Sie ware n von 12.0 0 0 nume r ier t, dies jedo c h auss e r h a lb der lauf e n d e n , früh e r be sc h r ieb e n e n Numer ie r u n g . Bei der Einlief e r u n g von weiter e n russ is c h e n Gefa n g e n e n erhie lten dies e in Ausc h w itz nich t die lauf e n d e n Nummer n der sons tig e n Häftlin g e , sond e r n immer wied e r eine Nummer von 1-12 . 0 0 0 an die Stelle eine s bere its vers to r b e n e n Russ e n . Bei dies e r Häftlin g s k a teg o r ie kann also aus der eben erteilten Nummer nich t auf die Anzah l der bish er ein g elieferten gesch lo ssen werd e n . Ange b lich sollen russ is c h e Gefa n g e n e von den Gefa n g e n e n la g e r n strafw e i s e nach Auschw i t z bzw. Birken a u verset z t werden . Den Rest dieser Russ e n traf e n wir in schr e c k lich verw a h r lo s tem Zusta n d an, sie bewo h n te n die noch nicht fertiggestellte Bauste l l e , ohne jedwe d e n Schut z vor Kälte und Rege n und star b e n in Mass e n . Ihre Leich e n wurd e n zu [H]u n d e r te n und [T]au s e n d e n ganz ober f lä c h lich in die Erde gekr a tz t und verb r e iteten eine n pesta r tig e n Geru c h . Späte r muss te n wir dies e Leich e n ausg r a b e n und der Verb r e n n u n g zufü h r e n . Eine Woch e vor unse r e m Eintr e f f e n in Ausch w itz ist dort der erste jüdis c h e Männ e r tr a n s p o r t (die Mä dc h e n wurd e n sepa r a t beha n d e lt und hatten eine mit den Männ e r n para llele Numer ie r u n g ; die slow a k is c h e n Mädc h e n erhie lten die Nummer n 1.00 0 - 8 . 0 0 0 ) , 1.30 0 natu r a lis ier te fran z ö s is c h e Jude n aus Paris eing e tr o f f e n . Sie wurd e n beiläu f ig mit No. 27.5 0 0 begin n e n d nume r ier t. Da wir — wie bere its erwä h n t — Nummer n mit 28.6 0 0 begin n e n d erhie lten , ergib t sich , dass zwisc h e n dem fran z ö s is c h e n und unse r e m Tran s p o r t kein Männ e r tr a n s p o r t in Ausc h w itz eing e tr o f f e n ist. Den am Lebe n geb lieb e n e n Rest dies e r fran z ö s is c h e n Jude n , etwa 700 an der Zahl, traf e n wir in fürc h te r lich hera b g e k o mmen e m Zusta n d e in Birke n a u an. Die fehle n d e Hälf te ist inne r h a lb der eine n Woch e gesto r b e n . 117 In den drei fertig e n Bloc k s ware n unte r g e b r a c h t: I. die soge n a n n te Promin e n c ia — Beruf s v e r b r e c h e r und älter e polnis c h e politi s c h e Häftli n g e , die die Lager v e r w a l t u n g inne h a tten , II. Rest der fran z ö s is c h e n Jude n , ca. 700 an der Zahl, III. slow a k is c h e Jude n , anfa n g s 643, nach einig e n Tage n kamen auch die in Zwar d o n [Z]u r ü c k g e b lieb e n e n an, IV. die noch lebe n d e n Russ e n haus ten in dem noch nich t fertig g e s t e l l t e n Bau und auch im Fr eie n . Ihre Zahl nahm derar t rapid ab, dass sie kein e nenn e n s w e r te Grup p e [meh r ] repräs e n t i e r t e n . Die slow a k is c h e n Jude n arbe iteten zusa mmen mit dem Rest der russ is c h e n Gefa n g e n e n am Bau, währ e n d die fran z ö s isc h e n Jude n Erda r b e iten verr ic h ten muss te n . Nach drei Tage n wurd e ich zusa mmen mit 200 slow a k is c h e n Jude n zur Arbe it in die deuts c h e n Aufr ü s tu n g s w e r k e nach Ausc h w itz komman d ie r t. Unse r e Wohn s tätte blieb weiter h in in Birk e n a u . Wir ging e n zeit l i c h früh zur Arbe i t und kehr t e n aben d s zurü c k . Wir arbe iteten in der Tisc h le r w e r k s tä tte und bei Stra s s e n b a u te n . Zu Essen bekamen wir zu Mitta g 1 Liter S upp e aus Stec k r ü b e n und am Aben d 30 dkg. schle c h tes Brot. Die Arbe itsb e d in g u n g e n ware n von eine r unvo r s te llb a r e n Härte , soda s s die meisten von uns, durc h das Hung e r n und durch das ungen ie s s b a r e Esse n abge s c h w ä c h t, es nicht aush ielten . Die Mortalität war ersch r eck en d . Wir hatten täg lich in unserer [Z]w e ih u n d e r te r - G r u p p e 30-3 5 Tote. Sehr viele wurd e n von den Aufs e h e r n “die Capo s ” ohne dass sie sich Schu ld zuko mmen lies s e n , währ e n d der Arbe it einf a c h ersc h la g e n . Der Ausf a ll, welch e n dies e Grup p e durc h das Absterb en erlitt, wurd e aus dem in Birk en au arb eiten d en Teil täg lich ergä n z t. Sehr schw e r und für uns gefä h r lich , war allab e n d lich die Rück k e h r aus der Arbeit. Wir musste n unse r e Arbe itsg e r ä te, Bren n h o lz , schw e r e Koch k e s s e l und unse r e Toten , die währ e n d der Arbe it star b e n oder ersc h la g e n wurd e n , auf eine r Stre c k e von 5 km nach Haus e schle p p e n . Es musste mit der schweren Last stramm marsc h i e r t werde n . Wer dem Capo missf i e l , wurde graus a m gesch l a g e n , we nn nicht erschl a g e n . Bis der zweite slow a k is c h e Männ e r tr a n s p o r t nach 118 etwa 14 Tage n bei uns anka m, blieb e n von unse r e m Tran s p o r te nur mehr ungef ä h r 150 am Leben . Allab e n d l i c h wurde n wir gezäh l t , die Leich e n wurde n auf [flac h e ] Feldb a h n w a g e n gele g t oder auf ein Lasta u t o verla d e n , nach dem sich in der Nähe befin d lich e n Birk e n w a ld (Bre z in k y) gefü h r t, wo sie in eine r , einig e Meter tief e n und etwa 15 m lang e n Grub e verb r a n n t wurd e n . Am Wege zum Arbe itsp la tz bege g n e ten wir täglich eine m Komman d o (Arb e itsg r u p p e ) von 300 jüdis c h e n Mädc h e n aus der Slow a k e i, die in der nahe n Umge b u n g Erda r b e iten verr ic h teten . Sie waren in alten russ is c h e n Unif o r mf e tz e n ange z o g e n und trug e n Holzs c h u h e . Die Köpf e hatten sie kahl gesch o r e n , spre c h e n konn t e n wir si e leider nicht. Bis Mitte Mai 1942 traf e n insg e s a mt 4 jüdis c h e Männ e r tr a n s p o r te aus der Slow a k e i in Birk e n a u ein, die auf dies e lb e Art wie wir beha n d e lt wurd e n . Von den Ange h ö r ig e n des erste n und zweiten Tran s p o r tes wurd e n 120 Mann (dar u n te r auch ich) ausg e w ä h lt und auf Verla n g e n der Lage r v e r w a ltu n g Ausc h w itz, welch e Ärzte , Dentisten , Hoch s c h ü le r und Beruf s b e a mt e anfor d e r t e , derse l b e n zur Verfü g u n g gest e l l t . Die Grupp e besta n d aus 90 slow a k is c h e n und 30 fran z ö s is c h e n Jude n . Da ich mir inzwis c h e n in Birken a u eine gute Stelle erkämp f t hatte, indem ich einem Komman d o von 50 Pers o n e n vors ta n d , und hie[ r ]d u r c h kein e n unbed e u t e n d e n Vorzu g genos s , wollt e ic h anfan g s nicht nach Ausch w i t z . Doch lies s ich mich über r e d e n und ging . Nach 8 Tage n wurd e n von den 120 Intel l i g e n z l e r n 18 Ärzte und Kra n k e n p f l e g e r und 3 weite r e Pers o n e n ausgew ä h l t . Die Ärzte wurden “im Kran k e n b a u ” Ausc h w itz besc h ä f tig t, wir drei wurde n nach Birke n a u zurü ck g e s c h i c k t . Meine zwei Genoss e n Ladis la v Brau n aus Trna v a und Gros s aus Vrbo v é (? ), die seitd e m gesto r b e n sind , kamen zum slow a k is c h e n Bloc k , ich zum fran z ö s is c h e n , wo wir mit der Verr ic h tu n g der Evid e n z a r b e iten und der soge n a n n te n “Kran k en p f leg e” betr[e]u t wurd en . Die restlich en 99 Perso n en wurd en in die Kiesg r u b e zur Arbeit gesc h ic k t, wo sie alle nach kurze r Zeit umge k o mmen sind . Kurz dara u f wurd e in eine m Obje [ k ]t ein soge n a n n te r “Kra n k e n b a u ” errich t e t . Es war der berüch t i g t e “B loc k 7”. Ich wurde dort zuers t als “Hau p tp f leg er” später als Verwalter ang estellt. Chef dieses Kran k en b au es 119 (sic) war der Pole Vikto r Mord a r k i, Häftlin g s n u mmer 3560 . Der Kran k e n b a u war nich ts ande r e s , als eine Sammelstelle von Tode s k a n d id a ten . Hierh e r wurd e n alle arb eitsu n f äh ig en Häftlin g e eingel i e f e r t . Von einer ärztli c h e n Behan d l u n g oder Pfleg e konnt e gar keine Rede sein . Täglich hatten wir ca. 150 Tote zu verz e ic h n e n . Die Leich e n wurd e n täglich in das Krema to r iu m nach Ausc h w itz gefü h r t. Gleich zeitig beg an n en auch die sog en an n ten “Selek tio n en ”. Zweimal wöche n t l i c h , Monta g und Donne r s t a g , bestimmte der Stando r t a r z t (Lag e r a r z t) die Zahl jene r Häftlin g e , die durc h Verg a s u n g getö tet und dann verb r a n n t werd e n sollen . Die Selek tie r t e n wurde n in Lasta u t o s verla d e n und in den Birk e n w a ld gefü h r t. Jene, die dort noch lebe n d anka men , wurd e n in eine r bei der Verb r e n n u n g s g r u b e zu dies e m Zwec k erric h teten gros s e n Bara c k e verg a s t und dann in die Grub e gewo r f e n und verb r a n n t. Der wöchent l i c h e Ausfal l im Block 7 war um die 2.00 0 , hie[r ] v o n etwa 1.20 0 , die “natü r lich e n Tode s ” und etwa 800, die durc h Selek tio n e n starbe n . Über die Nichtse l e k t i e r t e n wurde n Toten me l d u n g e n ausge s t e l l t und dies e dem Lage r o b e r k o mmen d o nach Oran ien b u r g eing e s a n d t. Über die Selekti e r t e n wurde ein Buch mit der Bezeich n u n g “SB” (Son d e r b e h a n d e lt) gefü h r t. Bis zum 15. Jänn e r 1943 , bis zu welch e r Zeit ich im Bloc k 7 die Verw a lter s telle inne h a tte, und dahe r die Möglich k e it besass die Gesch eh n isse unmittelb ar zu beo b ach ten , sin d in diesem natü r l i c h e n Tode s oder durch Se lek t i o n e n ca. 50.00 0 Häftl i n g e umg e k o mmen . Da die Häftlin g e — wie bere its besc h r ieb e n — fortlau f e n d nume r ier t wurd e n , sind wir in der Lage die Reih e n f o lg e und das Los der einz e ln e n eing e lief e r te n Tran s p o r te mit einer ziemlich e n Gena u ig k e it zu reko n s tr u ie r e n . Der erste jüdis c h e Tran s p o r t, welch e r nach Ausc h w itz bzw. Birke n a u eing e lief e r t wurd e , war — wie bere its erwä h n t — der Tran s p o r t, der 1.32 0 natu ralisierten fran zö sisch en Jud en mit Häftlin g s n u mmern ca[.]: ca. 27.4 0 0 - 2 8 . 6 0 0 " 28.6 0 0 - 2 9 . 6 0 0 im April 1942 der erste Tran s p o r t mit slow a k is c h e n Jude n (uns e r Tran s p o r t) 120 " 29.6 0 0 - 2 9 . 7 0 0 100 Männ e r (Arie r ) aus dive r s e n Konz e n - tratio n s lag ern " 29.7 0 0 - 3 2 . 7 0 0 3 komp le tte Tran s p o r te mit slow a k is c h e n Jude n " 32.7 0 0 - 3 3 . 1 0 0 400 Beru f s v e r b r e c h e r (Arie r ) aus Wars c h a u e r Gefä n g n is s e n , " 33.1 0 0 - 3 5 . 0 0 0 2.00 0 Krak a u e r Jude n " 35.00 0 - 3 6 . 0 0 0 1.00 0 Pole n (Ari e r ) poli t i s c h e Häft l i n g e " 36.0 0 0 - 3 7 . 3 0 0 im Mai 1942 1.33 0 slow a k is c h e Jude n aus Lublin - M a j d a n e k " 37.3 0 0 - 3 7 . 9 0 0 600 Polen (Arie r ) aus Rado m, daru n te r einig e Jude n " 37.9 0 0 - 3 8 . 0 0 0 100 Polen aus dem Konz e n tr a tio n s lag e r Dach a u . " 38.0 0 0 - 3 8 . 4 0 0 400 fran z ö s is c h e natu r a lis ier te Jude n . Diese Juden kamen mit ihren Familien an g eh ö r ig en an. Der gan ze Tran s p o r t zählte etwa 1.60 0 Seele n , hie[ r ]v o n wurd e n ca. 400 Männ e r und ca. 200 Mädc h e n durc h die besc h r ieb e n e Proz e d u r dem Lage r zuge f ü h r t, währ e n d die übrig e n 1.00 0 Pers o n e n (Fra u e n , Alte, Kind e r und auch Männ e r ) , ohne jedw e d e Evid e n z oder Beha n d lu n g dire k t vom Abste ll[ g le is ] nach dem Birk e n w a ld gefü h r t, dort verg a s t und verb r a n n t wurd e n . Von dies e m Zeitp u n k te an wurd e n alle jüdis c h e n Tran s p o r te ähn lich beha n d e lt. Unge f ä h r 10% der Tran s p o r tteiln e h mer an Männ e r n und 5% an Frau e n wurd e n dem Lage r zuge f ü h r t währ e n d die übrig en unmittelb ar verg ast wurd en . Mit poln is c h e n Jude n wurd e auch scho n früh e r auf dies e Weise verf a h r e n . Unauf h ö r lich brac h ten Lasta u to s währ e n d lang e r Mona te hind u r c h [T]a u s e n d e von Jude n aus den versc h i e d e n e n Ghett i dire k t zur Grub e in den Birk e n w a ld . 121 ca. 38.4 0 0 - 3 9 . 2 0 0 800 natu r a lis ier te fran z ö s is c h e Jude n . Rest des Tran s p o r tes — wie oben besc h r ieb e n — verga s t. " 39.20 0 - 4 0 . 0 0 0 800 Pole n (Ari e r ) poli t i s c h e Häft l i n g e . " 40.0 0 0 - 4 0 . 1 5 0 150 slow a k i s c h e Jude n . Famili e n t r a n s p o r t e . Ausse r weiter e n 50 Mädc h e n , die dem Frau e n lag e r zuge f ü h r t wurd e n , wurd e n alle übrig e n im Birk en wald verg ast. Unter den 150 Männ e r n , die in das Lage r kamen , befa n d sich u. a. Zucke r aus der Ostslo w a k e i (Vor n a me unbe k a n n t ) und Sonne n s c h e i n Vili a m aus der Ostslo wa k ei . ca. 40.1 5 0 - 4 3 . 8 0 0 ca. 4.00 0 fran z ö s is c h e natu r a lis ier te Jude n , durch weg s Intellig en zler. Aus diesen Tran sp o r ten wurde n gleic h z e i t i g etwa 1.000 Fraue n dem Fraue n l a g e r zugef ü h r t , die restl i c h e n ca. 3.000 Perso n e n wurde n im Birke n w a l d verga s t . " 43.8 0 0 - 4 4 . 2 0 0 400 slow a k is c h e Jude n aus Lublin , daru n te r Matej Klein und No. 43.8 2 0 Meilo c h Lauf e r aus der Ostslo w a k e i. Diese r Tran s p o r t kam am 30. Juni 1942 an. " 44.2 0 0 - 4 5 . 0 0 0 200 slow a k is c h e Jude n . Der Tran s p o r t besta n d aus 1.00 0 Pers o n e n . Eine Anza h l von Frau e n wurd e dem Frau e n lag e r zuge f ü h r t, der Rest im Birk e n w a ld verg a s t. Unter dene n , die den Lage r n zuge f ü h r t wurd e n , befa n d e n sich : Joze f Zelma n o v ic , Snin a — Adolf Kaha n , Bratislav a — Walter Reich ma n n , Sucan y — Ester Kah an , Bratislav a — Mit der letzter e n habe ich am 1. IV . 1 9 4 4 Geleg e n h e it geha b t zu spreche n . Sie ist Bloc k älteste im Frau en lag er. 122 " 45.0 0 0 - 4 7 . 0 0 0 200 Fran z o s e n (Arie r ) , Kommu n is te n und ande r e polit i s c h e Häftl i n g e , darun t e r der Brude r von Thore z und der jung e Brud e r von Léon Blum. Letzter e r wurd e furc h tb a r gemar te r t, dann verg a s t und verb r a n n t. " 47.0 0 0 - 4 7 . 5 0 0 500 Jude n aus Hollan d , vorw ie g e n d deuts c h e Emig r a n te n . Der Rest des Tran s p o r tes , etwa 2.50 0 Pers o n e n im Birke n w a ld verg a s t. " 47.5 0 0 - 4 7 . 8 0 0 Einig e 100 soge n a n n te Schu tz r u s s e n . " 48.3 0 0 - 4 8 . 6 2 0 320 Jude n aus der Slow a k e i. Etwa 70 Mäde l wurd e n in das Frau e n lag e r gebr a c h t, der Rest von ca. 650 Pers o n e n im Birk e n w a ld verg a s t. In dies e m Tran s p o r t befa n d e n sich 80 Perso n e n , welch e seiten s der ungari s c h e n Poliz e i nach Sered übers t e l l t wurd e n . Mit dies e m Tran s p o r t kamen u. a. Dr. Zoltan Mand e l, Pres o v (inz w is c h e n gesto r b e n ) , Holz (Vor n a me unbe k a n n t) Fleis c h h a u e r aus Piesta n y , wurde später n ach Warsch a u geschi c k t Mik lo s Eng el, Zilin a Chaim Katz, Snin a, arb eite t dzt. in der “Leiche n - h a lle ” , Frau und 6 Kind e r wurd e n verg a s t. " 49.0 0 0 - 6 4 . 8 0 0 15.0 0 0 natu r a lis ier te fran z ö s is c h e und belg isc h e , weiter s hollän d is c h e Jude n . Die obig e Zahl dürf te kaum 10% der Trans p o r t t e i l n e h mer ausma c h e n . Dies war in der Zeit vom 1. Juli bis 15. Septe mb e r 1942 . Grosse Familien tran s p o r te kamen aus allen Län d ern , die dire k t nach dem Birk e n w a ld gefü h r t wurd e n . Das Sond e r - k o mman d o , welch e s bei der Verg a s u n g und Verb r e n n u n g besc h ä f tig t wurd e , arbe itete in Tag- und 123 Nach tsc h ich te n . Zu [H]u n d e r ttau s e n d e n wurd e n in diese r Zeit Juden verg a s t. ca. 64.8 0 0 - 6 5 . 0 0 0 200 slow a k is c h e Jude n . Aus dies e m Tran s p o r t wurd e n etwa 100 Frau e n dem Frau e n lag e r zuge f ü h r t, der Rest nach dem Birk e n w a ld . Unter den Ein g eb r ach ten befan d en sich Lud w ig Katz, Zilin a — Avri Burg e r , Bratislav a - P o p r a d (Fra u gesto r b e n ) — Mikula s Stein e r , Povaz s k a Bystr ic a — Juraj Fried , Trenc i n — ? Buchwa l d — Josef Rosen w a s s e r , Ostslo w a k e i — Juliu s Neuma n n Bard e j o v — Sand o r Werth e ime r , Vrbo v é — Misi Werth e ime r , Vrbo v é — Béla Blau , Zilin a — " 65.00 0 - 6 8 . 0 0 0 natu r a lis ier te fran z ö s is c h e und belg isc h e , weiter s hollän d is c h e Jude n . Aus den ange k o mmen e n Tran s p o r ten wurd e n ca. 1.00 0 Frau e n dem Frau e n lag e r zuge f ü h r t und zumin d e s t 30.0 0 0 Pers o n e n verg a s t. " 68.0 0 0 - 7 0 . 5 0 0 25.0 0 0 deuts c h e Jude n aus dem Konz e n - tr a tio n s lag e r Sachs e n h a u s e n . " 71.0 0 0 - 8 0 . 0 0 0 natu r a lis ier te fran z ö s is c h e , belg isc h e und hollän - d is c h e Juden . Die in das Lager einge b r a c h te Zahl ist kaum 10% der Gesa mtz a h l der Tran s p o r te. Bei vors ic h tig e r Schä tzu n g kann man anne h me n , dass 65- 7 0 . 0 0 0 Pers o n e n verg a s t wurd e n . Am 17. Deze mb e r 1942 wurd e n 200 jüdi s c h e Junge n aus der Slowa k e i , die als soge n a n n te s Sond e r k o mman d o be i der Verg a s u n g und der Verb r e n n u n g der Leich e n gear b e itet habe n , in Birk e n a u hing e r ic h tet. Die Hinr ich tu n g erfo lg te wege n vorb e r e iteter Meut e r e i und Fluc h tv e r s u c h , welch e s Vorh a b e n früh z e i t i g durc h eine n J ude n verr a t e n wurd e . Das Komman d o wurd e durc h 200 poln is c h e Jude n , die soeb e n mit eine m Tran s p o r te aus Mako w eintr a f e n , abge lö s t. Unte r den Hing e r ic h teten befa n d e n sich : Alex a n d e r Weis s , Trna v a — Fero Wagne r , Trna v a —Sch e in e r Oska r , 124 Trnav a — Wetzler Dezid e r , Trna v a — Alada r Spitz e r , Trna v a , Vojte c h Weiss , Trnav a . Durch den hie[ r ]d u r c h eing e tr e te n e n Wech s e l beim Sond e r k o mman d o habe n wir den dire k te n Konta k t mit dies e r “Arb e its s te lle ” verlo r e n , was sich insb e s o n d e r s auf unse r e Vers o r g u n g sehr schle c h t ausw ir k te . Die Tran s p o r te, welch e nach dem Birk e n w a ld gebr a c h t wurd e n , — wenn sie auch ihr Gepäc k in Ausch w i t z zu rü c k las s e n muss te n — brach ten ganz beträc h t l i c h e Summen Geldes in Valu t e n vorw i e g e n d Papi e r - und Gold d o llar s , eine Unmen g e von Gold und Edels te in e n , fern e r auch Leb en smittel mit sich . Obwo h l die Wertsach en selb stv erstän d lich abzu f ü h r e n ware n , konn te es doch nich t vermied e n werd e n , dass nich t einig e Wertg e g e n s tän d e (hau p ts ä c h lich Gold d o llar s ) bei der Durc h s u c h u n g der zurü c k g e las s e n e n Kleid e r der Ve rg a s ten in die Tasc h e n unse r e r Bursch en versch win d en sollen . Sie brach ten auf diese Art beträch tlich e Mittel in das Lager, ausser d e m auch Lebens mi t t e l . Man konnte wohl für Geld im Lage r offiz ie ll nich ts kauf e n , man konn te jedo c h mit den SS- L e u te n und sons tig e n Zivilar b e iter n , di e bei versc h ied e n e n Fach a r b e iten im Lagerge b i e t verwen d e t wurden und Gelegen h e i t hatten , etwas Lebens mi t t e l und Ziga r e tten mitzu b r in g e n , Gesc h ä f te mach e n . Die Preis e ware n selb s tv e r s tän d lich nach den Umstä n d e n gemes s e n , ganz abno r mal. Für einige hunder t Zigare t t e n wurde eine 20 Dolla r Gold mü n z e gezah l t . Auch der Taus c h h a n d e l flor ier te . Die Teue r u n g spielte aber bei uns kein e Rolle, Geld hatten wir soviel wievie l wir nur wollt e n . Auch Kleid u n g s s t ü c k e erhie lten wir durc h das Sond e r k o mman d o . Wir konn te n unse r e Fetz e n durc h die gute n Kleid e r der zur Verg a s u n g Gelan g te n austa u s c h e n . Der Rock , den ich noch heute anha b e , ge hö r te eine m hollän d is c h e n Jude n (im inn eren desselb en ist tatsäch lich da s Firmen z e i c h e n eines Amster d a mer Schne id e r s angeb r a c h t. ) . Die Leute des Sond e r k o mman d o s wohn t e n abg e s o n d e r t. Man hatte mit ihne n auch scho n wege n des fürc h te r lic h e n Geru c h s , der von ihne n ausg in g , wenig Verke h r . Sie waren immer dreck ig , ganz verw a h r lo s t, ware n ganz verw ild e r t und unge mein bruta l und rück s ic h ts lo s . Es war nich t selten — es galt übrig e n s auch bei den ande r e n Häftlin g e n als Sensa tio n — dass der eine den ande r e n einf a c h ersc h lu g . Da s Ersch la g e n eines Häftlin g s ist kein 125 Delik t. Es wird einf a c h regis tr ie r t, dass Nummer so-u n d - s o v ie l gesto r b e n ist. Auf welch e Art jeman d in das Jen seits befö rd ert wird , ist gan z nebe n s ä c h lich . Einma l habe ich zuge s e h e n , wie ein jung e r poln is c h e r Jude namen s Josse l einem SS-Man n gegen ü b e r das “fach g e mäs s e Morde n ” an eine m Jude n demo n s tr ier te , inde m er den Jude n mit der Hand , ohne irgen d e i n e Waffe zu benüt z e n , ermo r d e t e . Mit Nummer ca. 80.0 0 0 bega n n die syste ma tis c h e Vern ich tu n g der poln isch en Ghetti. Ca. 80.00 0 - 8 5 . 0 0 0 ca. 5.00 0 Jude n au s diver s e n polni s c h e n Ghett i , daru n te r aus Mljaw a — Makow — Ziche n o w — Lomza — Grodn o — Bialo s to k — 30 Tage hindu r c h rollt e n diese Trans p o r t e una u f h ö r lich . Nur 5.00 0 von ihne n wur d e n dem Lage r zuge f ü h r t, alle ande r e n sofor t verga s t . Das Sond e r k o mman d o arbe itete in zwei Schic h ten 24 Stun d e n täglich . Sie konn te n mit der Verg a s u n g und Verb r e n n u n g kaum nach k o mmen . Ohne Über tr e ib u n g kann man anne h me n , dass die aus dies e n Tran s p o r ten zur Verg a s u n g Gelan g te n mit 80-9 0 . 0 0 0 zu bezif f e r n sind . Diese Tran s p o r te brac h ten ganz beso n d e r s viel Geld , Valu ten und Edelsteine mit sich. " 85.0 0 0 - 9 2 . 0 0 0 6.00 0 Jude n aus Grod n o , Bialo s to k und Krak a u und 1.00 0 arisc h e Polen . Der weit grös s e r e Teil der jüdis c h e n Tran s p o r te wurd e dire k t verg a s t. Täglich wurd e n ca. 4.00 0 Jude n in die Gask a mmer n getr ieb e n . Mitt e Jänn e r 1943 kamen 3 Trans p o r t e zu je 2.00 0 Pers o n e n aus Ther e s ien s tad t. Sie trug e n die Bezeic h n u n g “CU”, “CR” und “R”. (Die Bede u tu n g dies e r Zeich e n ist uns unbe k a n n t. Diese Bezei c h n u n g e n ware n an den Gepä c k - 126 stüc k e n ange b r a c h t. Aus dies e n 6.00 0 Pers o n e n wurd e n nur ca. 600 Männ e r und 300 Frau e n den Lage r n zuge f ü h r t, die übrig e n wie gewö h n lich verg a s t. ca. 99.0 0 0 - 1 0 0 . 0 0 0 Ende Jänn e r 1943 kamen gros s e Tran s p o r te mit fran z ö s is c h e n und hollän d is c h e n Jude n . Nur ein Bruc h te il von ihne n kam in das Lage r . " 100. 0 0 0 - 1 0 2 . 0 0 0 im Febe r [sic] 1943 2.00 0 arisc h e Polen , vorwieg en d Intellig en z. " 102.0 0 0 - 1 0 3 . 0 0 0 700 Tsch e c h e n - A r ie r . Späte r wurd e n die noch am Leben Geblieb e n e n dies e s Tran s p o r tes nach Buchen w a l d gesch i c k t . " 103. 0 0 0 - 1 0 8 . 0 0 0 3.00 0 fran z ö s is c h e und hollän d is c h e Jude n und 2.00 0 Polen (Arie r ) . Im Mona t Febr u a r 1943 kamen täglich durc h - sch n ittlich 2 Tran sp o r te mit poln isch en , fran z ö s is c h e n und hollän d is c h e n Jude n , die zum grös s te n Teil — ohne dass man auch nur eine n Bruch te il in das Lager gebra c h t hätte — verga s t wurde n . Die Zahl der in diese m Monat e zur Verg a s u n g Gelan g te n kann mit ca. 90.0 0 0 bezif f e r t werde n . Ende Febr u a r 1943 wurd e das neu geba u te mode r n e Krema to r iu m und [die] Verg a s u n g s a n s ta lt in Birk e n a u eröf f n e t. Die Verg a s u n g e n und Ver- b r e n n u n g e n der Leich e n wurd e n im Birk e n w a ld aufg e la s s e n [sic] und forta b wurde n diese Proze d u r e n in den 4 neuen , zu diese m Zwec k e geba u te n Krema to r ien durc h g e f ü h r t. Die gros s e Grub e wurd e aufg e s c h ü ttet, das Terr a in plan ier t, die Asch e wurd e [auc h ] scho n vorh e r als Dünge r in der Lager la n d w ir ts c h a f t Harme n s e verw e n d e t, soda s s man heute kaum eine Spur des fürc h t e r lich e n Mass e n mo r d e n s , das hier stattg e f u n d e n hat, entd e c k e n kann . 127 Derze it sind in Birk e n a u 4 Krema to r ien in Betr ieb . Zwei grös s e r e I. und II und zwei klein e r e III. und IV. Die Krema to r ien der Type I. und II. beste h e n aus drei Teilen . A. der Ofenr a u m, B. die gross e Halle, C. die Verga s u n g s k a mmer . Aus der Mitte des Of enr a u me s ragt ein riesi g e r Kamin in die Höhe . Ring s u m sind 9 Öfen mit je 4 Öffn u n g e n . Eine jede Öffn u n g fass t, 3 normale Leich e n auf einma l, welch e inne r h a lb 1 1/2 Stun d e n vollk o mmen verb r e n n e n . Dies entsp r ich t eine r täglich e n Kapa z ität von etwa 2.00 0 Leich e n . Daneb e n ist di e gros s e Vorb e r e its u n g s h a lle, die so ausg estattet ist, dass sie den Ansch ein erweck t, als ob man in ein er Halle eine r Bade a n s ta lt wäre . Sie fass t 2.00 0 Pers o n e n und soll sich ange b lich noch daru n te r eine eben s o gros s e Warte h a lle befin d e n . Von hier geht eine Tür und einig e Trep p e n führ e n hinu n te r in die etwa s tief e r geleg e n e schma le und sehr lang e Verg a s u n g s k a mmer . Die Wänd e dies e r Kammer sind durc h blin d e [D]u s c h a n la g e n mask ier t, soda s s es eine n ries ig e n Wasc h r a u m vortäu s c h t. Am flac h e n Dach sind 3 durc h Klap p e n von auss e n herme tis c h vers c h lies s b a r e Fens ter . Von der Gask a mmer führ t durc h die Halle ein Gleis p a a r zum Ofen r a u m. Die Verg a s u n g wird nun so vorg e n o mmen , dass die Unglü c k lich e n in die Halle B gebr a c h t werd e n , wo ihne n gesa g t wird , dass sie in das Bad gefü h r t werd e n . Dort müss e n sie sich ausk leid e n und um sie in der Mein u n g , wona c h sie tatsä c h lich zum Bade n gefü h r t werd e n , zu bekr ä f tig e n , erhä lt ein jede r von zwei in weis s e n Mänte ln gekle id e ten Männ e r n ein Ha nd tu c h und ein Stüc k c h e n Seif e . Hiera u f werd e n sie in die Gask a mmer C gedr ä n g t. 2.000 Pers o n e n füllen diese Kammer derar t , dass 128 ein jede r nur aufr e c h t steh e n kann . Um dies e Meng e n in die Kammer einp f e r c h e n zu könn e n , werd e n öfter s Schü s s e abge g e b e n , um die sich bereits in der Kammer Befin d lich e n dazu zu veran la s s e n , dass sie sich zusa mmen d r ä n g e n . Wenn scho n alles in der Kammer ist, wird die schw e r e Türe gesch lo ssen . Eine klein e Zeit wird dan n [gewartet], vermu tlich daru m, damit die Temp e r a tu r in der Kammer auf eine gewis s e Höhe steig e n soll, dann steig e n SS-Män n e r mit Gasma s k e n auf das Dach , öffn e n die Fens ter k lap p e n und schü tten aus Blec h d o s e n ein Präp a r a t in Stau b f o r m in die Kammer . Die Dosen trage n die Aufsch r i f t “Cykl o n ” zur Schä d lin g s b e k ä mp f u n g und werd e n in ei ne r Hamb u r g e r Fabr ik erze u g t. Es ist anzun e h me n , dass es sich um ein Cyanp r ä p a r a t hande lt, welch e s sich bei eine r gewis s e n Temp e r a tu r verg a s t. Nach 3 Minute n ist in der Kammer alles tot. Es ist bish e r noch niem a n d ange tr o f f e n word e n , der bei Öffn u n g der Kammer ein Leb en szeich en geg eb en hätte, was bei dem primitiv en Verfah r en im Birk en wald e, kein e Selten h eit war. Die Kammer wird dan n geöf f n e t, gelü f te t und das Sond e r k o mman d o führ t die Leich e n auf flac h e n Feld b a h n w a g e n zum Ofen r a u m, wo die Verb r e n n u n g stattf in d e t. Die beid e n ande r e n Krema to r ien III. und IV. sind im gros s e n und ganz e n auf ähnlich e r Grun d la g e erric h tet. Ihre Kapa z ität ist aber nur halb so gros s . Die Gesa mtk a p a z ität der 4 Krema to r ien in Birk e n a u ist somit 6.00 0 Verg a s u n g e n und Krema tio n e n täglich . Zur Verg a s u n g gelan g e n grun d s ä tz lich nur Jude n , Arier nur in selten e n Ausn a h mef ä llen . Diese werd e n gewö h n lich durc h Ersc h ie s s e n “son d e r b e h a n d e lt”. Vor der Inbe tr ieb n a h me der Krema to r ien gesc h a h dies im Birken w a l d e , wo die Leiche n nac h h e r in der Grub e verb r a n n t wurd e n , späte r in der gross e n Halle des Krem ato r i u ms , welche zu diesem Zwecke eine beso n d e r e Einr ich tu n g hatte. Zu der Einw e ih u n g des erste n Krema to r iu ms Anfa n g März 1943 , welch e durc h die Verg a s u n g und Ve rb r e n n u n g von 8.00 0 Krak a u e r Jude n bega n g e n wurd e , kamen promin e n te Gäste aus Berlin , hohe Offiz ie r e und Zivils. Sie ware n mit der Leistu n g sehr zufr ie d e n und habe n fleis s ig das Gucklo c h , welch e s an [der] Türe zu r Gask a mmer ange b r a c h t ist, benü tz t. Sie spra c h e n sich sehr lobe n d über das neu erric h tete Werk aus. 129 Ca. 109. 0 0 0 - 1 1 9 . 0 0 0 Anfa n g März 1943 kamen 45.0 0 0 Jude n aus Salo n ik i. 10.0 0 0 von ihne n kamen in das Lage r , auss e r d e m ein klein e r Teil von Fraue n , der Rest weit über 30.00 0 in das Krema to r iu m. Fast alle 10.0 0 0 aus dies e n Tran s p o r ten star b e n kurz dara u f entw e d e r durc h eine malar ia ä h n lich e Kran k h e it, die unte r ihne n gewü tet hat und sche in b a r anste c k e n d war, fern e r Flec k typ h u s oder zufol g e der allge me i n im Lager herr s c h e n d e n Be-d in g u n g e n , die sie nich t ertr a g e n konn te n . Da die Malar ia unte r den grie c h is c h e n Jude n und der Flec k typ h u s überh au p t die Mortalitätsziffer der Häftlin g e seh r in die Höh e sch iessen liess, wurd en die “Selek tio n en ” zeitweilig ein g estellt. Die kran k en grie c h i s c h e n Jude n wurd e n aufg e f o r d e r t , sich zu melde n . Trotz der unse r e r s e its erfo lg ten Mahn u n g e n habe n sich von ihne n tatsä c h lich viele gemeld et. Sie wurd en alle durch interco r d iale Fen o lin j ek tio n en getö tet. Dies e Inje k tio n e n wurd e n von eine m Sanitäts d ie n s t- G e f r e iten , wobe i ihm tschechische Häftlingsärzte assistiere n musste n , verabr e i c h t . Die Ärzte ware n : Dr. Hons a Cesp ir a , Prag , dz t. Kzt. Buche n w a l d — Dr. Zdene k Stich , Prag dzt. Kz. Buch e n w a ld -, die ihr Möglich s tes getan habe n , um den Opfe r n zu helf e n . Der noch am Lebe n geblieb e n e Re st der 10.0 0 0 grie c h is c h e n Jude n , nahe z u 1.00 0 Männ e r , wurd e n mit we iter e n ande r e n 500 Jude n zusa mmen , zu Fortif i k a t i o n s a r b e i t e n nach Warsch a u geschi c k t . Einige Wochen später kamen einig e Hund e r t von ihne n in hoff n u n g s lo s e m Zusta n d e zurü c k und wurd en sofo rt verg ast. Der and ere Teil ist vermu tlich dort umg ek o mmen . 400 malar ia k r a n k e grie c h is c h e Jude n wurd e n nach Eins tellu n g der Feno lb e h a n d lu n g ange b lich zur “we iter e n Beha n d lu n g ” nach Lublin gesch ick t. Sie sollen dort tatsäch lich ang ek o mmen sein . Über ihr weiteres Schic k s a l ist uns aber nich ts beka n n t. Sovie l steh t aller d in g s fest, dass sich heute kein einzig e r griec h is c h e r J ude von dies e n 10.0 0 0 im Lage r befin d e t. 130 Gleichzeitig mit Einstellung der Se lek t i o n e n wurd e das Ermo r d e n der Häftlin g e verb o te n . Berüc h tig te Mörd e r , wie der reich s d e u ts c h e Beru f s v e r b r e c h e r Alex a n d e r Neuma n n " " Zimmer " " Albert Hämmerle " " Rudi Oster in g e r " " Rudi Berch e r t " polit. Häftlin g Alfred Kien " " " Alois Stahler wurd e n wege n häuf ig bega n g e n e n Mo rd e n s bestr a f t und musste n eine schri f t l i c h e Erklä r u n g darüb e r a bgeb e n , dass sie eine Anzah l von Häftlin g e n ermo r d e t habe n . Anfan g des Jahre s 1943 erhie l t di e politis c h e Abteil u n g in Auschwi t z 500. 0 0 0 Entlas s u n g s f o r mu la r e . Wir nahme n nun mit Freu d e an, dass wenig s ten s einig e Entlas s u n g e n vorg e n o mmen werd e n . Sie wurd e n aber mit den Daten der zur Verga s u n g Gelan g t e n ausge f ü l l t und im Archi v hinte r leg t. Ca. 119. 0 0 0 - 1 2 0 . 0 0 0 1.00 0 Polen (Arie r ) aus dem Zuch th a u s Pawia k - W ar s c h a u " 120. 0 0 0 - 1 2 3 . 0 0 0 3.00 0 grie c h is c h e Jude n , welch e teilw e is e dann als Ersatz für ihre versto r b e n e n Landes l e u t e [sic] nach Warsc h a u gesan d t wurde n . Der Rest ist rasch [ges t o r b e n ]. " 123. 0 0 0 - 1 2 4 . 0 0 0 1.00 0 Polen (Arie r ) aus Rado m und Tarn o w " 124. 0 0 0 - 1 2 6 . 0 0 0 2.00 0 Pers o n e n aus gemis c h te n arisc h e n Tran s - p o r ten Inzwisc h e n kamen paus e n lo s Tran s p o r te poln is c h e r , als auch einig e r fran z ö s is c h e r und belg isc h e r Jude n , die restlo s , ohne dass auch nur ein Teil in das Lage r gebr a c h t word e n wäre , ve rga s t wurde n . Darun t e r auch ein Tran s p o r t von 1.00 0 poln is c h e n Jude n aus Majd a n e k , unte r welch e n sich auch 3 Slowa k e n befa n d e n . Der eine unte r ihne n , ein gewis s e r Spir a aus Stro p k o v oder Vran o v . 131 Ende Juli 1943 hat die Flut der Tran s p o r te plötz lich aufg e h ö r t. Es ist eine klein e Paus e eing e tr e te n . Die Krema to r ien wurd e n grün d lich gere in ig t, die Einr ich tu n g e n repa r ie r t und für den weiter e n Betr ieb vorb e r e itet. Am 3. Augu s t bega n n die Mord mas c h in e wied e r zu lauf e n . Es kam der erste Tran s p o r t der Jude n aus Benz b u r g und Sosn o w itz und weiter e folg ten währ e n d des ganz e n Mona t[ s ] Augu s t. Ca. 132. 0 0 0 - 1 3 6 . 0 0 0 Nur 4.00 0 Männ e r und eine klein e Anza h l von Fraue n wurde n in das Lager gebra c h t . Weit über 35.0 0 0 wurd e n verg a s t. Von den 4.00 0 in das Lage r gebr a c h ten Männ e r n sind zufo lg e Schik a n ie r u n g e n , H ung e r und zuge z o g e n e n Kran k h e iten , als auch dire k te n Mord e s viele scho n in der soge n a n n te n Quar a n tain e [sic] gesto r b e n . Die Haup ts c h u ld träg t hier f ü r der reich s d e u ts c h e Verb r e c h e r Tyn aus dem Konz e n tr a tio n s lag e r Sach s e n h a u s e n und der polni s c h e polit i s c h e Häftl i n g Nr. 8516 Mieczisl a v Katerzin s k i aus Warschau . Die Selek tio n e n wurd e n wied e r eing e f ü h r t u. zw. im ersch r e c k e n d hohe n Mass e , ins- b e s o n d e r e im Fraue n lag e r . Der Lage r a r z t, ein SS-H a u p ts tu r mf ü h r e r , der Sohn oder Neff e des Berlin er Polizeip r äsid en ten (der Name ist uns entg a n g e n ) hat sich hie[ r ]b e i durc h sein e Brutalität ausgezeichnet. Das System der Selek tio n wurd e von nun an unau f h ö r lich bis zu unse r e r Fluc h t fortg e s e tzt. " 137. 0 0 0 [sic]- 1 3 8 . 0 0 0 Ende Augu s t kamen 1.00 0 Polen aus dem Zuch th a u s Pawia k und 80 Jude n aus Griec h e n l a n d . 132 " 138. 0 0 0 - 1 4 1 . 0 0 0 3.00 0 Männ e r aus dive r s e n arisc h e n Tran s - p o r ten . " 142. 0 0 0 - 1 4 5 . 0 0 0 Anfa n g s [sic] Septe mb e r 1943 , 3.00 0 Jude n aus poln is c h e n Arbe itslag e r n und russ is c h e Krieg s - g e f a n g e n e . " 148. 0 0 0 - 1 5 2 . 0 0 0 In der Woch e nach dem 7. Septe mb e r 1943 trafen Familien tran s p o r te mit Jud en aus Ther e s ien s tad t ein. Es war für uns ganz unve r s tän d lich , dass dies e Tran s p o r te eine noch nie dage w e s e n e Ausn a h mes te llu n g gen o ssen . Die Familien wurd en nich t getren n t, kein einz ig e r von ihne n kam zur sons t selb s t- v e r s tän d lich e n Verg a s u n g . Ja sie wurd e n gar nich t gesc h o r e n und wurd e n so wie sie geko mmen sind , Männ e r , Frau e n und Kind e r zusammen , in ein em abg eteilten Lag er- a b s c h n i t t unter g e b r a c h t und durft e n sogar ihr Gepä c k beha lten . Die Männ e r muss te n nich t zur Arbei t , für die Kinde r wurde sogar eine Schu le unte r der Leitu n g von Fred y Hirs c h (Mak a b i, Prag ) gesta ttet und hatten soga r freie Schre i b b e w i l l i g u n g . Sie wurden ledig l i c h durch ihren “Lager ä l t e s t e n ” , eine[n ] reichs - d e u ts c h e n Beru f s v e r b r e c h e r namen s Arno Böhn , Häft l i n g s n u mmer 8, einem der gröss t e n Band iten im Lage r , in uner h ö r ter Weise schik a n ie r t. Unser e Verw u n d e r u n g ist noch gestieg e n , als wir nach einig e r Zeit das offizie l l e Verzei c h n i s dieser Transp o r t e zu sehe n beka men , dess e n Aufs c h r if t laute te : “SB — Transpo r t tschec h i s c h e Juden mit 6[-] monatlich er Quaran tän e” 133 Wir wuss te n sehr gut, was “SB” (Son - d e r b e h a n d lu n g ) bede u te t, konn te n uns aber die Beha n d lu n g s w e is e und über a u s lang e Quar a n tän e z e it von 6 Mona ten nich t erklä r e n , zumal die höchst e Quaran t ä n e - F r i s t , nach unse r e n besc h e id e n e n Erfa h r u n g e n 3 Woch e n nie übersch ritten hat. Wir wurd en stu tzig . Je meh r sich aber die 6-mo n atlich e Quaran tän e- F r is t ihre m Ende nähe r te , umso meh r gewa n n e n wir die Über z e u g u n g , dass auch das Los dies e r Jude n in der Gask a mmer ende n wird . Wir such ten Geleg e n h e it, mit den Leiter n dies e r Grup p e in Verb in d u n g zu kommen . Wir habe n es ihne n klar g e leg t, wie es um sie steht und was sie zu erwar te n haben . Einig e von ihne n , insb e s o n d e r e Fred y Hirs c h , der auge n s c h e in lich das Vertr a u e n sein e r Lag erg en o ssen hatte, hab en uns mitg eteilt, dass sie für den Fall, dass sich unser e Befü r c h t u n g e n bewa h r h e i t e n sollte n , einen Wide r s tan d orga n is ie r e n werd e n . Die Leute des “Son d e r k o mman d o s ” sagte n uns zu, dass im Falle sich die tschech i s c h e n Juden zur Wehr setze n werde n , sie sich ihnen auch ansc h lies s e n werd e n . Einig e glau b te n auf diese Art eine Gener a lr e v o lte im Lager insz e n ier e n zu könn e n . Am 6. März 1944 erfu h r e n wir, dass die Krema to r ien zur Aufn a h me der tsch e c h is c h e n Jude n vorb e r e itet werd en . Ich eilte zu Fred y Hirsch , um ihm dies mitzu te ilen und bat ihn eind r in g lich zu hand e ln , da sie ja nich ts mehr zu verlier e n hätten . Er antwo r tete mir, er wisse was sein e Pflich t sei. Vor Aben d sch lich ich wied er zum 134 tschec h i s c h e n Lager , da erfuhr ich, dass Fredy Hirsch im Sterb en lieg t. Er hat sich mit Lumin a l verg if tet. Am nächs te n Tag, am 7. März 1944 , wurd e er im bewu s s tlo s e n Zusta n d e mit sein e n 3.79 1 Gefä h r ten , die am 7.IX . 1 9 4 3 nach Birk e n a u kamen , mit Lasta u to s zu den Krema to r ien gebr a c h t und verg a s t. Die Juge n d fuhr sing e n d in den Tod. Es hat zu unse r e r grös s te n Enttäu s c h u n g kein e n Wide r s tan d gege b e n . Die Männ e r des Sond e r k o mman d o s , die ent- s c h lo s s e n ware n , mitzu tu n , habe n verg e b lich gewa r te t. Etwa 500 älter e Pers o n e n star b e n noch währ e n d der Quaran tän ezeit. Nur 11 Zwillin g s p aare wurd e n von dies e n Jude n am Lebe n gelas s e n . An diese n Kinde r n werde n in Ausch w i t z vers c h ied e n e mediz in is c h e Vers u c h e durc h g e f ü h r t. Als wir Birk e n a u verlies s e n , ware n dies e noch am Lebe n . Unter den Verg a s ten befa n d sich u. a. aus der Slow a k e i stammen d auch Rozsi Fürst aus Sered. Eine Woche vor der Verga s u n g , also am 1.3.1 9 4 4 muss te n alle Lage r in s a s s e n an ihre Ange h ö r ig e n im Ausla n d e über ihr Wohlb e f in d e n schr e ib e n . Die Brief e muss te n mit dem Datu m von 23.- 2 5 . März 1944 vers e h e n werd e n . Es wurde ihne n aufg e tr a g e n , Pake tse n d u n g e n von den Ange h ö r ig e n im Ausla n d e zu verla n g e n . ca. 153. 0 0 0 - 1 5 4 . 0 0 0 1000 poln is c h e Arier aus dem Zuch th a u s Pawia k . " 155. 0 0 0 - 1 5 9 . 0 0 0 Im Okto b e r und Nove mb e r 194 3 , 4.0 0 0 Pers o n e n aus dive r s e n Zuch th ä u s e r n und 135 klein e r e Tran s p o r te von Jude n aus Benz b u r g und Umge b u n g , die aus ihre n Vers te c k e n ausg e h o b e n wurd e n , fern e r eine Grup p e von Schu tz r u s s e n aus dem Gebie t Mins k - W iteb s k . Es kamen auch russis c h e Krieg s g e f a n g e n e , die wie bere its erwä h n t, Nummer n von 1 bis 12.0 0 0 erhie lten . ca. 160. 0 0 0 - 1 6 5 . 0 0 0 Im Deze mb e r 1943 , 5.00 0 Männ e r aus Tran s p o r ten von vorw ie g e n d hollän d is c h e n , fran z ö s is c h e n , belg isc h e n und zum erste n Male auch italien is c h e n Jude n aus Fiume , Tries t und Rom. Minde s te n s 30.0 0 0 Pers o n e n aus diese n Tran s p o r t e n wurd e n sofo r t verg a s t . Die Mortalität unter diesen Jud en war eno r m gros s . Auss e r d e m wütete noch immer das System der Selek tio n . Diese Bestialität erre ich te ihre n Höhe p u n k t um den 10. und 24. Jänn e r 1944 , als man auch kräf tig e , gesu n d e Juge n d , ohne Rück s ic h t auf Beru f und Arbe itse in te ilu n g —bis auf Ärzte — selek tierte. Alles musste antret e n , es wurde streng kontr o l l i e r t , ob alles anwes e n d ist, dann wurde die Selek tio n durc h den Lage r a r z t (Soh n oder Neff e des Poliz e ip r ä s id e n ten von Berlin ) und den Lage r f ü h r e r von Birk e n a u , SS- U n ter s tu r m- f ü h r e r Schw a r z h u b e r vorg e n o mmen . Die Jude n , die sich im “Kra n k e n b a u ” befa n d e n , der inzw isc h e n vom Bloc k 7 in eine sepa r a te Abteilu n g über s ied e lte und wo in der letzten Zeit verh ä ltn is mäs s ig anne h mb a r e Be-d in g u n g e n herrs c h t e n , wurde n restl o s verga s t . Ausse r 136 dies e n wurd e n info lg e dies e r Aktio n 2.50 0 Männ e r und über 6.00 0 Frau e n vom Fraue n l a g e r in die Gaska mmer n gebra c h t . " 165. 0 0 0 - 1 6 8 . 0 0 0 Am 20. Deze mb e r 1943 kamen wied e r 3.00 0 Jud en aus Theresien s tad t. Die Tran sp o r tliste träg t dies e lb e Aufs c h r if t wie bei denen , die am 7. Septe mb e r ange k o mmen sind : “SB- T r a n s - p o r t, tsch ech isch e Jud en mit 6 mon atlich er Quar a n tän e ” . Nach ihre r Anku n f t wurd e n sie, Männ e r , Frau e n und Kind e r in dem Lag erab s ch n itt, zu den im Sep temb er ange k o mmen e n logie r t. Sie genie s s e n alle Begü n s tig u n g e n , eben s o wie ihre Vorg ä n g e r . 24 Stun d e n vor der Verg a s u n g der erste n Grupp e wurde n sie in das zufäl l i g leers t e h e n d e Nebe n q u a r ta l gebr a c h t und auf dies e Weise von der Grup p e abge s o n d e r t. Noch heute befind e n sie sich in diesem Quarta l . Nachde m nach der Verg a s u n g der erste n Grup p e kein e Zweif e l mehr darü b e r beste h e n , was man mit ihne n plan t, bere iten sie sich scho n heute auf Wide r s tan d vor. Die Orga n is ie r u n g des Wide r s tan d e s wird von Ruze n k a Lauf s c h n e r , Prag und Hugo Lang s f e ld , Prag , durc h g e f ü h r t. Sie besc h a f f e n sich lang s a m Bren n s to f f und beab sich tig en im Ern stfalle die Blo ck s ihres Quar tals anzu z ü n d e n . Ihre Quar a n tän e - F r is t läuf t am 20. Juni 1944 ab. " 169. 0 0 0 - 1 7 0 . 0 0 0 1.00 0 Pers o n e n in di ve r s e n klein e r e n Grup p e n , Jude n , Polen und Schu tz r u s s e n . " 170. 0 0 0 - 1 7 1 . 0 0 0 1.00 0 Polen und Schu tz r u s s e n , auch eine Anza h l von Jugo s law e n . " 171. 0 0 0 - 1 7 4 . 0 0 0 Ende Febr u a r - A n f a n g März — 3.00 0 Jude n aus Hollan d , Belg ien und zum erste n Male 137 altan s ä s s ig e fran z ö s is c h e Jude n (nich t natura l i s i e r t ) aus Vichy — Frankr e i c h . Der über a u s grös s e r e Teil dies e r Tran s p o r te wurd e nach Anku n f t sofo r t verg a s t. Mitte März kam eine kleine Gr up p e von Benz b u r g e r und Sosn o w i t z e r Jude n , die aus ihre n Vers te c k e n ausg e h o b e n wurd e n . Von eine m erfu h r e n wir, dass sich viele poln is c h e Jude n nach der Slow a k e i und von dort nach Unga r n retten und dass ihne n hie[ r ]b e i die slow a k is c h e n Jude n helf e n . Nach der Verg a s u n g des Ther e s ien s tad te r Tran s p o r tes hatten wir bis zum 15. März 1944 kein e n Zuwa c h s . Der Lage r s tan d sank , wesh a lb dann alle Männ e r von fortlau f e n d anko mme n d e n Tran s p o r ten von insb e s o n d e r e hollän d is c h e n Jude n , in das Lage r ge br a c h t wurd e n . Wir verlies s e n das Lage r am 7. April 1944 und hörten noch , dass gros s e Tran s p o r te mit grie c h is c h e n Jude n anko mmen . 138 Das Lag er Birk en au besteh t aus drei Bau ab sch n itten . Derzeit sin d nur die Bauab s c h n i t t e I und II durch die kl eine Posten k e t t e umgebe n , weil der Absch n i t t III sich noch im Bau befin d e t und unbew o h n t ist. Zur Zeit, als wir Birk e n a u verlies s e n (Anf a n g April 1944 ) war das Lage r wie folg t beleg t: Bauabs c h n i t t I. (Frau e n k o n z e n t r a t i o n s l a g e r ) ___ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ Slow. J u d e n ande r e Jude n Arier Anmer k u n g _ _ _ _ Ia und Ib ca. 300 ca. 7.00 0 ca. 6.00 0 Auss e r den 300 slowak i s c h e n jüdis c h e n Mädc h e n sind noch ca. 100 im Stabsg e b ä u d e Ausch w itz Bauab sch n itt II IIa Quar a n tän e - 2 ca. 200 ca. 800 Unter den 2 lager slowak i s c h e n Juden Dr. Andr e a s Müller aus Podo - lin ec, Blo ck ältester IIb Jude n aus There s ien s tad t - ca. 3.50 0 - Mit Quar a n tän e f r is t von 6 Mona ten . IIc drzt. unbe leg t - - - IId Stammla g e r 58 ca. 4.00 0 ca. 6.00 0 IIe Zige u n e r la g e r ca. 4.50 0 Das ist der Rest von 16.0 0 0 Zige u n e r n . Sie werde n zur Arb eit nich t verw e n d e t, ster b e n rasch aus. IIf Häftl i n g s - krank e n b a u 6 ca. 1.00 0 ca. 500 Die 6 slow . Jude n sind alle Funk tio - 139 näre im Häftlin g s - k r a n k e n b a u u. zw. No. 36.83 2 Walter Spitz e r — Block ä ltes te r aus Nemso v a aus Lubli n nach Birke n a u gekommen . " 29.86 7 Joze f Neuma n n (“Le ich e n c a p o ” ) aus Snin a . " 44.98 9 Joze f Zelma n o v ic “Per s o n a l” aus Snin a . " Chaim Katz “Person a l ” aus Snina " 32.40 7 Ludw ig Eise n s täd te r , Täto w ie r e r aus Krempa c h y . " 30.04 9 Ludw ig Solma n n “Sch r e ib e r ” , Kezma r e k Die inner e Verw a ltu n g des Lager s Birk e n a u erfo lg t durc h hie[ r ]z u bestimmte Häftlin g e. Die Blo ck s werd en nich t nach Natio n alitäten bewo h n t, sond e r n vom Gesic h ts p u n k te der gleic h e n Arbe itse in te ilu n g (Arb e its - K o mman d o ) . Ein jede r Bloc k hat 5 Funk tio n ä r e u. zw. ein Block ä ltes te r der Block s c h r e ib e r der Pfleg e r 2 Stube n d ie n s te Der Block ä ltes te trägt eine Binde am linken Arm mit der Bezeic h n u n g seines Blocks : Block No . . . . . Er ist für die allge me i n e Ordnu n g im Block veran t w o r t l i c h , ist in sein e m Bloc k Herr über Lebe n und T od. Bis Febr u a r 1944 ware n etwa 50% aller Bloc k ä ltes te n Jude n , dann kam aus Berlin die Dire k tiv e , wona c h Jude n dies e n Poste n nich t bekle id e n dürf e n . Sie wurd e n also bis auf 3 slowa k is c h e Jude n , die dies e n Poste n trotz des Verb o te s weiter beha lten konn te n , abge lö s t. Die drei slow a k is c h e n Jude n sind : Arnost Rosi[n] (Hacek) , Zilina — Blockältester im Block 24, Aufr ä u mu n g s k o mman d o und Benz b u r g e r Hand w e r k e r . Dr. Andr e a s Müller , Podolin e c — Block ä ltes te r im Bloc k 15, Quara n t ä n e l a g e r . 140 Walter Spitz e r , Nemso v a — Block ä ltes te r im Bloc k 14 — Kra n k e n b a u . Der Block s c h r e ib e r ist ausfü h r e n d e s Orga n des Block ä ltes te n , er macht alle angeo r d n e ten schri f t l i c h e n Arbei t e n , führt den St and und die Kartei . Die Arbeit des Blocks c h r e i b e r s ist sehr verant w o r t u n g s v o l l . Der jeweil i g e Stand ist pein lich gena u zu führ e n . Die Häftlin g e werd e n nach ihre n Nummer n und nicht nach ihren Namen in Evide n z geha lt e n , weshal b sich ein Irrtum leicht eins c h leich e n kann . Dies kann aber verh ä n g n is v o ll werd e n . Hat der Block s c h r e ib e r eine Nummer irrtü mlich e r w e is e tot gemeld e t — was bei der gewohn t hohen Mortal i t ä t leicht mög l i c h ist und auch öfter s vorg e k o mmen ist — so wird diese r Fehle r einf a c h dadu r c h gutg e ma c h t, dass der Betreffen d e tatsäch lich nach träg lich hin g erich tet wird . In der ein mal weiter befö r d e r ten Meld u n g kann kein e Korr e k tu r vorg e n o mmen werd e n . Die Bloc k s c h r e ib e r - S telle ist eine Mach tstellu n g im Bloc k und wird häuf ig miss b r a u c h t. Der [Pfle g e r ]- und die Stub e n d ie n s te habe n die manu e llen Arbe iten in und um den Bloc k zu erled ig e n , wobe i von eine r Pfleg e natü r lich kein e Rede sein kann . Über d[em] ganz [ e n ] Lage r steh t der Lager ä ltes te . Er ist auch Häftlin g . Der geg en w ärtig e Lag erälteste in Birk en au ist Häftli n g s n u mmer : 11.18 2 Franz Danis c h , polit i s c h e r Häftlin g aus König s h ü tte, Ober s c h le s ie n . Er ist unein g e s c h r ä n k te r Herr über das ganz e Lage r , er kann Bloc k ä ltes te und Bloc k s c h r e ib e r erne n n e n oder absetz e n , Arbeit s s t e l l e n anweis e n etc. Danisch verhäl t sich auch Jude n gege n ü b e r sehr korr e k t, ist obje k tiv und unbe s te c h lich . Neben dem Lager ä ltes te n steh t der Rappo r ts c h r e ib e r . Er besitzt die gröss te Mach tp o s itio n im Lage r . Er steh t in dire k te r Verb in d u n g mit dem Lage r k o mman d o , inde m er derj e n ig e is t, der die Befe h le der Lage r f ü h r u n g 141 über n immt und ihr auch alle Meld u n g e n ersta ttet. Er übt eine n gros s e n Einf lu s s auf die Lage r f ü h r u n g aus. Ihm unte r lieg e n dire k t alle Bloc k s c h r e ib e r , die ihre Meld u n g e n ihm zu unte r b r e iten habe n . Der Rapp o r ts c h r e ib e r im Lage r Birk e n a u ist: Häftlin g s n u mmer : 31.0 2 9 Kasimir Gork , Pole, ehema lig e r Bank - b e a mt e r aus Warsch a u . Er ist wohl Antise mit, hat aber den Jude n dire k t nich t gesc h a d e t. Die ober e Kontr o lle über die Bloc k s habe n 6-8 “Blo c k f ü h r e r ” inne , dies e sind SS-Män n e r . Durch dies e wird allab e n d lich der Appe ll ange n o mmen , dess e n Erge b n is soda n n ihre m Vorg e s e tz te n : dem Lage r f ü h r e r Unter s tu r mf ü h r e r Schw a r z h u b e r aus Tirol gemeld e t wird . Schwa r z h u b e r ist Alko h o lik e r und Sadis t. Über dem Lag erfü h r er steh t der Lag erk o mman d an t. Er ist gleich zeitig Lag er- k o mman d a n t von Ausc h w itz. Das Konz e n tr a tio n s lag e r Ausc h w itz hat eben - f a lls eine n Lage r f ü h r e r , der de m gemein s a men Lage r k o mman d a n te n Ausch w itz-Birk en au unterstellt ist. Der Lag erk o mman d an t heisst: Höss. Führ e r des Arbe itsk o mman d o s (Arb e its g r u p p e ) ist der Capo . Währ e n d der Arbe it ist der Capo die höch s te Auto r ität, er verf ü g t vollk o mmen über die ihm unterstellten Häftlin g e. Es ist nich t selten , dass der Cap o ein en ihm unterstellten Häftlin g wäh r en d der Arb eit ersch läg t. Bei grös s e r e n Komman d o s gibt es mehr e r e Capo s , über welch e n dann der Ober c a p o steh t. Frühe r ware n häuf ig auch Jude n Capo s , eine Verf ü g u n g aus 142 Berlin hat dies jedo c h verb o te n . Ein Jude hat dies e n Poste n denn o c h beib e h a lten könn e n , es ist ein gewis s e r : Roth aus Mich a lo v c e , Insta llateu r von Beru f . Die höch s te Arbe itsk o n tr o lle wird durc h deuts c h e Fach leu te durc h g e f ü h r t. 143 II. [Alfre d Wetzl e r ] Am 14. Juni 1942 verl i e s s e n wir N ovak y , passi e r t e n Zilin a und kamen gege n 5 Uhr aben d s in Ward o n an. Dort muss te n wir auss te ig e n und wurd e n gezä h l t . Der Tran s p o r t wurd e von SS-M ä n n e r n über n o mmen . Der eine SS-Man n hat sich sehr darü b e r aufg e r e g t, dass wir ohne Wass e r fuhr e n , inde m er die laute Bemer k u n g mach te: “Dies e Barb a r e n - S lo w a k e n , kein Wass e r gege b e n ! ” Die Fahr t ging dann weiter , nach zwei Tage n kamen wir in Lublin an. In Lublin wurd e der Befe h l gege b e n : “Arb e its f ä h ig e zwisc h e n 15 und 50 Jahr e n auss te ig e n , Kind e r und Alte sollen im Wagg o n bleib e n . ” Wir sind ausg e s tieg e n . Die Statio n war von Litau e r n in SS-U n if o r men umge b e n , die mit Masc h in e n p is to le n bewa f f n e t ware n . Die Wagg o n s , in welch e n sich die Arbe its u n f ä h ig e n , Kind e r und Alte befa n d e n , wurd e n sofo r t gesc h l o s s e n und der Zug fuhr ab. Wohin und was mit ihne n gesc h e h e n ist, wiss e n wir nich t. Der komman d ie r e n d e SS-S c h a r f ü h r e r sagte uns, dass wir eine n län g eren Weg vor uns hab en . Wer sein Gep äck mitn eh men will, kan n es tun, wer hing e g e n nich t, kann es auf eine n bere itsteh e n d e n Lastw a g e n aufla d e n , diese r wird besti mmt anko mmen . Ein Teil unser e s Tran s p o r tes hat sein Gep äck mitg esch lep p t, der a nde r e Teil auf den Wage n aufg e la d e n . Gleic h hinte r der Stad t lag eine Fabr ik “Bek leid u n g s w e r k e ” . Am Hofe der Fabr ik stan d e n etwa 1.00 0 Mens c h e n in Reih e n , mit schmu tz ig e n , gestreiften Häft-lin g s k leid ern , sie wa rteten auf das Mittag essen . Dieser Anblick — wir erka n n te n , dass es Jude n ware n — war nich t allzu hoff n u n g s e r r e g e n d . Ganz plötz lich erblick te n wir von eine r Höhe das ries e n h a f t gros s e Bara c k e n lag e r Majd a n e k , umge b e n von eine m 3 m hohe n Stac h e ld r a h tz a u n . Kaum pass ie r te ich das Lage r to r , da sah ich den Trnav a e r Maco Winkl e r , der mich sofo r t darau f aufme r k s a m macht e , dass hier eine m jede n alles abge n o mme n wird . Ring s um uns stan d e n slow a k is c h e Jude n in verwa h r lo s tem Zusta n d e , abge s c h o r e n , alle in schmu tz ig e n Häftlin g s k le id e r n , mit Holz s c h u h e n oder barf u s s , abger is s e n , sehr viele mit gesch w o llen e n Füsse n . Sie haben 144 gebe ttelt, dass wir ihne n etwa s von unse r e m Prov ia n t sche n k e n sollen . Was mög lich war, hab en wir unter ihn en verteilt, weil uns ja gesag t wurd e, dass uns alles abge n o mmen wird . Wir wurd e n zur Effe k te n - K a mmer gefü h r t, wo wir alles , was wir bei uns hatten , abge b e n muss te n . Dann wurd e n wir im Lau f sch r itt zu ein er and eren Barack e gej ag t, wo wir uns ausk leid eten , unse r e Haar e wurd e n gesc h o r e n , wir mu sste n unte r eine Dusch e , erhie lten dann Häftlin g s w ä s c h e und Kleid e r , Holzs c h u h e und eine Mütz e . Ich wurd e auf das sog en an n te “Arb eitsfeld 2” zug eteilt. Das gan ze Lager besta n d nämli c h aus 3 vonei n a n d e r durch Draht z a u n abget e i l t e [ n ] Arbe itsf e ld e r n . Das Arbe itsf e ld 2 war von slow a k is c h e n und tsch e c h is c h e n Jude n bese tzt. Zwei Tage hind u r c h wurd e n wir darin unte r w ie s e n , wie wir die Mütz e zum Grus s abne h me n und wied e r aufz u s e tz e n habe n , wenn wir eine m Deuts c h e n bege g n e n . Da nn wurd e n im strö men d e n Rege n stun d e n la n g e Appe lls abge h a lten . Die Bara c k e n e in r ich tu n g war ganz orig in e ll. Drei lang e Tisc h e (fas t so lan g wie die Barack en län g e) waren aufein an d er gestellt. Diese 4 Etag en (Fus s b o d e n und drei Tisc h e ) dien ten als Nach tlag e r . Um die Tisc h e entlan g der Wände wurd e ein schma le r Gang freig e la s s e n . Zum Essen beka men wir in der Früh eine “Supp e ” . Sie war ziemlich dicht und musst e mit der Hand geges s e n we rden. Mittag[s] eine ähnliche Supp e , am Aben d soge n a n n te n Tee und 30 dkg, unge n ie s s b a r schle c h tes Brot. Ausser d e m 2-3 dkg. Marmel a d e oder Kunst f e t t , ärgst e r Quali t ä t . Das grös s te Gewic h t wurd e in den erste n Tage n auf die Erler n u n g der “Lag e r h ymn e ” geleg t. Stund e n la n g stan d e n wir und muss te n sing e n : Aus ganz Euro p a kamen Wir Jude n nach Lublin Viel Arb eit gib t's zu leisten Und dies ist der Begin n Um diese Pflich t zu meistern Verg is s Verg a n g e n h e it Denn in der Pflich te r f ü llu n g Lieg t die Gemein samk eit 145 Drum rüstig an die Arbe it Ein jede r halte mit Gemei n s a m wolle n wir schaf f e n Im gleich en Arb eitssch r itt Nich t alle wollen beg r eifen Wozu in Reihen wir stehen Die müss e n wir dann zwin g e n Dies alles zu versteh e n Die neu e Zeit muss alle Uns alle stets belehren Dass wir scho n nur der Arbe it Der Arbe it ange h ö r e n Drum rüstig an die Arbe it Ein jede r halte mit Gemei n s a m wolle n wir schaf f e n Im gleich en Arb eitssch r itt. Das Arbe itsf e ld I. war durc h slow a k is c h e Jude n bese tzt, " " II. durch slow a k is c h e und tsch e c h is c h e Jude n , " " III. durch Parti s a n e n " " IV. und V. wurd e von den Jude n der Arbe itsf e ld e r I. und II. geba u t. Die Partisa n e n im Arbeits f e l d III. waren in ihren Barac k e n einge s p e r r t , habe n nich t gear b e itet, das Esse n wurd e ihne n wie Hund e n hing e w o r f e n . Die Wach e trau te sich nich t in ihre Näh e. Sie starb en in ihren überfü llten Bara c k e n mass e n h a f t und wurd e n seiten s der Wach e bei allen möglich e n Geleg e n h e iten besc h o s s e n . Die Capo s ware n Reich s d e u ts c h e und Tsch e c h e n . Die erste r e n ware n bruta l, währ e n d die Tsch e c h e n , wo es ihne n nur möglich war, half e n . Der Lager ä ltes te war ein Zigeu n e r aus Holic, namen s Galb a v y, sein Stellv ertreter der Sered er Jud e Mittler. Wahr sch ein lich hat Mittler sein e Stellu n g sein e m bruta le n Vorg e h e n zu verd a n k e n geha b t. Er hat sein e Mach tp o s itio n dazu benü tz t, um die scho n ohne h in schw e r gepr ü f ten Jude n noch mehr zu pein ig e n , er schlu g und schik a n ie r te sie, wo er etwa s Böse s 146 anste llen konn te , hat er es nich t vers ä u mt. Bei den allab e n d lich e n Appe lls wurd e n wir von den SS-Män n e r n auf bruta ls te Weise schik a n ie r t. Stun d e n la n g muss te n wir drau s s e n steh e n , nach der schw e r e n Arbe it und musste n die “Hymn e ” sing e n , wobe i ein jüdis c h e r Kape llme is te r vom Dache eine s Haus e s unte r hellem Gelä c h ter der SS-Män n e r dirig ie r e n muss te . Bei dies e n Anläs s e n lies s e n es die SS-Män n e r an körp e r lich e n Züch tig u n g e n nich t fehle n . Auf trag isc h e Weise ende te der Sere d e r Rabb in e r Ecks tein . Er kam einma l einig e Minu te n vers p ä tet zum Appe lle, weil er Diar r h ö e hatte und am Klos e tt war. Der Scha r f ü h r e r lies [ s ] ihn hierau f zweimal nachei n a n d e r mit de m Kopf nach unte n tief in die Klos e ttmü n d u n g tauc h e n , wora u f er i hn mit kaltem Wass e r abgo s s , sein e n Revo lv e r zog und ihn ersc h o s s . Zwisc h e n dem Arbe itsf e ld I. und II. stan d das Krema to r iu m. Dort wurd en die Leich en verb ran n t. Die Mortalitätsziffer pro Feld betru g bei eine r Gesa mtz a h l von 6-8. 0 0 0 Pers o n e n etwa 30 pro Tag, späte r hat sich dies e Zahl auf das fünf - und sech s f a c h e geho b e n . Dann wied e r h o lten sich Fälle, dass man aus dem Maro d e n z immer 10-2 0 Kran k e in das Krema to r iu m brac h te, wo sie auf eine mir unbe k a n n te Art umge b r a c h t und dann verb r a n n t wurd e n . Es war ein durc h elek tr is c h e n Stro m gehe iztes Krema to r iu m, bei welch e m Russe n besch ä f tig t waren . Zufolg e der unmö g lich e n Kost und der sons tig e n sehr schle c h ten Lebe n s b e d in g u n g e n verme h r te n sich a llmä h lich die Kran k h e iten . Ausse r den schw e r e n Mage n e r k r a n k u n g e n gras s i e r te im Lager [ein unheilb a r e s Fuss ö d e m]. Die Mens c h e n beka men gesc h w o llen e Füss e und konn te n sich nich t bewe g e n . Man bega n n dies e Kr an k e n in immer grös s e r e r Anza h l in das Krema to r iu m zu führ e n . Als dann am 26. Juni 1942 die Zahl der im Krema to r iu m umge b r a c h ten Kran k e n auf 70 stieg , besc h lo s s ich die sich mir eben bieten d e Gelege n h e i t auszu n ü t z e n , und mich freiw i l l i g zur Vers e tz u n g nach Ausc h w itz zu meld e n . Am 27. Juni 1942 führ te ich die Strä f lin g s k le id e r ab, erhie lt Zivilk leid e r und fuhr mit eine m Tran s p o r t nach Ausc h w itz. Nach eine r Fahr t von 48 Stun d e n , welch e wir im Wagg o n eing e s c h lo s s e n , ohne Esse n und Tri n k e n verb r a c h t habe n , kamen wir halb to t in Ausc h w itz an. Am Eing a n g s to r begr ü s s te uns die gros s e 147 Aufschr i f t “Arbei t macht frei”. Der Hof war rein , geor d n e t, die Ziege l b a u t e n macht e n auf uns n ach den schmu t z i g e n und primi t i v e n Bara c k e n in Lublin eine n sehr gute n Eind r u c k . Wir dach ten eine n gute n Taus c h gema c h t zu habe n . Wir wurd e n sofo r t in eine n Keller gefü h r t, beka men Tee und Brot. Am näch s te n Tag wurd e n uns die Zivilk leid e r abge n o mmen , wir wurd e n rasie r t, unse r e Häftlin g s n u mmer n wurd e n uns am link e n Unter a r m eintä to [ w ]ier t, schlies s lich erhie lten wir ähnlich e Häftlin g s k le id e r , wie wir sie in Lublin hatten und nach d e m unse r e Pers o n a lien aufg e n o mmen ware n , wa re n wir rege lmä s s ig e soge n a n n te “po litisch e Häftlin g e” im Kon zen tratio n s lag er Ausch w itz. Wir wurd e n im Bloc k 17 unte r g e b r a c h t, wo wir auf dem Fuss b o d e n zu lieg e n hatten . In eine r Häus e r r e ih e , welch e von uns durc h eine Maue r getr e n n t war, ware n die jüdis c h e n Mä dc h e n aus der Slowa k e i, die im März und April 1943 nach Ausc h w itz gebr a c h t wurd e n , unte r g e b r a c h t. Als Arbe itsp la tz wurd e uns die Baus telle des enor m gros s e n Fabr ik o b j e k tes “Bun a ” zuge w ie s e n . Um 3 Uhr früh wurd e n wir zu der Arbe it getr ieb e n . Zu Essen bekamen wir mittag s eine Karto f f e l - oder Steck r ü b e n s u p p e , am Aben d Brot. Währ e n d der Arbe it wurd e n wir fürc h te r lich miss h a n d e lt. Da die Arbe its s te lle auss e r h a lb der gros s e n Poste n k e tte lag, wurd e der Arbe i t s p l a t z auf Quad r a t e von 10 x 10 m geteilt . Jedes Quadrat wurde durc h eine n SS-Man n bewa c h t. Wer währ e n d der Arbe it die Gren z lin ie seine s Quadr a t e s übers c h r i t t , wu rd e ohne Warn u n g “auf der Fluc h t ersc h o s s e n ” . Es kam oft vor, dass der SS-Man n eine m Häftlin g die Weisu n g gab, ein Werk z e u g oder eine n Gege n s tan d , welch e r jens e its des Quad r a ts tr ich e s lag, zu hole n . Wenn dann der Häftlin g den Befe h l befo lg te, wurd e er wege n Über tr e tu n g der Gren z lin ie ersc h o s s e n . Die Arbe it war sehr schw e r , man gewä h r te uns kein e Ruhe p a u s e . Der Weg aus der Arbeit musste in strammer, militä r i s c h e r Ordn u n g zurü c k g e l e g t werde n , wer aus der Reihe trat, wurde ersch o s s e n . Zur Zeit, als ich auf diese Arbe its s te lle kam, arbeiteten dort et wa 3.00 0 Pers o n e n , daru n te r ca. 2.00 0 slow a k is c h e Jude n . Die harte Arbe it, ohne Nahr u n g und Rast, habe n aber sehr wenig e von uns ausg e h a lten . Fl uch tv e r s u c h e , obwo h l dies e fast gar keine Aussi c h t auf Erfol g hatte n , wa re n an der Tage s o r d n u n g . Wöche n t l i c h wurd e n einig e gehä n g t. 148 Nach einig e n Woch e n qualv o ller Arbe it an der Baus telle “Bun a ” , brac h im Lager plötz lich eine fürc h te r lich e Flec k typ h u s - E p id e mie aus. Die abge s c h w ä c h ten Häftlin g e fiele n zu hunde r te n . Lager s p e r r e wurd e angeo r d n e t und die Arbei t e n am “Buna ” wurden einges t e l l t . Die noch am Lebe n Geblieb e n e n von dies e r Arbe its s t e lle wurd e n Ende Juli 1942 in die Kies g r u b e gesc h ic k t. Die Arbe it war hier womö g lich noch schw e r e r , als die am “Bun a ” . Mit unse r e n abge s c h w ä c h ten Kräf ten konn te n wir beim besten Willen keine Leistu n g her v o r b r i n g e n , die unse r e Aufs e h e r zufriedengestellt hätte. Die meisten von uns beka men gesc h w o l l e n e Füss e . Unse r Komman d o wurd e dahe r ang ez e i g t , dass wir faul sind und unord e n t l i c h arbei t e n . Es kam eine Kommis s i o n , ein jede r von uns wurd e eing e h e n d unte r s u c h t. Alle jene , die gesc h w o llen e Füss e hatten oder nich t ganz sich e r auftr e ten konn te n , wurd e n sepa r ie r t. Obwoh l ich in den Füss e n furc h tb a r e Schme r z e n vers p ü r te, habe ich mich behe r r s c h t und trat stra mm vor die Kommis s io n . Ich wurd e für gesu n d befu n d e n . Von 3.00 9 Pers o n e n wurd e n ca. 200 für kran k befu n d e n . Sie wurd e n sofo r t nach Birk e n a u gesc h ic k t und im Birk e n w a ld verg a s t. Ich wurd e dann zur Arbe it in die DAW (Deu tsc h e Aufr ü s tu n g s w e r k e ) komman d ie r t. Wir hatten dort Skier mit Farb e anzu s tr e ich e n . Die vorg e s c h r ieb e n e Anza h l war täglich minimu m 120 Stück . Wer diese s Quan tum nicht fertigstellte, wurde am Aben d tüch tig durc h g e p r ü g e lt. Man muss te scho n fleis s ig zugr e if e n , um den Prüge l n zu entge h e n . Eine ander e Grupp e stell t e Kiste n für Granat e n her. Als einma l 15.00 0 solc h e r Kiste n ferti g waren , stellte es sich heraus, dass sie um einige Zentimeter zu klei n waren . Hiera u f wurde eine Anzah l von jüdi s c h e n Häft l i n g e n , darunt e r ein gewiss e r Erdély i (er soll in Banovc e Verw a n d te habe n ) wege n Sabo ta g e ersc h o s s e n . Mitte Augu s t 1942 wurd e n die jüdi s c h e n Mädch e n aus der Slowa k e i , die jens e its der Maue r unte r g e b r a c h t wa re n , nach Birk e n a u über f ü h r t. Ich hatte sie kurz spre c h e n könn e n . Sie ware n sehr hera b g e k o mmen und ausg e h u n g e r t. Sie ware n mit zerf e tzten alten russ is c h e n Unif o r men bekle id e t und trug e n Holzs c h u h e oder ging e n barf u s s heru m. Die Haar e hatten sie abge s c h o r e n und ware n ganz verw a h r lo s t. Am selb e n Tage wurd e n wir alle wiede r stren g unter s u c h t, alle Fleck typ h u s v e r d ä c h tig e n 149 wurd e n nach dem Birk e n w a ld gesc h ic k t, wir Gesu n d e n wurd e n nack t in die Ubik a tio n e n , die die Mädc h e n eben ge rä u mt habe n , einq u a r tier t. Man hat uns aufs neue total rasie r t, gebad e t und [wir ] beka men neue Kleid e r . Ich erfuh r zufäl l i g , dass beim “Aufr ä u mu n g s k o mman d o ” Plät z e frei gewor d e n sind. Ich habe mich gemel d e t und wurde [da]h i n zuget e i l t . Das “Aufr ä u mu n g s k o mman d o ” zählt e 100 Häftl i n g e , aussc h l i e s s l i c h Jud en . Wir wurd en in ein e völlig abg eteilte Eck e des Lag ers geb r ach t, wo ries ig e Berg e und volle Maga z in e von Ruck s ä c k e n , Koff e r n und aller h a n d Gepä c k ware n . Unser e Arbe it besta n d darin , dies e s Gepä c k zu öffn e n und die darin befin d lich e n Gege n s tän d e in Koff e r n , bzw. sepa r a ten Maga z in e n zu sortier e n . Es gab also Koff e r mit Kämmen , Spieg e ln , Zuck e r , Kons e r v e n , Scho k o la d e , Medik a men te n . Die Koff e r wurd e n dann laut Sorte n gesta p e lt. Die Wäsc h e und Konf e k tio n wurd e in eine gros s e Bara c k e gebr a c h t, wo dies e durc h jüdis c h e Mädc h e n aus der Slow a k e i sorti e r t und gepac k t wurde n . Dies e Texti l i e n wurde n dann in Waggo n s verla d e n und zum Vers a n d gebr a c h t. Die schle c h ten unbr a u c h b a r e n Kleid u n g s s tü c k e wurd e n an die Adre s s e “Tex tif a b r ik e n , Memel” gesa n d t, währ e n d die brau c h b a r e n irge n d eine m Ankle id u n g s h e im (ich habe die Ansch r ift nich t beib eh alten ) nach Berlin gesch ick t wurd en . Die Werts a c h e n , wie Gold , Geld , Valu ten und Edels te in e , muss te n der polit i s c h e n Abtei l u n g abgef ü h r t werde n . Ein sehr gross e r Teil diese r Gege n s tän d e wurd e aber von der SS Aufs ich t gesto h le n oder ist in die Tasc h e n der hier besc h ä f tig ten Häf tlin g e vers c h w u n d e n . Chef dies e r Sortier u n g s a r b e it, der eine Auto r ität in diese m Fach e gewo r d e n ist, ist Albe r t David o v ic aus Spis s k a Nova Ves, der dies e n Poste n auch heute noch bekle id e t. Komman d a n t der Abteilu n g ist der SS-S c h a r f ü h r e r Wykle f f , ein rohe r bruta le r Mens c h , der auch die Mädc h e n oft verp r ü g e lte. Die Mädc h e n kamen täglich aus Birk ena u an die Arbeit. Sie erzählt e n über die schr e c k lich e n Zustä n d e , die dort herr s c h ten . Sie wurd e n tyrann i s i e r t und geschl a g e n . Die Mort al i t ä t unter ihnen war grösse r als unter den Män n ern . Wöch en tlich zweimal fan d en Selek tio n en statt. Täglich kamen fris c h e Mädc h e n an die Arb eit, an Stelle der Selek tierten oder ande r s Hing e r ic h teten . 150 Anlässlich mein er ersten Nachtschicht hatte ich zum ersten Male die Geleg e n h e it geha b t, zuzu s e h e n , wie die nach Ausc h w itz ange k o mmen e n Tran s p o r te beha n d e lt wurd e n . Es kam ein Tran s p o r t mit poln is c h e n Jude n . Sie hatten in den Waggo n s kein Wasse r und als sie ankamen , hatten sie etwa 100 Tote. Die Wagg o n tü r e n wurd e n geöf f n e t und wir muss te n die von der Reise und den Entbe h r u n g e n völli g ersch ö p f t e n Juden mit einem gros s e n Gesc h r e i aus den Wagg o n s treib e n . Sie wurd e n auch durc h häuf ig e Stoc k h ie b e der SS-Man n s c h a f ten zum rasch e n Auss te ig e n vera n la s s t. Sie wurd e n dann in Fünf e r r e i h e n gest e l l t . Die Waggo n s von den Toten , Halb to ten und von Pake ten zu räume n , war unse r e Arbe it. Die Toten wurd e n auf eine Sammelstelle auf eine n Hauf e n gewo r f e n . Alles , was nich t auf eige n e n Füss e n gehe n konn te , galt als tot. Die Pake te wurd e n auf eine n Hauf e n geleg t und die Wagg o n s muss te n grün d lich gere in ig t werd e n . Es durf te vom Tran s p o r te kein e Spur zurü c k b le ib e n . Eine Kommis s io n der polit i s c h e n Abtei l u n g hat dann ca. 10% Männe r und 5% Fraue n ausg e w ä h lt, die abge f ü h r t und durc h die beka n n te Proz e d u r den Lage r n zugete i l t wurden . Die Restli c h e n wurd e n auf Lasta u t o s verla d e n und nach dem Birk e n w a ld gesc h ic k t, wo sie verg a s t wurd e n . Die Toten und die sich unte r ihne n befin d lich e n Halb to ten wurd e n eben f a lls auf Auto s verla d e n . Dies e wurd e n im Birk e n w a ld dire k t verb r a n n t. Häuf ig wurd e n klein e Kind e r auf die Auto s der Toten gesc h le u d e r t. Die Pake te wurd e n durc h Lasta u to s in die Magaz in e gebr a c h t und dann auf die bereits besc h r ieb e n e Weise sortiert. In der Zeit von Juli bis Septe mb e r 1942 hatte im Lage r Ausc h w itz, aber beso n d e r s im Frau e n lag e r Birk e n a u , die Flec k typ h u s - E p id e mie gewü tet. Die Kran k e n wurd e n über h a u p t nich t beha n d e lt. Anfan g s wurd e n alle Typh u s - V e r d ä c h tig e n durc h Feno lin j e k tio n e n getö tet, späte r mass e n w e is e verga s t . In zwei Monat e n starb e n 15-2 0 . 0 0 0 Häft l i n g e , meis t e n s Jude n . Insbes o n d r e schwer litt das Mädche n l a g e r . Es hatte gar keine sanitä r e n Einri c h t u n g e n , die Mädch e n waren to tal verlau s t . Allwöc h e n t l i c h fanden gros s e Selek tio n e n statt. Die Mädc h e n hatte[ n ] sich hie[ r ]z u , ohne Rücksicht auf die Witter u n g , nackt zu präse n t i e r e n und musst e n jedes ma l mit Todes a n g s t erwa r te n , ob sie selek tier t werd e n oder ob ihne n noch eine Woch e Aufs c h u b gewä h r t werd e n wird . Es gab sehr viele Selb s tmo r d e , die 151 einf a c h so bega n g e n wurd e n , dass man sich aben d s zur klein e n Poste n k e tte bega b und sich an die Hoch s p a n n u n g s leitu n g lehn te . Dies ging so lang e , bis ihre Zahl auf nur ca. 5% des ursp r ü n g lich e n Stan d e s sank . Heute lebe n noch in Ausc h w itz und Birk e n a u nur ca. 400 dies e r Mädc h e n , der grös s te Teil von ihne n konn te sich späte r gute admin is tr a tiv e Poste n im Fraue n lag e r siche r n . Die Eine von ihnen , ei ne gewisse Katja (Famil i e n n a me mir unbek a n n t) aus Povaz s k a Bystr ic a (wo sie Verwa n d te namen s Lang f e ld e r hat) bekle id e t den hohe n Poste n des Ra pp o r ts c h r e ib e r s . Etwa 100 jüdis c h e Mädc h e n aus der Slow a k e i fand e n im Stab s g e b ä u d e in Ausc h w itz Beschä f t i g u n g . Sie verric h t e n da die gesamte schriftliche Arbeit, die mit der Verw a ltu n g der Lage r Ausc h w itz und Birk e n a u zusa mmen h ä n g t. Dank ihrer Spra c h k e n n tn is s e werd e n sie zu Dolme ts c h e r d ien s ten bei Verh ö r e n von fremd s p r a c h i g e n Häftl i n g e n verwe n d e t . Teilweise arbeiten sie auch in der Küch e und in der Wäsc h e r e i des Stab s g e b ä u d e s . In der letzten Zeit sind dies e Mädc h e n verh ä ltn is mäs s ig gut gekle id e t, da sie die Möglich k e it hatten , ihre Gard e r o b e aus dem Besta n d des Arbe itsk o mman d o s entsp r e c h e n d zu ergän z e n . Häufi g tr age n sie sogar Seide n s t r ü mp f e . Sie lass e n ihre Haar e wied e r wach s e n und es geht ihne n verh ä ltn is mäs s ig gut. Dies kann freil i c h keine s w e g s von den ander e n , einig e tause n d Köpfe zählen d e n Häftlin g e n des Frau e n lag e r s beha u p te t werd e n . Die slow a k is c h e n jüdis c h e n Mädc h e n sind eben die ältes te n Häftlin g e im Fraue n l a g e r . Sie haben bis heute uns ag b e r viel gelit t e n und haben jetzt eine klein e Ausn a h mep o s itio n . Mein e verh ä ltn is mäs s ig gute Einte ilu n g beim Aufr ä mu n g s k o mman d o konn te ich aber nich t lang e beib e h a lten . Nach kurz e r Zeit wurd e ich stra f w e is e nach Birk e n a u vers e tz t, wo ich über 1 1/2 Jahr e verb r a c h te. Am 7. April 1944 gelan g es mir mit mein e m Gefä h r ten zu entk o mmen . 152 Vors ich tig e Schä tzu n g der in Birk e n a u seit April 1942 bis April 1944 verg a s ten Jude n nach Herk u n f ts län d e r n . ___ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ Polen (in Lasta u to s zuge f ü h r t) ca. 300. 0 0 0 " (per Eise n b a h n " ) " 600.0 0 0 Hollan d " 100. 0 0 0 Griec h e n lan d " 45.00 0 Frank r e ic h " 150.0 0 0 Belg ien " 50.00 0 Deuts c h la n d " 60.00 0 Jugos law ie n , Italien , Norw e g e n " 50.0 0 0 Litau e n " 50.00 0 Böhme n , Mähr e n und Öster r e ich " 30.00 0 Slowa k e i " 30.00 0 Div. Lage r fremd län d is c h e r Jude n in Polen " 300.0 0 0 _____ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ ca. 1.765 . 0 0 0 ==================== 153 I I Czeslaw Mordowicz und Arnost Rosin 154 Nach der Fluc h t der zwei slow a k is c h e n Jude n am 7. April 1944 aus Birk e n a u her r s c h te im Lage r gro ß e Auf r e g u n g . 1 Die “politische Abteilung” der Gestap o stellt e eine durchg r e i f e n d e Unte r s u c h u n g an, und die Freu n d e und Vorg e s e tz te n der beid e n Entk o mmen e n wurd e n gena u e s te n s ausg e f r a g t, wenn auch ohne Erfo lg . Da die beid e n eine n Poste n als “Blo c k s c h r e ib e r ” inne g e h a b t hatten , wurd e n alle Jude n , die solch e Funk tio n e n ausf ü h r ten , von dies e n Poste n entf e r n t als Bestr a f u n g oder auch als Vors ich ts ma ß n a h me ; und weil die Gesta p o vermu te te , daß der erfo lg r e ich e Fluc h tw e g durc h den Bl oc k Nr. 3 gefü h r t hatte, wurd e die äuß ere Posten k ette beträch tlich verk ü r zt, so daß sie jetzt mitten durch den Bloc k Nr. 3 verlä u f t. Anfa n g April kam ein Tran s p o r t grie c h is c h e r Jude n an, von dene n 200 im Lage r aufg e n o mmen wurd e n . Die übrig e n , unge f ä h r 1.50 0 , wurd e n sofor t verga s t . Zwisc h e n dem zehn te n und fünf z e h n te n April kamen etwa 5.00 0 “Arie r ” in Birk e n a u an, meisten s Polen , unte r ihne n unge f ä h r 2.00 0 bis 3.00 0 Frau e n aus dem verla s s e n e n Lage r Lublin - Ma j d a n e k . Sie wurd e n nume r ier t von unge f ä h r : 1 Die folge n d e einle i t e n d e Bemer k u n g st eht am Anfan g des Beric h t s , den der Krieg s f l ü c h t l i n g s a u s s c h u ß [War Refug e e Board) im Novembe r 1944 der Öffent- l i c h k e i t in Masch i n e n s c h r i f t zur Verfü g u n g stell t e : “On August 6, 1944 a report was recei v e d in Switz e r l a n d cover i n g the happe n i n g s in Birke n a u durin g the perio d betwe e n April 7 and May 27. This sec ond report was drawn up by two other y oung Jews who succe e d e d in escap i n g from this camp and reach i n g Slov a k i a . Their decl a r a t i o n s compl e t e the firs t repo r t , par t i c u l a r l y in rega r d to the arri v a l of the Hunga r i a n Jews in Birke n a u . They also a dd certa i n new detai l s not conta i n e d in the previo u s accoun t s . It has not been possib l e , howe v e r , to check the origi n of this “seco n d repor t ” as close l y as it was the first . ” Wenn der Beric h t von Mordo w i c z und Rosin in der Tat erst im August in die Schwe i z kam, dann irrt Marti n Gilbe r t in seine r Annah m e , daß diese r Beric h t sc hon am 13. Juni zusamme n mit dem Bericht von Vrba und Wetzl e r nach Genf gelan g t e . Vgl. Gilbe r t : Ausch w i t z and the Allie s , S. 231-2 3 5 . Gerha r t Riegn e r teilt e mir in seine m Brief vom 13. Janua r 1994 mit, daß er “nur die Texte der Beric h t e von Vrba-We t z l e r und von dem polnisc h e n Offi z i e r ” besi t z e , die er vom tschec h o s l o w a k i s c h e n Vert r e t e r beim Völke r b u n d (i. e. Jarom i r Kopec k y ) erhal t e n habe. Er kenne den Berich t von Mordow v i c z - R o s i n nich t . 155 176. 0 0 0 bis 181. 0 0 0 Unter den Frau e n ware n etwa 300 jüdis c h e Mädc h e n aus Polen . Der größ te Teil der Neua n k ö mml i n g e war kran k , schw a c h und völl i g heru n te r g e k o mmen . Sie gabe n an, daß die gesu n d e n Mädc h e n von L ublin in deuts c h e Konz e n tr a tio n s lag e r gesc h ic k t word e n ware n . Was das Schic k s a l der Jude n ange h t, die im Lage r Lublin - Ma j d a n e k festg e h a lten wurd e n , so erfu h r e n wir von ihne n , beso n d e r s von den jüdis c h e n Mädc h e n , daß am 3. Nove mb e r 1943 alle Jude n in dies e m Lage r , etwa 11.0 0 0 Männ e r und 6.00 0 Frau e n , umge b r a c h t word e n ware n . Wir erin n e r te n uns an eine n Beric h t der SS in Birk e n a u aus dies e r Zeit, daß Lublin von Partisa n e n ange g r if f e n word e n sei und daß, um gegen diese zu kämp f e n , eine Anzah l SS- Tr u p p e n zeitw e i l i g von Birk e n a u nach Lubli n verle g t word e n sei. Es war uns nun klar , zu welch e m Zweck unser e SS nach Lubli n gega n g e n war. Offen s i c h t l i c h waren die Juden dazu gezwu n g e n word e n , ein lang e s , tief e s Grab im Gebie t V des Lage r s Majd a n e k zu grab e n , und am 3. Nove mb e r wurd e n sie in Grup p e n von 200 bis 300 hera u s g e f ü h r t, ersc h o s s e n und in das Grab gewo r f e n . In 24 Stun d e n war alles vorü b e r . Währ e n d der Exek u tio n spielte man laute Musik , um die Schü s s e zu über tö n e n . Dreih u n d e r t Mädc h e n , die in Lublin im “Auf r ä u mu n g s k o mman d o ” und als Schr e ib e r tätig waren , ließ man am Leben . Drei Tage nach 156 ihre r Anku n f t in Birk e n a u wurd e n sie auf Sond e r b e f e h l aus Berlin alle verg a s t und verb r a n n t. Wegen eine s Fehle r s von seiten des “Schr e i b e r s ” wurde n zwei Mädc h e n nich t in die Gask a mmer n gesc h ic k t. Das wurd e jedo c h am näch s te n Tag entd e c k t, und die Mädc h e n wurd e n sofo r t ersc h o s s e n und der Schr e ib e r erse tzt. Das Schic k s a l der Jude n aus Lublin veru r s a c h te eine tief e Schw e r mü tig k e it unte r den Jude n im Lager Birke n a u , weil sie fürcht e t e n , daß das ganze Birken a u eines Tages auch auf diese Weise plötz lich “liq u id ie r t” würd e . Unge f ä h r Nr. 182. 0 0 0 Gege n Ende April wurd e n noch mehr griech i s c h e Juden nach Bi rke n a u gebra c h t . Etwa 200 wurd e n im Lage r aufg e n o mmen , und rund 3.00 0 wurd e n umge b r a c h t. 183. 0 0 0 bis 185. 0 0 0 Anfa n g Mai 1944 kamen klein e r e Tran s p o r te von hollän d is c h e n , fran z ö s is c h e n , belg isc h e n und grie c h is c h e n Jude n an sowie auch poln is c h e “Arier” . Die meisten m ußte n in der Buna - F a b r ik arbe iten . Am 10. Mai 1944 kam der erste Tran s p o r t mit unga r is c h e n Jude n in Birk e n a u an. Es ware n zum größ te n Teil Mens c h e n aus den Gefä n g n is s e n in Buda p e s t und auch ande r e , die man auf der Stra ß e und den Bahn h ö f e n der Stadt aufge g r i f f e n hatte . Unter den Frau e n ware n : 157 Ruth Loran t Mici Loran t Ruth Quasztler Irene Roth Barna Fuchs Der Tran s p o r t wurd e in Ausc h w itz und Birk e n a u mit der üblich e n Proz e d u r eingelie f e r t (Haare abrasier t , Zahlen eintä to w ier t, usw. ) . Die Männ e r wurd e n nume r ier t, ange f a n g e n mit 186. 0 0 0 , und die Frau e n wurd e n ins Fraue n lag e r gesc h ic k t. Etwa 600 Männ e r , von dene n unge f ä h r 150 im Alter zwisc h e n 45 und 60 ware n , wurd e n nach Birk e n a u gebr a c h t, wo sie in versc h i e d e n e Arbei t s k o mman d o s aufge t e i l t wurde n . Die Übrig g e b l i e b e n e n blieb e n in Ausc h w itz, wo sie in der Buna - F a b r ik arbe iteten . Die Mens c h e n aus dies e m Tran s p o r t wurd e n am Leben gelas s e n , und kein e r von ihne n wurd e , wie es sons t üblich war, sofo r t in die Krema to r ien gesc h ic k t. Auf den Postk a r te n , die sie schr e ib e n durf te n , mußte n sie “W alds e e ” als Adress e angebe n . Ab 15. Mai kamen Mass e n tr a n s p o r te aus Unga r n in Birk e n a u an. Täglich kamen unge f ä h r 14.0 0 0 bis 15.0 0 0 Jude n an. Die Eise n b a h n n e b e n s tr e c k e , die in das Lage r hine in zu den Krema to r ien führ te, wurde in größte r Eile fertig g e s t e l l t , die Rotte n arbei t e t e n Tag und Nacht , so daß die Tran s p o r te dire k t bis an die Krema to r ien gebr a c h t werd e n konn te n . Nur unge f ä h r 10 Proz e n t aus dies e n Tran s p o r ten wurd e n in das Lage r aufg e n o mmen ; der Rest wurd e sofo r t verg a s t und verb r a n n t. Noch nie ware n so viele Jude n seit der Einr ich tu n g von Birk e n a u verg a s t word e n . Das “Son d e r k o mman d o ” mußte auf 600 Mann erhö h t werd e n und nach zwei oder drei Tage n auf 800 (sie wurd e n rekr u tier t aus den unga r is c h e n Jude n , die zuer s t ange k o mmen ware n ) . Die Anza h l im “Auf r ä u mu n g s k o mman d o ” wurd e von 150 auf 700 Mann erhö h t. Drei Krema to r ien ware n Tag und Nach t in Betr ieb (das vier te wurd e zu der Zeit repa r ie r t) , und da das Fass u n g s v e r mö g e n der Krema to r ien nich t groß genu g war, wurd e n wied e r u m groß e Gräb e n von 30 Meter n Läng e und 15 Meter n Breite im “Bir k e n w a ld ” ausg e g r a b e n (wie zur Zeit vor den Krema to r ien ) , 158 wo Tag und Nach t Leich e n verb r a n n t wurd e n . So war die “Kap a z ität zur Vern ich tu n g ” nahe z u unbe g r e n z t. Die ungar is c h e n Jude n , die am Le be n gelas s e n wurd e n (ung e f ä h r 10 Proz e n t) wurd e n nich t in die normale “Ein s c h r e ib u n g ” im Lage r einb e s c h lo s s e n . Obwoh l sie abra s ie r t und gesc h o r e n wurd e n und Häftlin g s k le id u n g erhie lten , wurd e n sie nich t täto w ie r t. Sie wurd e n in einem abges o n d e r te n Teil des Lager s , der Abteilu n g “C”, unte r g e b r a c h t, und sie wurd e n späte r in versc h ied e n e ande r e Konz e n tr a tio n s lag e r im Deuts c h e n Reich verle g t: Buch e n w a ld , Mauth a u s e n , Gros s r o s e n , Guse n , Flos s e n b u r g , Sach s e n h a u s e n usw. Fraue n wurd e n zeitweilig im “Zig e u n e r la g e r ” in abges o n d e r te n Bloc k s unte r g e b r a c h t und dann auch woan d e r s h in verle g t. Jüdis c h e Mä dc h e n aus der Slow a k e i ware n dort “Blockälteste”. Die erste n unga r is c h e n Tran s p o r te kamen aus: Munk a c s , Nagys z ö llö s , Nyire g y h a z a , Ungva r , Huszt , Kassa u , Beregs z a s z , Marmar o s s z i g e t , Nagyb e r e z n a . Unter den Über leb e n d e n ware n : Rober t und Ervin Waiz e n Stark Ehrenr e i c h Katz, Chaim Die beid e n letzten sind scho n verle g t word e n . Die Elter n der Gebr ü d e r Waize n wurde n verga s t . Die Tran s p o r te der unga r is c h e n J ude n stan d e n unte r der beso n d e r e n Aufs ich t des früh e r e n Lage r k o mman d a n te n “Hau p ts tu r mb a n n f ü h r e r ” HÖSS , der daue r n d zwisc h e n Ausc h w itz und Buda p e s t hin- und herr e iste. Der Komman d a n t von BIRK E N A U war zu di es e r Zeit der früh e r e Adju tan t von Höss , “Hau p ts tu r mf ü h r e r ” Krame r . 187. 0 0 0 bis 189. 0 0 0 1.60 0 fran z ö s is c h e “Arie r ” , fast auss c h ließ lich Intellek tu e lle und bede u t e n d e Pers ö n lich k e iten , eine klein e Anza h l poln is c h e r “Emig r a n ten ” eing e s c h lo s s e n . Unter den Fran z o s e n ware n hohe 159 Offiz ie r e , Ange h ö r ig e führ e n d e r fran z ö s is c h e r Finan z k r e i s e , bekan n t e Journ a l i s t e n und Polit i k e r und soga r , so hieß es, früh e r e Minis te r . Einig e von ihnen rebel l i e r t e n , als sie ankamen , aber sie wurd e n von der SS durc h auße r g e w ö h n lich bru tale Mittel zum Sch w eig en geb r ach t, ein ig e wurde n auf der Stell e ersch o s s e n . Die Franz o s e n ware n sehr mutig und voller Selb s tb e h e r r s c h u n g . Sie wurd en in Birk en au völlig iso liert geh alten , und niema n d durf te mit ihne n Konta k t aufne h men . Nach zwei Woche n wurd e n sie auf Befeh l aus Berlin nach Mauth a u s e n (bei Linz in Österrei c h ) verlag er t . Seit Mitte Mai erhielten die Neua n k ö mml i n g e unte r den Juden kein e fortlau f e n d e n Nummer n mehr wie früh e r . Ein neue s Numer ie r u n g s s ys te m wurd e eing e f ü h r t, das mit der Nr. 1 bega n n , der der eintä to w ier te Buch s ta b e “A” vorang e s t e l l t wurde. Wir kenn e n den Grun d für dies e Maßn a h me nich t. Zum Zeitp u n k t unse r e r Fluc h t am 27. Mai 1944 hatten unge f ä h r 4.00 0 Jude n dies e neue n Nummer n erha lten . Die 4.00 0 setzten sich aus 1.00 0 hollän d is c h e n , fran z ö s is c h e n und italien is c h e n Jude n zusa mmen und aus 3.00 0 Jude n aus Ther e s ien s tad t, die am 23. Mai 1944 in Birk e n a u anka men . Sie wurd e n ganz gena u s o beha n d e lt wie zwei früh e r e Tran s p o r te aus Ther e s ien s tad t. Sie wurd e n (nich t gesc h o r e n ) zusa mmen mit der Beleg s c h a f t der früh e r e n Kolo n n e aus Ther e s ien s tad t (die seit dem 20.. Deze mb e r 1943 in Birk e n a u war und de re n “Qua r a n t ä n e ” am 20. Juni 1944 abläu f t) in der Sektio n IIB unte r g e b r a c h t. Nach der Aussa g e eines Juden , der zum “Son d e r k o mman d o ” gehö r te, soll “Reichs f ü h r e r ” Himmler Birk e n a u am 15. oder 16. Mai besu c h t habe n . An eine m dies e r Tage sah ich pers ö n lich drei Pers o n e n w a g e n mit fünf Männ e r n in Zivilk leid u n g zu den Krema to r ien hinf a h r e n . Der Jude , der diese Aussag e gemach t hat, erklärt e , daß er sowie auch ander e Himmle r erka n n te n , der das Krema to r iu m Nr. 1 besuc h t hatte und nach eine m Aufe n th a lt von unge f ä h r eine r halb e n Stun d e wied e r mit dene n zusa mmen , 160 die ihn begle iteten , wegg e f a h r e n wa r. Am Tag dana c h war in den schle s is c h e n Zeitu n g e n eine Repo r tag e über Himmle r s Besu c h in Craco w , so daß dies e r Beric h t der Wahr h e it entsp r e c h e n könn te . Man sollte ein anderes Ereign i s nicht verge s s e n , das uns von dem Mann aus dem “Son d e r k o mman d o ” erzä h lt word e n war. Im Späts o mmer 1943 kam eine Kommis s io n von vier hollän d is c h e n Jude n — distin g u ie r t ausseh en d e Män n er — nach Ausch w it z . Ihr Besu ch war offen sic h t l i c h scho n dem Lage r k o mman d a n te n gemeld e t word e n , denn die hollän d is c h e n Jude n in Ausc h w itz erhie lten bess e r e Kleid u n g und auch ein normales Eßge s c h ir r (Teller , Löff e l us w. ) und besse r e s Esse n . Die Vier e r k o mmis s io n wurd e sehr höflich empf a n g e n , und ihr wurd e n Gebä u d e im Lager gezeig t , besond e r s die Te ile, die sauber ware n und eine n gute n Eind r u c k mach ten . Hollän d is c h e Jude n aus dem Lage r wurd e n vorg e f ü h r t, und sie beric h teten , daß nur ein Teil der hollän d is c h e n Jude n in dies e m Lage r sei, die ander e n seien in ähnlic h e n Lage r n . Auf dies e Weise wurde n die vier Männer zufri e d e n g e s t e l l t , und sie unter s c h r i e b e n eine Erklä r u n g , daß die Kommis s io n alles in Ausc h w itz in beste r Ordn u n g gefu n d e n hätte. Nachd e m sie unter z e ic h n e t hatten , drüc k te n die vier hollän d is c h e n Jude n den Wuns c h aus, das Lage r Birk e n a u zu sehe n und beso n d e r s die Krema to r ien , worü b e r sie einig e Beric h te gehö r t hätten . Die Lage r le itu n g erklär t e sich willen s , ihnen beides , Birke n a u und die Krema t o r i e n , zu zeig e n , wovo n die letzter e n , wie sie sagte n , dazu benu tz t würd e n , diej e n ig e n zu verb r e n n e n , die im Lage r stür b e n . Die Kommis s io n wurd e dann unte r Begle itu n g des Lage r le iter s Aumayer nac h Bir k e n a u gef ü h r t und dire k t zum Krema to r iu m Nr. 1. Hier wurd e n sie von hinte n ersc h o s s e n . Ein Teleg r a mm soll nach Hollan d gesc h ic k t word e n sein , das beric h tete, die vier Männe r seien , nach d e m sie Ausc h w itz verla s s e n hatten , bei einem unglü c k lich e n Auto u n f a ll umge k o mmen . Es gibt in Ausc h w itz ein biolo g is c h e s Labo r a to r iu m, in dem SS, Zivilis t e n und interni e r t e Ärzte beschä f t i g t sind. Die Fraue n und Mädch e n , an dene n Expe r imen te durc h g e f ü h r t we rd e n , wohn e n im Bloc k 10. Magd a Hellin g e r aus Mich a lo v c e und ein Mädc h e n namen s Rozs i (Zun a men unbe k a n n t) aus Hummen é ware n lang e Zeit “Blo c k ä ltes te ” . Expe r imen te 161 wurd e n nur an jüdis c h e n Mädc h e n und Frau e n ausg e f ü h r t. Bis heute wurde n keine slowa k i s c h e n Mädch e n dazu benu t z t . Es wurde n auch Expe r imen te an Männ e r n ausg e f ü h r t, aber die letzte r e n wurden nicht getr e n n t unte r g e b r a c h t. Sehr viele star b e n an den Folg e n dies e r Expe r imen te . Oft expe r imen tier te man an Zige u n e r n . Der Bloc k 10, wo die “Objek t e ” für die Experi men t e unter g e b r a c h t sind, ist völlig isolie r t , und soga r die Fens ter ö f f n u n g e n sind zuge mau e r t. Niema n d —wer auch immer — hatte Zuga n g . Die Komman d a n te n von Ausc h w itz und Birk e n a u ware n bis zu dies e m Zeitp u n k t folg e n d e : Aumayer , Schw a r z h u b e r , Weis s , Harte n s te in , Höss und Krame r . 162 I I I Der “polnische Major” (Jerzy Tabeau) 164 Das Konz e n tr a tio n s lag e r Ausc h w itz 1 I. TRANSP O R T Am 24. März 1942 sind wir in der Tran s p o r tz e lle Nr. 2 im Krak a u e r Monte lu p ic h - G e f ä n g n is vers a mmelt. Wir wiss e n , dass wir in das Konz e n tr a tio n s lag e r Oswie c im (Aus c h w itz) über f ü h r t werd e n . Wir sind zusa mmen 60 Mann . Früh morg e n s um 8 Uhr ersc h e in e n zwei SS-Män n e r mit Liste n in der Hand und zählen die Anwe s e n d e n in der Tran s p o r tz e lle. Wir müss e n uns ausz ieh e n und warte n . Die Türe n werd e n geöf f n e t und wir erblick e n auf beid e n Seiten die aufma r s c h ie r e n d e n SS-Män n e r und Polizisten mit aufg ep flan zten Baj o n ette n . Im Hofe stehe n zwei klein e Lastw a g e n , in welch e je 30 Häftlin g e gefü h r t werd e n . Die Lastw a g e n sind klein und die Plätze in der Mitte mit ei ner Kette in zwei Hälften eingeteilt. Die erste n eing e s tieg e n e n Häftlin g e steh e n mit gebeu g te m Kopf e , die ande r e n sitz e n zwisc h e n den Bein e n der steh e n d e n Männ e r . Auf dies e Weise gelin g t es den ganz e n enge n Raum mit 30 Leute n ausz u f ü llen . Wir werd e n mit Gewe h r k o lb e n ange tr ieb e n , ange s c h r ie e n und gesc h la g e n . Sch liesslich sitzt alles im Wag en . In der hin teren abg esp errten Hälfte des Wage n s steh e n zwei SS-Män n e r mit Masc h in e n g e w e h r e n zur Bewa c h u n g . Wir fahr e n ab. Hinte n und in einig e r Entf e r n u n g von den Lastw a g e n begle iten uns noch Moto r r ä d e r mit Masc h in e n g e w e h r e n . Unse r e Wage n sind herme tisc h abge s c h lo s s e n und gewä h r e n kein e n Ausb lick . Die Fahr t daue r t etwa 1 1/2 Stun d e n mit kurz e n Aufe n th a lts p a u s e n , wie wir glau b e n anläs s lich der Gren z ü b e r s c h r e itu n g . Unse r e Glied e r sind vollk o mmen ersta r r t, da wir uns nich t bewe g e n könn e n . Eine r von unse r e n Leute n , der an die Kette ange leh n t ist, wird ohnmä c h tig ; man brin g t ihn mit Kolb e n s c h lä g e n wied e r zum Bewu s s ts e in . Übrig e n s sind wir scho n ange k o mmen . Wir steig e n aus. Wir steh e n vor eine m Tor mit der Aufs c h r if t 1 Auf dem Titel b l a t t steht diese Erklä r u n g : “Der vorlie g e n d e Beric h t stamm t von einem polni s c h e n Offiz i e r , der als Hä ft l i n g lang e Zeit im Lager Ausc h w i t z einge s p e r r t war und seine Wahr n e h mu n g e n aufg e z e i c h n e t hat. ” 165 “Arb eit mach t frei”. Im Inn eren spielt ein Orche s t e r . Man erwar t e t uns, wir sind in Ausc h w itz. Zu je 5 Mann eing e r e ih t (dies e s Syste m wird im Lage r durc h w e g s und bei jede r Geleg e n h e it a nge w a n d t) werd e n die Namen der “Zug ä n g e ” noch einma l verle s e n . Der Aufg e r u f e n e muss sich lauf e n d zu dem nebe n dem Verle s e r der Liste stehe n d e n Häftlin g bege b e n , erhä lt auf 3 klein e n Karte n seine Nummer und stell t sich dann ne be n den früh e r Aufg e r u f e n e n . Von dies e m Auge n b lick an wird der Name durc h eine Nummer erse tzt. Dies e s Empf a n g s s ys te m wurd e bis zum Sommer 1943 ange w a n d t. Späte r wurd e allen Häftlin g e n (aus s e r den Deut s c h e n ) die Nummer auf dem link e n Ober a r m eintä to w ier t. Bei den Jude n wurd e die Eintä to w ier u n g der Nummer von Begi n n an geha n d h a b t . Som it wurde allen Häftli n g e n , die nach dem Sommer 1943 eing e lief e r t wurd e n , ihre Nummer eintä to w ier t. Als Vorw a n d gab man die verr in g e r t e Fluc h tmö g lich k e it und die bess e r e Inde n tif izier u n g der Leich e n an. Wir erha lten die Nummer n von dem Bloc k f ü h r e r Stub a und dann drin g e n wir mit entb lö s [ s ]ten Häup te r n und Orche s t e r b e g l e i t u n g in den eigen t l i c h e n Lager b e r e i c h ein. Die Uhr zeigt e 11 Uhr vormittag s . Hier gab en sich mit uns vorerst die hiesig en Häftlin g e ab. Nach einem Besuc h in der Effek t e n k a mmer werd e n wir in den Klos e tts bis 5 Uhr nach mittag s ein g esch lo ssen . Ind essen kamen zu uns hiesig e Häftlin g e herü b e r und baten uns , wege n der zu erwa r te n d e n Besc h la g n a h me , ihne n Uhre n , Ring e , Fe ue r z e u g e , Ziga r e tten , zu schen k e n , währ e n d wir die mitg e n o mmen e Nahr u n g sofo r t an Ort und Stelle aufzu essen hätten , da man uns auch die Leb en smittel abn eh men werd e. Dafü r vers p r a c h e n uns dies e Häftlin g e nach der Eino r d n u n g in den Lage r b e s tan d Brot, Supp e , usw. End lich kam der Capo (Cap o — eine Art Chef ) und klär te uns in eine r kurz e n Ansp r a c h e darü b e r auf, dass in dem Lager ein Häftlin g ohne Hilf e sein e r Kamer a d e n nich t läng e r als zwei Monate aush a lten könn e — was auch im übrig e n durc h die späte r e Prax is vollau f bestä tig t wurd e . (Von den 60 neu [A]n g e k o mmen e n bin ich als einz ig e r am Leben geblieb e n ) . 17 Uhr. Wir werd e n in den Durc h g a n g (Kor r id o r ) hina u s g e f ü h r t. Die Kleid e r müss e n abge leg t werd e n . Jede r pack t sein e Kleid e r zusammen und legt diese m Paket eine der ihm ausg e h ä n d ig te n Nummer n bei. Wir sind nack t. Wir dürf e n nur noch eine n 166 Leder g ü r t e l für die Hose und zwei Ta sche n t ü c h e r behalt e n . Ich will ein klein es Heilig en b ild aufb ewah ren , aber der bei dieser Operatio n 167 mith e lf e n d e Häftlin g hält mich davo n ab: “Las s es, man wird Dich nur ausla c h e n und es Dir dann doch abne h me n . ” Wir gehe n ins Bad. Zuer s t werde n uns gründ l i c h die Haare abges c h n i t t e n und rasier t . Das Bad ist sehr warm. Die ganze n Vorbe r e i t u n g e n zu m Eintritt in die Lagermannschaft werd e n im Bloc k 27 ausg e f ü h r t. Jetzt müss e n wir trotz fallen d e m Schn e e vom Bloc k 27 zum Bloc k 26, wo sich die Bekle id u n g s k a mmer befin d e t, hinüb e r laufe n . Dort erhal t e n wir die Häftl i n g s k l e i d e r : Hemd , Unter h o s e n , Schu h e , Sock e n , warme Jack e , Hose n , Vesto n , Mütz e und Decke . Alles ist furc h tb a r unsa u b e r , geflick t und bei klein s ter Reib u n g aufg e r ieb e n . Mein e Jack e sieh t z. B. folg e n d e r ma s s e n aus: vorn e konn te man sie zukn ö p f e n , der Rück e n und die Ärmel besta n d e n aus aufe in a n d e r geflick te n schw a r z e n Fetzen . Wir sin d sch liesslich ang ek o mmen . Man stellt uns wied er in Fünf e r r e ih e n auf und führ t uns zu dem Bloc k ins Lage r . Dort erwa r te t uns der Bloc k f ü h r e r mit dem Prog r a mm der Stub e n d ie n s te (es sind laute r Polen aus Ober s c h le s ien ) und weih t uns in die Gehe imn is s e dies e r Stub e n d ie n s te ein. Man lehr t uns wie man ausk e h r e n und rein ig e n muss , wie man auf Komman d o die Mütze abnimmt, die Reihe n o r d n u n g und den Gleic h s c h r i t t hält. Schle c h t ausg e f ü h r te Befe h le und Anwe isu n g e n , die in deuts c h e r Spra c h e gege b e n werd e n , mach e n den Bloc k f ü h r e r gewö h n lich wüten d und habe n Schlä g e zur Folg e . Schlie s s lich befr e it uns der Aben d a p p e ll von dies e n Übun g e n . Der Appe ll geht in der Weise von statten , dass der Block f ü h r e r seine Leute vor dem Block aufste l l t und die versammel t e n Bloc k f ü h r e r dann dem Rapp o r ts c h r e ib e r den Lage r b e s tan d ange b e n . Stimmt die Zahl der von den Bloc k f ü h r e r n ange g e b e n e n Bestä n d e , so ist der Appe ll zu Ende. Trotz d e m gehör t der Appel l zu den Mitte l n der Terro r i s i e r u n g der Häftlin g e . In den Jahr e n 1940 /1 9 4 1 /1 9 4 2 war man gewö h n lich im vora u s darau f gefas s t, dass vor allem am Abe n d bei star k e m Fros t, Rege n , Stur m, der Appe ll mind e s te n s eine Stun d e daue r n wird , zumal bis zur Abmeld u n g beim Bloc k f ü h r e r die ganz e Bloc k ma n n s c h a f t mit entb lö s [ s ]ten Häup te r n drau s s e n warte n muss . Bei gelu n g e n e r Fluc h t aus dem Lage r währ e n d des Tage s , also bei eine m Mank o im Besta n d beim Aben d a p p e ll müss e n die vers a mmelten Mann s c h a f ten drau s s e n warte n bis das Erge b n is der ganz e n Such a k tio n der viele n Poste n k e tten beka n n t wird . Es daue r t gewö h n lich 3-4 168 Stun d e n , bis die Verf o lg u n g s man n s c h a f ten zurü c k k e h r e n . Auf dies e Weise sind im Jahr e 1940 anläs s lich eine r Fluc h t aus dem Lage r fast 100 Lage r in s a s s e n ums Lebe n geko mmen . Es war harte Winte r z e it und die Häftlin g e mussten bei dieser Gelege n h e i t von 3 1/2 Uhr nachmi t t a g s bis 11 Uhr vormi t t a g s des folge n d e n Tages drau s s e n steh e n und warte n . Morg e n s zählte man 100 ganz und halb Erfr o r e n e . Nach dam Appe ll kehr e n wir in unse r e n Bloc k zurü c k . Eine Stub e wird uns zug eteilt, aber sch lafen müssen wir zu [d]ritt in ein em Bett. Die Kleid u n g muss man, wie einz e ln e Kammer in s a s s e n uns beleh r e n , unte r den Kopf legen , da sonst etwas versc h w in d e n könn te . Wir lege n uns nied e r ohne den ganz e n Tag über etwa s eing e n o mmen zu haben . Nach dies e m “Emp f a n g ” fällt jeder auf den Stroh s a c k niede r und schlä f t sofor t ein. Früh morg e n s 4 Uhr: Gong s c h lag . Nun begin n t etwa s [F]ü r c h te r lich e s . Im klein e n Raum sind etwa 100 Pers o n e n zusa mmen g e p f e r c h t, die in eine m wild e n und schn e llen Treib e n ihre Lage r zure c h tleg e n , (den n der Bloc k f ü h r e r soll kein e Falte am Bett entd e c k e n könn e n ) und sich anzie h e n wollen . Von Wasc h e n ist über h a u p t kein e Rede . In etwa 10 Minu te n nach dem Gong s c h lag kommt der Stub e n ä ltes te und begin n t die Leute in den Korr id o r hina u s z u j a g e n , da die Stub e nunme h r zu rein ig e n ist. Im Korr id o r herr s c h t ein Durc h e in a n d e r , da die Insa s s e n des ganz e n Bloc k s hier zusa mmen f lu ten . Wir sind zu Ende mit dem Anzie h e n . Man fürc h te t jede Bewe g u n g und wird gege n die Wand und in die dunk e lste Korr id o r e c k e abged r ä n g t . Man weiss nicht , wofü r und von wem man eine n Fuss t r i t t oder eine n Schla g über den Kopf beko mmt. Nach 24 Stun d e n beko mmen wir auch etwa s zu esse n und zwar eine n kalten und unge z u c k e r ten Kaff e e . Dann warte n wir 1 1/2 Stun d e n bis zum App ell, nach welch em alle Häftlin g e zur Arbe it gefü h r t werd e n . Die neu ange k o mmen e n Häftlin g e sind zuer s t da mit besch äftig t, in ihrem Blo ck Frag e b o g e n ausz u f ü llen . Jede r muss au sse r d e m eine Adres s e angeb e n , an welch e er die Briefe rich ten wolle. Es ist ausd rü ck lich verb o ten , kein e Brief e zu schre ib e n und kein e Adre s s e anzug e b e n . Sie müsse n doch eine Adre s s e habe n , um [nötig e n f a lls ] vom Ableb e n des Lage r in s a s s e n zu bena c h r ic h tig e n . Wir erha lten dann Lein wan d s t ü c k e mit einem aufgema l t e n 169 Dreie c k und unse r e Nummer n und nähe n sie an unse r e Kleid e r an. Die Häftlin g e habe n die Nummer n von 1 und aufw ä r ts . Im Nove mb e r 1943 stellte sich die letzte laufende Häftl i n g s n u mmer auf 170.0 0 0 . Die Dreie c k e sind vers c h ied e n f a r b ig und für jede Kate g o r ie der Verb r e c h e r gibt es eine beson d e r e Farbe . So bezie h t sich im arischen Dreieck die rote Farbe auf die politisc h e n Häftlin g e, die grü n e auf Beru fsv er b r e c h e r , die sch w arze auf Arbe itsd e s e r te u r e , die rosa auf Homo s e x u e lle nach §175 und die viole tte auf Bibe lf o r s c h e r . Auss e r d e m gibt im Dreieck ein Buchstab e die Natio n alität des Häftlin g s an. Die Deu tsch en , d. h. die deu tsch en Häftlin g e trage n keine n Stern . Bei den Jude n ist ein gelb e s Drei e c k der Unter g r u n d währ e n d dara u f ein zweites Dreie c k ange n ä h t ist, wie bei den arisc h e n Häftlin g e n . Man gibt also das Verbr e c h e n und die Staats a n g e h ö r ig k e it an (also fran z ö s is c h e Jude n , poln is c h e Jude n , usw. ) . Wi r sind fertig mit dem Annä h e n der Dreie c k e und der Nummer und werd e n dana c h zum Kran k e n b a u abge f ü h r t. Eine Unter s u c h u n g durc h eine n deuts c h e n Arzt über unse r e Arbe itsf ä h ig k e it steh t bevo r . Noch einma l müss e n wir unse r e Kleid e r ableg e n und in dem kalten Durc h g a n g warte n . Das Warte n daue r t 3 Stund e n . Wir frie r e n , da das fros tig e Wetter am März e n d e noch immer anhä lt. Unter den Häftlin g e n , die im Kran k e n b a u tätig sind , find e n sich Beka n n te , die sich vor allem für die Nach r ic h ten über ihre Ange h ö r ig e n inter e s s ie r e n . Dann kommt der Arzt. Wir trete n reih e n w e is e an und jede r stellt sich vor den Arzt in strammer Haltu n g hin, streck t die Hände aus, bewe g t die Fing e r , wend e t sich um und läuf t davo n . Dara u f besc h r ä n k t sich die ganz e Unter s u c h u n g . Selb s t- v e r s tä n d lich galten alle als arbe itsf ä h ig . Zu dies e m Zwec k sind wir hier h e r g e k o mmen und auss e r d e m “Arb e it mach t frei”. Und ausse r d e m wiss e n wir, was es bedeu te t, als arbeitsu n f ä h ig erklä r t zu werd e n : Abtr a n s p o r tier u n g und Bestimmu n g zur “Liq u id a tio n ” durc h Gase . Endlich esse n wir nach 36 St un d e n etwa s Warme s . Die Lage r n a h r u n g besteh t aus morg en s Kaffee oder kaltem Tee (Eich elb lätter usw.), mittag s eine Supp e dick oder dünn , je nach de m Fall. Seit mein e r Anku n f t im Lage r asse n wir die Supp e aus Wass e r und R übe n währ e n d ganz e r fünf Mona te. Abends nach dem Appell vertei l t man 300 gr Brot (bis die Ratio n in die Hände des 170 Häftlin g s kam, war sie gewö h n lich scho n erhe b lich klein e r ) , Monta g und Samstag 300- 4 0 0 gr Käse , (Bau e r n h a n d k ä s e , häuf ig mehr Würme r als Käse . ) Dien s ta g , Donn e r s tag und Freitag 1/2 kg Marg a r in e für 12 1/2 Porti o n e n , Mittw o c h und Monta g Pa ste t e (soge n a n n t e Kräut e r w ü r s t e ) , Blutw u r s t oder Rotw u r s t, auch 300- 4 0 0 gr. Auss e r d e m Dien s ta g und Freit a g ausse r Marga r i n e ein Löffe l Marme la d e pro Pers o n (auf dem Fässc h e n war verme r k t, dass diese Marm e la d e nur für das Lager bestimmt ist, woraus man auch auf die Qualit ä t Schlü s s e ziehe n konnt e ) . Dies sind Ratio n en , die theo retisch jed er Häftlin g bezieh en sollte, prak tisch aber nach Mass g a b e der unte r w e g s gesto h le n e n Meng e n niema ls von ihne n konsu mi e r t wurde n . Zum Brot verte i l t e man abend s Tee oder Kaffe e . Die Suppe wurde ausge l e c k t , da zahlre i c h e Häftli n g e keinen Löffel besass e n . Ich verg a s s noch hinz u z u f ü g e n , da ss wir das Esse n in Hocks te llu n g eing e n o mmen habe n , weil der Stub e n ä ltes te den neu Ange k o mmen e n das Drän g e n zum Supp e n k e s s e l vorg e w o r f e n hatte. Wir werd e n zum Erke n n u n g s d ie n s t abge f ü h r t. Photo g r a p h ie r e n in drei Stellu n g e n . Heute wird das Verb r e c h e r a lb u m um weiter e 60 Aufn a h men sich vermeh ren . In die Kammer tritt man ein zeln ein . Ich bemerk e, dass man diese Kammer mit ersch r o c k e n e m Gesic h t verlä s s t. Vors ich t ist am Platz e . Die Reih e ist an mir. Ich werde auf einen Dreh s tu h l gese tzt und photo g r a p h ie r t und vers u c h e dana c h aufz u s teh e n . Ich fühle inde s s e n , der Bode n begin n t zu schw a n k e n und ich ve rlier e das Gleic h g e w ic h t und werd e gege n die Wand gesc h le u d e r t. Das sind unse r e Photo g r a p h e n k a mer a d e n und zu dem auch Polen , die uns eine n solch e n Stre ich spielen , inde m sie beim Aufs teh e n den Dreh s tu h l in Bewe g u n g setz e n . Kein Wund e r , man muss sich im Lager le b e n so oder a nde r s eine Zers tr e u u n g vers c h a f f e n , selb s t auf Koste n der eige n e n Lage r k a me r a d e n . Wir gehe n zu unser e m Bloc k zurü c k . Gleic h kommt der Appe ll und so geht unse r zweiter Tag im Lager zu Ende. Am nächs te n Tag geht es zur Arbe it zusa mmen mit allen übrig e n Lage r in s a s s e n . Alle Lager in s a s s e n müsse n arbeiten , ausge n o mmen von diese r Arbe itsp f lich t sind Kran k e , Spitalk r a n k e , die der Quar a n tän e bei Anku n f t und Abrei s e unter w o r f e n e n Häftl i n g e , die in Bunker n einge s p e r r t e n 171 Kamer a d e n , usw. Die Lager ma n n s c h a f t ist in Lagerkomman d o s eingetei l t . Jede s Komman d o hat sein e n Capo , also Führ e r , und vers c h ied e n e Vora r b e iter . An der Spitz e eine s grös s e r e n Arbe itsk o mman d o s steh t ein Oberc a p o , dem versc h i e d e n e Capos und Vorar b e i t e r unter s t e l l t sind. Der Besta n d der Komman d o s schw a n k t zwisc h e n einig e n und mehr e r e n hund e r t Häftl i n g en . Der Cap o ist veran tw o r t l i c h für das Gan ze, der Vorarb e i t e r für die ihm zuge t e i l t e Grup p e von 10-2 0 ode r 50 Arbei t e r n . Die Capos werde n von dem Arbe itsd ie n s tf ü h r e r mit Zustimmu n g des Komman d o f ü h r e r s und des Capo s der Vora r b e iter ausg e w ä h lt. Die Häftlin g e werd e n den vers c h ied e n e n Komman d o s durc h das Arbe itsb u r e a u bzw. den Arb eitsein s atz zug eteilt. Die Arb eit beg in n t nach dem Morg en ap p ell. Im Sommer von 5-1 2 Uhr und von 13- 1 8 Uhr , im Winte r von 7-1 5 Uhr ohn e Unter b r e c h u n g . Im Lage r sind Werk s tä tten für Hand w e r k e r , Land w ir te, Indust r i e a r b e i t e r einger i c h t e t . Die Hä ftl i n g e arbei t e n in den Kohle n g r u b e n und in der Lage r v e r w a ltu n g . Das Lage r besitzt eine n Kran k e n b a u , eine Kantine , Wäsche r e i , Schläc h t e r e i us w. Auf diese Weise könne n Häftl i n g e mit eine r gewis s e n tech n is c h e n Ausb ild u n g grun d s ä tz lich in ihre m Fach arbe iten . Am schw ier ig s ten ist es mit Ange h ö r ig e n der freien Beru f e , die im Lager 70-7 5 % der Lager ma n n s c h a f t ausma c h e n . Die Folg e davo n ist, dass die meist e n von den freib e r u f l i c h e n Häftl i n g e n als ungele r n t e Arbei t e r arbe iten müss e n , d.h. in den schle c h tes te n und schw ier ig s ten Arbe its k o mman d o s . Dara u s ergib t sich ein höhe r e r Proz e n ts a tz der Ster b lich k e it unte r dies e n Häftlin g e n . Dieser Umstan d steht auch im Zusa mmen h a n g mit dem Bestr e b e n der La ge r le itu n g gera d e dies e Kateg o r ie von Häftl i n g e n am schne l l s t e n zu liqui d i e r e n . 172 II. DIE ERSTE PERIOD E IM LAGER — AUFENT H A L T IM KRANK E N B A U Mein erste s Arbe itsk o mman d o heis s t Abbr u c h k o mman d o . Da die Umge b u n g des Lage r auf einig e 100 km ausg e s ied e lt ist, müss e n alle Gebä u d e , sowe it sie nich t vom Lage r bean s p r u c h t sind , abge tr a g e n werd e n . Unter dies e n abge tr a g e n e n Gebä u d e n befin d e n sich soga r mehr e r e neue Häu ser. Das war unsere Arb eit. Sie war seh r sch w er, zumal sie im Eiltemp o durc h g e f ü h r t werd e n muss te . Das Komman d o zählt 50 Mann . Der Abbr u c h ein es gro ssen Hau ses dau ert im Durch sch n itt 3 oder 4 Tag e. Vorg e s c h r ie b e n war die Einsp a r u n g des Bauma te r ials . Die Däche r muss te man behu ts a m heru n te r n e h me n , die Holzteile unve r s e h r t aufb e w a h r e n und über h a u p t nich ts brec h e n . Für jede Schä d ig u n g des Mater ia ls erhie lt man 25 Schlä g e mit dem Scha u f e lg r if f . Die Maue r n wurd e n mit der Hand abg eb r o ch en , die Zieg elstein e waren mit eisern en Stäb en vom Mau erk itt zu rein ig e n und dann aufz u s tap e ln . Das Haus f u n d a men t muss te eben f a lls aufg e r ä u mt und das ganz e also unbe b a u te r Bode n freig e le g t werd e n . Dies e Arbe it ford e r te ihre Opfe r . Auss e r de n häuf ig e n Vers c h ü ttu n g e n oder [dem Eins tü r z e n ] von Maue r n sind zahlr e ic h e Arbe iter durc h die Arbe it und die Kälte zugr u n d e gega n g e n . Älter e ode r gebr e c h lich e Arbe iter oder wenig e r gesc h ic k te, die den droh e n d e n Un fa llg e f a h r e n nich t schn e ll genu g ausw e ic h e n konn te n , habe n bei dies e r Arbe it häuf ig den Tod gefu n d e n . Jede n Aben d kehr ten von dies e r Ar b e it von 50 Männ e r n led ig lich 40 oder etwas mehr aus eigen e r Kraft zurüc k . Die übrig e n brach t e man entwe d e r als Leich e n oder in völli g ersch ö p f t e m Zust a n d auf eine m Schu b k a r r e n oder auf Bretter n h e im. Nach dem Appe ll im Lager (zum Appe ll muss te n dies e Unglü c k lich e n auch lieg e n d ersc h e in e n ) brac h ten wir sie in den Kran k e n b a u . Von den dort eing e lief e r t e n Arbe iter n habe ich pers ö n lich noch niema n d e n wied e r g e s e h e n . Im Abbr u c h k o mman d o habe ich eine n Mona t gear b e itet, wora u f ich dann dem Kanal b a u k o mman d o zuget e i l t wo rd e n bin. Wir grub e n Gräb e n von 2 1/2- 3 m Tief e . Die letzten 50 cm muss te n wir bere its im Wass e r 173 grabe n . Vom Verla s s e n des Grabe n s wä hr e n d der Arbe it durf te kein e Rede sein . Dies e s Komman d o gehö r te eben f a lls zu den schw ier ig s ten im Lage r und ford e r te eben f a lls sein e T[od ]e s o p f e r . Späte r arbe itete ich in der soge n a n n te n Beto n k o lo n n e . Am Anfa n g muss te ich schw e r e Pfos ten und Zemen t s ä c k e trag e n , aber nach der Ankun f t von neuen Häft l i n g e n wurd e ich vom Capo des Komman d o s zur Hers tellu n g von Beto n p f o s ten komman d ie r t. Das hatte inso f e r n sein e n Vorte il, als ich nun endlich unte r eine m Dach arbeiten konn te , was das Bestr e b e n jede s neu ange k o mmen e n Häftlin g s war. Die Wetter v e r h ä ltn is s e habe n nämlich kein e n Einf lu s s auf die Arbe it. Drau s s e n wird ohne Unter b r e c h u n g gear b e itet, ohne Rück s ic h t auf Reg en , Unwetter , Sch n eefä l l e usw. Ausser der sch w eren Arb eit zittert jede r Arbe iter vor dem Schik a n ie r e n und der Miss h a n d lu n g seiten s des Komman d o f ü h r e r s , Capo s und der Vora r b e iter . Im allg e me in e n erac h tet es jed er Vorg esetzter im Lag er als sein e Pflich t, den ihm Unterstellten sein e Überleg en h eit in härtester Form spü r en zu lassen . Ein e wich tig e Rolle spielt dabei der Chara k t e r des betre f f e n d e n Mannes, aber als Grundsa t z gilt in solchen Fällen im Lager die unmitte l b a r e Veran t w o r t u n g des Vorge s e t z t e n für die ihm Unterst e l l t e n , sowie die Vera n t w o r t u n g jede s Einze l n e n für die Gesa mth e it. Der letzter e Umsta n d fö rd e r t vor allem das Denu n z ier e n . Ein Beisp ie l: Ein Kamer a d find e t unte r den Abfä llen einig e Rübe n s tü c k e , behä lt sie, arbe itet weiter und beis s t von ihne n im [g]eh e ime n ab. In einig e n Minut e n kommt der Capo angel a u f e n , der von eine m ande r e n Häft l i n g davo n info r mier t wurd e . Im Komman d o ist der Capo ein Herr s c h e r , der die Arb eit verteilt; jed er such t sein e Gun st zu erwirk en . Dass aber sein e Gun st häuf ig auf Koste n des Wohlb e f i n d e n s , ja des Le be n s von ande r e n Häftlin g e n erwo r b e n wird , darü b e r denk t man nich t nach . Der Capo unte r s u c h t mein e n Kamer a d e n , find e t die Rübe n s tü c k e , wirf t den schw a c h e n Mann zu Bode n und schlä g t ihm in bruta le r Weise auf den Kopf , den Bauc h und ins Gesic h t, läss t ihn dann in Hock s te llu n g nied e r g e h e n , die Hände auss tr e c k e n , auf die dann Ziege ls te in e geleg t werd e n und stec k t ihm die Rübe n s tü c k e in den Mund hine in . Er vers a mmelt dann die ganz e Mann s c h a f t und erklä r t uns, der Mann müss e in dies e r Positio n eine Stun d e lang verb leib e n . — Und dies e Beha n d lu n g wird für ähnlich e “Ver b r e c h e n ” für alle Komman d o a r b e iter 174 vorb e h a lten . Zur Über w a c h u n g des Miss e täter s wurd e ein Vora r b e iter gestell t , der seine Mission mit besonde r e m Eifer ausfü h r t e , indem er den Unglü c k lich e n bei jede m Vers u c h die Positio n zu ände r n , schlu g . Nach 15- 2 0 Minu te n wird der Mann ohnmä c h tig . Er wird mit Wass e r über g o s s e n und in die alte Posit i o n gebra c h t . N ach einer zweit e n Ohnma c h t wirft man ihn zur Seite und niema n d kümmer t sich weiter um ihn. Nach dem Appe ll brin g e n wir ihn in den Kran k e n b a u . Am zweiten Tag war der Mann nich t mehr am Lebe n . Ein ande r e s Beisp ie l: Zweiter Oster ta g 1942 : Sche u s s lich e s Wetter mit schw e r e n Schn e e f ä llen . Wir sitz e n im Kot und rein ig en die Zieg elstein e vom Mau erk itt. Wir frieren fürch terlich . Plö tzlich ersc h e in t der Komman d o f ü h r e r . Befe h l: “Mütz e ab, Mänte l und Jack e n heru n te r ! ” Folg s a m führ e n wir den Befe h l aus und arbe iten in Hemd e n und Unter j a c k e n weiter . Der Komman d o f ü h r e r ist glüc k lich . “Ihr drec k ig e n Polac k e n , jetzt habt Ihr Eure Feier. ” Ein junge r Häftl i n g , etwa 16 Jahre alt, hat sich in einem Grabe n an der Arbe it s s t e l l e verste c k t . Er war furcht b a r abgemag e r t , zitter t e vor Kälte und über h ö r t e offe n b a r den Appe l l . Viellei c h t war es ihm aber auch sc hon völli g gleic h g ü l t i g , einen Tag länge r oder kürz e r zu lebe n . Der Komman d o f ü h r e r entf e r n t sich in schw a n k e n d e m und unsicher e m Schritt (er ist total betrunke n ) ; bei diesem Wetter will er doch nicht draus s e n bleib e n und um die Häftl i n g e brauc h t er sich überh a u p t nich t zu kümmern , je frü h er sie sterb en , desto besser. Der Sch n ee fällt nich t mehr , aber der kalte Wind frie r t unse r e nass e n Hemd e n ein. Wir sind im [k]laren über die Situ atio n . Wir sin d zum Tod e veru rteilt. Wan n er kommt, weis s niema n d , vielleich t in eine m Auge n b lick , vielleich t in eine r Woch e , ein em Mon at, aber kommen muss er. Wir warten . Der Sch n ee fällt leich t. Da lauf e n von eine m warme n Ofen kommen d einig e Vora r b e iter hera n , um nach z u s c h a u e n , wie es mit der Arbe it steh t. Eine r von dies e n find e t den verst e c k t e n Junge n und brüll t ihn an: “Sofo r t alles auszi e h e n , Du Schwe i n e h u n d . ” Der klein e Häftl i n g reagi e r t übe rh a u p t nicht , der Vorar b e iter stür z t sich auf den Klein e n , vers e tz t ihm harte Schlä g e und schrei t : “Auszi e h e n oder ich erschl a g e Dich wie einen Hund, oder besse r ich meld e Dich beim Komman d o f ü h r e r . ” In dies e m Auge n b lick renn e n die Komman d o f ü h r e r und der Capo hera n . Ein Pfif f : “Antr e ten . ” Wir stellen 175 uns in eine r Kolo n n e auf. Wir wiss e n scho n : Alle für Eine n . Wir werd e n auf eine n offe n e n Platz gefü h r t, wo wir im Drec k vers in k e n . Jetzt begin n t das “Spo r ttr e ib e n ” : “Nied e r ! Auf! Lauf e n ! usw. ” Man wälzt sich im Kot. “Rollen ! Hüpf e n ! Sprin g e n ! Mit ausg e s tr e c k ten Händ e n ! ” Wir sind mit Kot bede c k t und halten uns kaum auf unse r e [ n ] Füss e n . Dies e s Treib e n daue r t scho n eine gute halb e Stun d e . Zum Schlu s s müss e n wir im Liege s tü tz Hebe - und Senk ü b u n g e n mach e n . Der Komman d o f ü h r e r besic h tig t die Reih e n . Er bemer k t eine n lieg e n d e n alten Mann , der nich t mehr im Stan d e ist, dies e n Spor t zu treib e n . Ein SS-Man n stür z t sich mit wild e m Tobe n auf den alten Mann , schlä g t ihn auf den Kopf und ins Gesic h t mit schw e r e n gena g e lten Stief e ln und eine r Stan g e in der Hand . Als endlich kein Lebe n s z e ic h e n von dem unglü c k lich e n Mann mehr zu vern e h men ist, hat er ihn in Ruhe gelas s e n . Wir dürf e n au fs teh e n und zur Arbe it zurü c k k e h r e n . Der schw e r miss h a n d e lte Mann wird von uns auf eine n troc k e n e n Platz zwisch en Zieg elstein en nied erg eleg t. Er öffn et die Aug en , will etwas sag en , aber sprich t kein Wort aus. Wir lassen ihn, da inzw isc h e n die Rück k e h r zur Arbe it ange o r d n e t wurd e . Der Arbe itsta g geht zu Ende , wir führ e n eine Leich e mehr an dies e m Tage heim. Wir sind dara n gewö h n t. Wir marsc h i e r e n und singe n deuts c h e lusti g e Lieder, weil der Capo dies will. Der Komman d o f ü h r e r kommt abse its mit. Er grin s t: “Gut sing t Ihr! ” . . . Währe n d mein e r Arbe it in der Beto n k o lo n n e hole ich mir eine Lung e n e n t z ü n d u n g (wie sich später herausst e l l t e ) . Anfän g l i c h fürch t e t e ich mich , den Kran k e n b a u aufz u s u c h e n und hoff te es geht scho n vorü b e r . Ich war zudem über die Verhä ltn is s e im Kran k e n b a u unte r r ic h tet. In dies e m Zeitab sch n itt keh r te man nur gan z selten vom Kran k en b au zurü ck . Nachd e m aber meine Absch w ä c h u n g sowei t fortg e s c h r i t t e n war, dass ich mich kaum bewe g e n konn t e , ging ic h denn o c h hin. Di e Gleichgültigkeit über f ie l mich . Ich hatte inso f e r n Glüc k , als mein e Beka n n te n im Kran k e n b a u sich um mich kümmer te n . Auf dies e Weise geno s s ich spez ie lle Bedin g u n g e n . Der Kran k e n b a u war bei mein e r Einlief e r u n g in drei Häus e r n unte r g e b r a c h t: Bloc k 28 — Inter n e [ r ] Bloc k , Bloc k 20 — Inf e k tio n s b lo c k , Bloc k 21 — Chir u r g is c h e r Bloc k . Auss e r d e m wurd e n späte r dem Kran k e n b a u drei Blöc k e (Blo c k 19, 9 und 10) für das sogen an n te “Hyg ien e-In stitu t” 176 angeg l i e d e r t . Dort wurde vor allem die Sterili s i e r u n g durch Röntg e n s t r a h l e n , die künstl i c h e Befr u c h t u n g von Frau e n und die Hers tellu n g von Blutp r o b e n für Bluttr a n s f u s io n e n ins Werk gese tzt. Für dies e Expe r imen te ware n Häftlin g e , Männ e r und Frau e n , haup ts ä c h lich jüd isch er Natio n alität, als Material vorg eseh en . Dieser Blo ck war vollk o mmen vom Lage r isolier t, soda s s Nach r ic h ten von dort nur selten nach auss e n durc h d r a n g e n . Die Aufn a h me in den Kran k e n b a u war nich t leich t zu erha lten . Als erste s Symp to m galt Fieb e r von 38,6 - 3 9 , 0 . Mit eine r nied r ig e r e n Temp e r a tu r wurd e niema n d zuge las s e n . Den Antr a g zum Aufs u c h e n des Kran k e n b a u s muss te man beim Bloc k f ü h r e r stellen , der auch ableh n e n konn t e . Dann konn t e der kran k e Hä ftl i n g stund e n l a n g im Hof des Krank e n b a u s auf seine Voru n t e r s u c h u n g wart e n . Wenn der Arzt (Häf t l i n g ) ihn als kran k aner k e n n t, muss er sein e Kleid e r ableg e n und meist ein kaltes Bad nehme n , bevo r er nach stun d e n la n g e m Warte n vor dem deuts c h e n Arzt ersch e in e n darf. Selb s t die Schwe r k r a n k e n musst e n auf diese Weise dem deu tsch en Arzt durch die Pfleg er vorg estellt werd en . Die vorg estellten Kran k e n werd e n in zwei Grup p e n ei nget e i l t : Zuerst die Arier und dann die Jude n . Grun d s ä tz lich empf ä n g t auf dies e Weise der deuts c h e Arzt alle vorgest e l l t e n Kranke n , teilt sie aber wi eder in zwei Gruppe n ein. Die erste Grupp e umsch l i e s s t Krank e , die im Spital verble i b e n und geheil t werden sollen . Die ander e Grup p e setzt sich aus Krank e n zusa mmen , die bereits sehr abge s c h w ä c h t, chro n is c h kra n k , ausg e h u n g e r t oder miss h a n d e lt sind und dere n Heilu n g eine läng e r e Zeit in Ansp r u c h nehme n wird . Die letzte Grup p e ist faktisc h zum Tode durc h Feno le in s p r itzu n g e n in die Herz g e g e n d veru rteilt. Die Rasse spielt dab ei ein e wich tig e Rolle. Ein Arier musste wirk lich in eine m schw e r e n Zusta n d sein , um vom Arzt zum Einsp r i t z u n g s t o d verur t e i l t zu werde n . Da geg e n wurde n die Juden , die sich im Kran k e n b a u ange meld e t habe n , zu 80-9 0 % durc h eine n solch e n Tod elimin ier t. Viele von den Jude n wuss te n davo n und meld e te n sich desh a lb als Selb s tmo r d k a n d id a ten im Spital an, wenn sie es nicht über sich brachte n , sich auf den mit elektri s c h e m Strom gelade n e n Stache l d r a h t zu werfe n . Dies e Situ a tio n daue r te da s ganz e Jahr 1942 bis zum Auge n b lick der Mass e n a u s r o ttu n g der in Ausc h w itz inter n ier te n Jude n an. Die Gefa h r 177 eine s Tode s durc h Eins p r itzu n g besta n d übrig e n s nich t nur für die Häftlin g e , die in den Kran k e n b a u neu einge l i e f e r t wurde n . Der [d]eu t s c h e Arzt pfleg te von Zeit zu Zeit (gew ö h n lich einma l im Mona t) im Spital eine eing e h e n d e Kontr o lle unte r den bere its eing e lief e r te n kran k e n Patien te n durc h z u f ü h r e n . Der Pfleg e r in jede m Kran k e n s a a l (gew ö h n lich ein Arzt) musste dem deuts c h e n Arzt die Kra n k e n vors te llen und über den Verla u f der Kran k h e it beric h ten . Hielt sich de r Kran k e läng e r e Zeit im Kran k e n b a u auf (z. B. über 1 Mona t) oder war der Kr an k e sehr abge s c h w ä c h t, so kam er auf die Liste der Verurte i l t e n . Die Krank h e i t s b ü c h e r diese r Verur t e i l t e n behie lt dann der deuts c h e Arzt, um jede Einmisc h u n g von Seiten der Häftlin g e zu veru n mö g lich e n . Jede solch e Kontr o lle der Kran k e n im Kran k e n b a u durc h den deuts c h e n Arzt erga b gewö h n lich eine Liste von 200-4 0 0 zum Tode Verur t e i l t e n , währ e n d die tägli c h e Ausle s e der neuen Patien te n 20-8 0 Tode s o p f e r umsc h lies s e n dürf te . Die Eins p r itzu n g wurd e am gleic h e n Tage vera b r e ic h t. Die neu aufg e n o mmen e n Kran k e n , die für die “Sprit z e ” (wie es im Lagerj a r g o n hiess ) vorge s e h e n waren , erhie l t e n kein e Wäsc h e und muss te n ohne Kleid e r im Saald u r c h g a n g warte n . Dann führ te man sie vom Bloc k 28 zum Bloc k 20 ab, in dem in eine m spez ie llen Raum die “Ope r a tio n ” durc h g e f ü h r t wird . Die Eins p r itzu n g e n mach te der SS-Man n Kler , ein Schu s ter von Beru f , der dies e n Dien s t im Spital als Stur mman n aufg e n o mmen und dana c h für entsp r e c h e n d e Leistu n g e n zum Ober s c h a r f ü h r e r avan c ie r te, obwo h l er ein vollk o mmen e r Idio t ist. Ausserd em erh ielt er für sein “Amt” ein e zusätzlich e Leb en smittelratio n und das Eiser n e Kreu z . Es gab Tage, an denen dies e r elen d e Kerl auf eigen e Faus t, also nicht auf Anweisu n g des deuts c h e n Arzte s sich sein e Opfe r in den Sälen des Kran k e n b a u s ausw ä h lte, um an ihne n sein e Eins p r itzu n g s te c h n ik zu ver[ v o ll]k o mmn e n . Er war Sadis t [von ] Fleis c h und Blut. Vor dem Tode pein ig te er sein e Opfe r mit der ihm eige n e n tierischen Brutalität. Später erwies sich, dass seine Nerve n denno c h durch dies e “Arb e it” über s p a n n t ware n , wesh a l b er sich auch einen Vertr e t e r geno mmen hat und zwar einen Pole n , der sich freiwil l i g dazu gemelde t hatte. Dieser Pole hiess Panszcz y k aus Krak a u , Nr. 607. Er wurde im Winte r 1942 nach Deuts c h la n d vers e tz t, wo er ange b lich vers to r b e n ist. Die Eins p r itzu n g e n wurd e n dann jewe ils von S.D. G . 's —San itäts d ie n s tg e h ilf e n 178 — oder vom Chef des Kran k en b au s verab f o lg t. Ein e Zeitlan g “amtierte” wieder freiwi l l i g ein andere r Pole namen s Jerzy Szymk o w i a k (Nr. 15490 ) , gesto r b e n im Sommer 1943 . Die Eins p r itzu n g e n wurd e n nich t nur Schw a c h e n und Kran k e n gege b e n , sond e r n auch den von de r polit i s c h e n Abtei l u n g zum Tode veru rteilten Häftlin g en . Ausserd em ereig n eten sich zwei Fälle, wo zwei Grupp e n (die erste von 40, die zwe i t e von 80 Häft l i n g e n ) von jung e n und kräf tig e n Mens c h e n im Alter von 13 bis 17 Jahr e n nur aus dem Grun d e in den Tod gesc h ic k t wurd e n , weil ihre Elter n nich t mehr lebte n und die Jung e n s im Lage r nich t als vollw e r tig e Arbe itsk r ä f te ange s e h e n wurd e n . Dann gab es die Affä r e der Mens c h e n tr a n s p o r te aus Lublin . Im Herb s t 1942 ist durc h dies e Affä r e das Lage r in Aufr u h r gera ten . Ein Sanitäts d ie n s tg e h ilf e hat es abgele h n t, den Befe h l über die Vera b r e ic h u n g von Tode s e in s p r itzu n g e n ausz u f ü h r e n , (der dann von eine m ande r e n Sanitäts d ie n s tg e h ilf e n ausg e f ü h r t wurd e ) , und meld e te sich beim Stan d [ o r t]a r z t. Dort soll er gesa g t habe n , er sei ein SS-Man n und kein Kind e r mö r d e r , und habe desh a lb den Be fe h l nich t ausg e f ü h r t. Da dies e Geschi c h t e weit und breit herum gesp r o c h e n wurde und gleic h z e i t i g auch eine Anfr a g e aus Berlin über die übe r mä s s ig e Ster b lich k e it im Kran k e n b a u des Lage r s —die Eins p r itzu n g e n habe n 15.0 0 0 - 2 0 . 0 0 0 Mens c h e n das Lebe n geko s tet — ange k o mmen war, erkl ä r te der Stan d o r tar z t Wirtz , dass ihm dies e s Verf a h r e n ganz unbe k a n n t sei und wälzte die Vera n tw o r tu n g dafür auf den Lager a r z t Entre s t , ei ne n Volk s d e u t s c h e n aus dem Posne r Gebie t ab. In dies e m Zusa mmen h a n g wurd e eine Sche in u n te r s u c h u n g eing e leitet mit Aufr u f u n g von Zeug e n au s der Kran k e n b a u - S c h r e ib s tu b e und Nach p r ü f u n g der Leich e n lis ten . Die “Bestr a f u n g ” des Lager a r z tes besta n d in der Verse tz u n g nach ei nem ande r e n Lage r bei der Buna und zwar ebenfal l s in Eigensc h a f t ei nes Lager a r z tes . Das Töten durch Eins p r itzu n g e n wurd e dara u f h in unte r b r o c h e n , aber dann in besc h r ä n k te m Umfa n g e für auss ic h ts lo s e Kran k e wied e r aufg e n o mmen . Viele von den zum Tode durc h Eins p r i t z u n g veru rt e i l t e n Häftli n g e n fanden als Versu c h s k a n i n c h e n im Hygie n i s c h e n Insti t u t (Bloc k 10) Verwe n d u n g . Die Eins p r itzu n g e n vermo c h te n zweif e llo s die Leute vom Kran k e n b a u 179 abzus c h r e c k e n . Aber als eine beson d e r e Gefah r für das Lager erwie s sich noch die Entlau s u n g . Da das ganz e Lage r meisten s verla u s t und verf lo h t war, wurd e n Ent- l a u s u n g e n durc h g e f ü h r t , aber — ab sich t l i c h oder nicht — kamen die Erge b n is s e nich t zum Vors c h e in . Z. B. erhie lten wir die Wäsc h e nach der Desi n f e k t i o n immer noch ve rlaus t . Die Entlaus u n g e n sollte n in erster Linie zur Bekä mp f u n g des Flec k typ h u s beitr a g e n , der zu eine r rich tig e n Plag e des Lage r s gewo r d e n ist. Jede Entlau s u n g s a k tio n umsc h lo s s auch eine Unter s u c h u n g der Lager i n s a s s e n . A lle Häftlinge mit schlechter Ge- s ic h ts f a r b e oder gesc h w ä c h ter Körp e r v e r f a s s u n g bestimmte der Lager a r z t je nach sein e r schle c h ten oder gute n Laun e für den Tod durc h Gase . Man über f ü h r te dann dies e Leute in den Kran k e n b a u , von wo aus 40-5 0 % der Kran k e n “auf g e r ä u mt” wurd e n . Eine beso n d e r s blutig e Entlau s u n g ging im Juli 1942 vor sich , wo ausse r den a bge s c h w ä c h t e n und kran k e n Häft l i n g e n auch die Typh u s k r a n k e n und die Insa s s e n der Nach typ h u s - Q u a r a n tä n e ohne Ausna h me nach Brzez i n k i abgef ü h r t wurden. Diese Methode galt als die radik a ls te Bekä mp f u n g des Flec k typ h u s . In unme n s c h lich e r Weise vollzo g sich die Abtra n s p o r t i e r u n g der veru r t e i l t e n Leute . Schwe r k r a n k e der chir u r g is c h e n Abteilu n g mit Ve rb ä n d e n und abge s c h w ä c h te und abge mag e r te oder scho n gesu n d e Reko n v a les z e n ten wurd e n unbe k le id e t auf eine n offe n e n Lastw a g e n verla d e n . Es war ein entse tz lich e s Schau s p ie l. Der Wage n fuhr vor den Eing a n g des Bloc k s und die Pfleg e r (ich habe solch e Tran s p o r te vielmals miter le b t) schle u d e r te n die unglü c k lich e n Kran k e n und Reko n v a les z e n ten auf eine n Hauf e n in den Wage n , wo 100 Mens c h e n zusammen g ep f erch t wurd en . Die Veru rteilten wussten natü rlich , woh in man sie führ t. Die Mehr h e it verh ielt sich apath is c h , aber ande r e , haupt s ä c h l i c h die chiru r g i s c h e n Kran k e n mit gewal t i g e n Wund e n und Blutg e s c h w ü r e n reag ier te n mit eine m unme n s c h lich e n Gehe u l. Ring s um den Wage n lief e n SS-Män n e r wie Bese s s e n e heru m und schlu g e n wild mit Stöc k e n auf die heule n d e n und sich hina u s leh n e n d e n Kran k e n ein. Schr e c k lich e Auge n b lick e erleb te n wir jede s ma l, wenn wir gezw u n g e n ware n , unse r e Freu n d e zum Wage n und s ons t in den Tod zu schle p p e n . Im allg e me in e n verh ielten sie sich verh ä ltn is mäs s ig ruhig , nahme n von uns Absc h ie d und 180 verga s s e n niema ls den Satz hinzu z u f ü g e n : “Ver g e s s t nich t die Rache . ” Unter dies e n Bedin g u n g e n verw a n d e ln sich Mens c h e n zu Stein e n . In meinem Kranke n s a a l lag ein rettun g s l o s krank e r Häftl i n g , der von seine m eige n e n Brud e r getö tet wurd e , damit ihm diese scha u d e r h a f te Reise im Lastw a g e n ersp a r t blieb e . (Ich kenne die Namen und Lage r n u mmer n dies e r Häftlin g e ) . Man kann sich vors te llen , dass wir unte r dies e n Umstä n d e n auf die deuts c h e n Märc h e n über Katyn nur mit Achsel z u c k e n reagi e r e n konn te n . III. DIE JUDE N Das Lage r in Ausc h w itz war ursp r ü n g lich nur für Polen bestimmt. Die Bewa c h u n g vers o r g te eine Grup p e von Deuts c h e n (anf ä n g lich etwa 30 Mann) , die zu diese m Zwec k e aus einem Lage r im [I]nn e r e n Deuts c h la n d s herüb e r g e b r a c h t wurde n . Diese Deuts c h e n ware n eben f a lls Lage r h ä f tlin g e , aber wenn man so sagen darf , Lage r v e te r a n e n , da sie gröss te n teils bere its im Jahr e 1934 eing e s p e r r t word e n sind . Über w ie g e n d ware n es Beruf s v e r b r e c h e r . Im Laufe der Zeit wurd e jedo c h das Lage r in Ausc h w itz zu eine m inter n a tio n a len Lage r . So bega n n im Jahr e 1941 auch die Einlief e r u n g von Jude n in dies e s Lage r . Sie wurd e n sofo r t von den Arier n abge s o n d e r t und in eine m beso n d e r e n Bloc k unte r g e b r a c h t. Ihr Schic k s a l war von vorn h e r e in besie g e lt. Wenn auch in dies e r Perio d e kein e Exek u tio n e n stattzu f in d e n pfleg te n , so steh t and ererseits fest, dass in Folg e der Miss h a n d lu n g e n durc h SS-Män n e r , Capo s und Vora r b e iter (hau p ts ä c h lich deuts c h e r Herk u n f t, aber häuf ig auch Polen ) , die nich t selten befe h ls g e mä s s hier z u gezw u n g e n ware n , ein Jude ohne Rücks ic h t auf sein e körp e r lich e Verf a s s u n g im Lage r nich t läng e r als 2 Woche n (als ober s te Zeitg r e n z e ) am Leben bleib e n konn te . Ei n beso n d e r s kräf tig e r Jude , der im Stan d e war, z. B. im Lau f sch r itt ein e Arb eit zu verrich ten (sch wer belad en e Schu b k a r r e n zu schie b e n ) , was auf di e Daue r über h a u p t unmö g lich ist, 181 muss te unte r den bestialis c h e n Schlä g e n und Hieb e n mit Scha u f e ln und Bohr e r n zugr u n d e g e h e n . Zu dies e r Zeit pfleg te n alle Jude n grun d s ä tz lich nur im Komman d o der “Kies g r u b e ” zu arbe iten . Die Arbe it besta n d darin , dass die Arbe iter den Kies aus ein er tiefen Sch lu ch t im Lau f sch r itt 15-2 0 m ein e vertik ale Bösc h u n g hina u f s c h ie b e n muss te n . Oben stan d e n SS-Män n e r und Capo s , die dem nach ihre m Gutd ü n k e n nich t rasc h genu g hina u f lau f e n d e n Arbe iter einen Stoss verse tz te n , durch welc h e n der jüdis c h e Arbe iter mit dem belad e n e n Karr e n in den Abgr u n d hinu n te r s tü r z te . Das war die belieb te s te Zers tr e u u n g der SS-Män n e r , dere n Erge b n i s immer das [g]le ic h e war. Diese Prax is umsc h lo s s eine Perio d e , die sich von der Anku n f t der erste n Jude n im Lage r bis zum Früh lin g 1942 hinz o g , also bis zum Zeitp u n k t, in dem zahlr e ic h e nach Zehnta u s e n d e n zählen d e Gros s tr a n s p o r te mit auslä n d is c h e n Jude n eing e lief e r t wurd e n und die Au sr o ttu n g s k a mp a g n e zur Entf a ltu n g geko mmen ist. In der erste n Perio d e zählte man noch im Lage r nich t sehr viele Jude n . Sie ware n meisten s poln is c h e r Staa ts a n g e h ö r ig k e it und gleichze i t i g mit den Polen eingelie f e r t , von dies e n aber sofo r t abge s o n d e r t . Sie wurd e n nich t als Jude n , sond e r n für Verg e h e n gege n die deuts c h e Staa ts g e w a lt verh a f tet. Erst seit dem Früh j a h r 1942 bega n n die Einlief e r u n g und Vern ich tu n g von Jude n wege n ih re r Rass e n z u g e h ö r ig k e it. Zur Aufn a h me dies e r Mass e n tr a n s p o r te von Jude n muss te n gewis s e Vorb e r e itu n g e n getr o f f e n werd e n . Man öffn e te spez ie ll für sie das Konz e n tr a tio n s lag e r Birk e n a u (Raj s k o hies s das Dörf c h e n ) . Die Leitu n g lag in den Händ e n von Deuts c h e n und Pole n , währ e n d die SS-Män n e r nur die Bewa c h u n g beso r g ten . Die Bedin g u n g e n ware n scha u d e r h a f t. Das Lager hatte kein Wasse r , kein e Kanalisier u n g , kein e selb s t besch e id e n e n hygie n i s c h e n Vorri c h t u n g e n . Die Häftl i n g e (Jude n ) ware n noch in ihre Zivilkle i d e r gekleide t , die rot angest r i c h e n waren . Die Nahru n g sollt e nach den selbe n Besti mmu n g e n wie in Au schwi t z vertei l t werden . Aber die Missb räu ch e waren dab ei überwältig en d . Es kam vor, dass die Häftlin g e [tag e la n g ] kein e Nahr u n g oder nur ei ne n winz ig e n Teil der Lage r r a tio n erhie lten . Die Lage r in s a s s e n wurd e n unme n s c h lich beha n d e lt. Jede Reklama t i o n , die gewagt wurde, wurde mit dem Leben bezahl t . 182 Die erste n Gros s tr a n s p o r te kamen aus Fran k r e ic h und der Slow a k e i. Die kräf tig e n Männ e r sind in das Männ e r la g e r Birk e n a u und die Frau e n — kind e r lo s e oder Mütter von erwa c h s e n e n Kind e r n — in das Frau e n - K o n z e n tr a tio n s lag e r Birk e n a u eing e lief e r t, der Rest, d. h. älter e oder schw a c h e Männ e r , Frau e n mit klein e n Kind e r n und alle arbe itsu n f ä h ig e n Häftli n g e sind nach Brzezi n k i in die Gask a mmer abge f ü h r t word e n und dort mit Blau s ä u r e verg if tet word e n . Für dies e n Zwec k wurd e n im Wald von Brzezi n k i spezie l l e Gaskammer n gebaut . Es waren leere Räume mit licht- und luftd i c h t e n Wänd e n und Venti l a t o r e n , die je nach Bedar f geöff n e t oder gesc h lo s s e n werd e n könn e n . Im Inne r e n ware n dies e Räume nach dem Vorb ild eine r Bade a n s ta lt geba u t, um die Täus c h u n g der Opfe r zu erleich te r n . Die Exek u tio n nahm folg e n d e n Verla u f : Die hier f ü r auser l e s e n e n Häftl i n g e werde n auf Lastw a g e n verla d e n . Der Zug beste h t aus 8-10 über f ü l l t e n Last w a g e n (für eine Fahrt); die Bewachu n g fällt aus, weil sich alles auf dem Lag erg eb iet absp ielt. Am End e des Zug es fäh r t ein San itätsau to mit, weil der Lag erarzt oblig ato r isch jed er Massen ex ek u tio n beiw o h n e n muss te . Bei der Anku n f t vor der Gask a mmer , die mit Stacheld r a h t umzäunt ist, müssen alle Verur t e i l t e n , Männe r , Fraue n und Kind e r sowe it sie zusa mmen ange k o mmen sind , ihre Kleid e r bis auf den nack ten Körp e r ableg e n . Jede r Hä ftlin g erhä lt dann ein Hand tu c h und ein Stüc k Seif e . Dara u f werd e n die Mens c h e n mit Schlä g e n und Hieb e n in die Kammer hinei n g e d r ä n g t und zwar bis der Raum ganz ausgef ü l l t ist. Alles wird herme th is c h [sic] abge r ie g e lt, dann werf e n spez ie ll eintr ä n ie r te SS- Mä n n e r in die Venti l a t o r e n - Ö f f n u n g Bl au s ä u r e - G a s b o mb e n hine i n . Nach 10 Minu te n werd e n die Türe n geöf f n e t und ein spez ie lles Arbe itsk o mman d o , zusa mmen g e s e tzt auss c h lies s lich aus Jude n , muss die Leich e n wegs c h a f f e n und den Raum für ei ne neue Exek u tio n fertig mach e n . In dies e m Zeitp u n k t befa n d e n sich die Krema to r ien noch nich t im Bau. Ein klein e s Krema to r iu m befan d sich in Ausch w i t z . Es wurde aber zu der Leich e n a u f r ä u mu n g nich t benu tz t. Es wurd e n also Mass e n g r ä b e r ausg e g r a b e n und die Leich e n darin aufg e s tap e lt. Dies e r Zusta n d daue r te bis zum Herb s t 1942 . Inzw isc h e n aber hat dies e Ausr o ttu n g s a k tio n durc h Gase eine weiter e Inten s iv ier u n g erfa h r e n . Die Leich e n der ermo r d e te n Jude n wur d e n nic h t meh r grün d lich 183 gebo r g e n : sie lage n auf weiten Feld e r n in lang e n Reih e n nur von eine r ganz leich te n Schic h t Erde über z o g e n . We ge n der Leich e n a u f lö s u n g entstan d e n auf diese m Gelän d e Morä s te , aus denen sich der unertr ä g lich e Leich e n g e r u c h ausd ü n s tete. Im Herbs t 1942 musste man diese Leich e n r e s te ausg r a b e n , die Knoc h e n r e s te eins a mmeln und in den Krema to r ien (vier waren fertig g es t e l l t ) verb ren n en lassen . Oder aber die Überres t e der unglü c k lich e n Mens c h e n wurd e n in gros s e n Hauf e n auf den Feld e r n zusa mmen g e leg t mit Benz in über g o [ s s ]e n und dem Feue r über g e b e n . Die in gewalt i g e n Menge n ensta n d e n e Mens c h e n a s c h e wurde gewöh n l i c h in Fuhr w e r k e n in alle Himmelsr ic h tu n g e n fortg e b r a c h t und auf den von dem Märtyr e r to d heimg e s u c h ten Feld e r n zers tr e u t. . . . Die Krema to r ien ware n inzw isc h e n kons tr u ie r t; aber der Andr a n g war gros s . Die Verg a s u n g und Verb r e n n u n g wurd e im Reko r d te mp o durc h g e f ü h r t, doch war die Zahl de r Tode s o p f e r so gros s , dass man trotz d e m zuwe ilen zu der altb e w ä h r te n Meth o d e der bren n e n d e n Leich e n h a u f e n auf dem freien Feld e Zuflu c h t nehme n muss te . . . . Annä h e r n d e Schä tzu n g e n ve rle iten uns zur Anna h me , dass auf dies e Weise über 1,5 Millio n en Jud en ausg ero ttet wurd en . Die nach Ausch w itz gebr a c h ten Jude n — mit Ausn a h me de r poln is c h e n Jude n — hatten kein e Ahnu n g , was sie dort erwa r te te . Wie wir von fran z ö s is c h e n und hollän d is c h e n Jude n erfu h r e n , habe n si e die Deuts c h e n dahin info r mier t, dass sie ihr Land zu verla s s e n hätten , um nach Polen zu fahr e n , wo jede r in seinem Fach weiter arbeit e n oder al s Ersatz für die seques t r i e r t e Unter n e h mu n g eine neue gleic h w e r tig e Unter n e h mu n g erha lten werd e . Dahe r müss te jede r von den Depo r tier te n sein ganze s Vermö g e n , sowie Geld für eine n sech s w ö c h ig e n Aufe n t h a lt mitn e h men . Dies e Meth o d e hatte zur Folg e , dass nach Ausc h w itz grös s e r e Schä tz e (von hollän d is c h e n Bankie r s , Diaman t s c h l e i f e r n ) zusamme n g e t r a g e n wurd e n . Sie wurd e n in der Folg e von dem Lage r p e r s o n a l , SS-Mä n n e r n und Häftl i n g e n , grö ssten teils ang eeig n et [sic]. Die veru rteilten Jud en sah en ihrem Los im allg e me in e n mit Ruhe entg e g e n , obsc h o n im Jahr e 1943 die Mehr h e it bere its über ihr Schic k s a l orien tier t war. Es ereig n e ten sich aber spor a d is c h Aufs tan d s v e r s u c h e oder Vers u c h e ei ne r Mass e n f lu c h t aus den Wagg o n s bei der Ankun f t, aber alles wurde blutig unter d r ü c k t. Der für diese 184 Trans p o r te bestimmte Bahn s teig war von Sche in w e r f e r n und Masc h in e n - g e w e h r p o s ten umge b e n . In eine m Fall ha t allerd in g s der Selb stsch u tzreflex der Ung lü ck lich en ein gewisses Erg eb n is gezeitig t. Das ereig n ete sich im Septe mb e r oder Okto b e r 1943 . Nach ts ist ein Tran s p o r t mit jüdis c h e n Frau e n für das Krema to r iu m ange k o mmen . Die Begle itma n n s c h a f t von SS- Män n e r n lief auf die Meng e der Ange k o mmen e n zu, ordn e te das Ausz ieh e n der Kleid e r an und jagte die unglü c k lich e n Frau e n in die Gask a mmer hine in . Das ist die beste Geleg e n h e it zum Raub e n für dies e Männ e r . Man reis s t von den Fing e r n der Frau e n di e Eher in g e oder ande r e Ring e , man entw e n d e t die Armb a n d u h r e n usw. In dem entstan d e n e n Durc h e in a n d e r entri s s eine Frau dem Schar f ü h r e r Sc hillin g e r eine Pist o l e und gab auf ihn drei Schüs s e ab, durch welch e er schw er verle t z t wurde (am nächst e n Tag ist er gesto r b e n ) . Das gab auch den a nde r e n Frau e n das Zeich e n , um gege n die ande r e n anstü r men d e n Raub tier e los zu gehen . Eine m wurd e die Nase abge r is s e n , eine m ande r e n ist die K opf h a u t aufg e r is s e n word e n . Von den Fraue n hat sich jedoc h kein e einzig e retten könn e n . Das Erge b n is war eine Vero r d n u n g , wona c h SS-Män n e r nach 8 Uhr aben d s sich im Lage r nich t mehr aufh a lten dürf e n . Dies e r Vorf a ll wurd e aller d in g s stre n g verh e imlich t. Die Vern ich tu n g s a k tio n gege n die Jude n wurd e ohne jede Mild e r u n g fortg esetzt, obw o h l im Lag er selb st die Verh ältn isse inzwisch en wen ig er gesp a n n t gewo r d e n sind . Das Schic k s a l der Jude n unte r den stän d ig e n Lage r in s a s s e n habe ich im Kap itel über die Verg a s u n g und Eins p r itzu n g der Kran k e n besc h r ieb e n . IV. DIE EXEK U T I O N E N Bis zum Sommer 1941 war das Ausc h w itz e r Lage r nur ein Konz e n - tr a tio n s lag e r und nich t ein Exek u tio n s o r t. Die erste n Exek u tio n e n ereig n e ten sich im Sommer 1941 , ganz über r a s c h e n d für die gros s e Mass e der Lager in s a s s e n . Nach dem Abe nd a p p e ll sind versc h ied e n e Nummer n 185 aufg e r u f e n word e n (ich erin n e r e mich , es ware n allein 18 Mann aus Krak a u ) . Die aufg e r u f e n e n Häftlin g e muss te n die Bekle id u n g s k a mmer aufs u c h e n , wo sie ihre Kleid e r ableg te n und gege n Lump e n (Hos e und Blus e ) austa u s c h te n . Dara u f führ te man sie zu eine r Stelle, von wo faktisc h das ganz e Lage r die Exek u tio n miter le b e n konn te . Nach der Exek u tio n wurd e ein Arbe itsk o mman d o zum Verg r a b e n der Leich e n aufg e r u te n . Dies e r Vorf a ll vers e tz te das Lage r in die grös s te Aufr e g u n g , da bis dahin ange n o mmen wurd e , dass die Vers c h ick u n g in ein Konz e n tr a tio n s lag e r die Tode s s tr a f e für Verg e h e n gege n die deutsche Staatssicherheit ausschliesse. Von dies e m Auge n b lick an, wurd e n Exek u tio n e n in gerin g e r e n oder grö sseren Zeitab sch n itten durch g efü h r t. Die Stich tag e waren hierfü r Dien s ta g und Freitag . Mit der Zeit wurd e auch ein beso n d e r e r Platz für die Exek u tio n e n herg e r ich te t und zwar au f dem Lager g e lä n d e . Bestimmt war hier f ü r das Zwisc h e n g e län d e zwisc h e n den Blöc k e n 10 und 11. Die Exek u t i o n e n fand e n nunme h r vormi t t a g s statt . Ausge f ü h r t wurde n sie folg e n d e r ma s s e n : Morg en s unmittelb ar nach dem App ell wurd en die Nummern der Häftlin g e vom Bloc k s c h r e ib e r aufg e r u f e n , dere n Regis te r k a r te n von der Haup ts c h r e ib s tu b e dem zustä n d ig e n Bl oc k zuge g a n g e n ware n . Falls auf der Regis te r k a r te der Verme r k “Gleich nach dem Morg e n a p p e ll zum Rapp o r tf ü h r e r ” die Unter s c h r if t des letzter e n stan d e n , so hies s das, dass die aufge r u f e n e n Häftl i n g e zu ersch i e s s e n waren . Der Block s c h r e ib e r versa mmel t e die Verurt e i l t e n und führte sie zu der Haupt s c h r e i b s t u b e ab. Dort wurd e n die Nummer n , Namen , Gebu r tsd a ten usw. noch ma ls über p r ü f t. 186 Dann stell e n der Lager ä l t e s t e und der Blockälteste (alles Häftlinge) die Verur t e i l t e n in Fünfe r r e i h e n auf und f ühre n sie zum Exeku t i o n s p l a t z . Dort werd e n dies e Leute in Bunk e r n eing e s p e r r t, sofe r n die Exek u tio n erst in einig e n Stun d e n von statten geht. Ande r n f a lls empfä n g t sie der Wasch r a u m, wo Kleid e r und Wäsc h e abge leg t und mit eine m Tinte n s tif t die Nummer des Veru rtei l t e n auf dem Obersch en k el aufg esch r i e b e n wird . Nach diesen Vorbe r e i t u n g e n stell t man sie wieder u m in Fünf e r r e i h e n auf und dann folg t das Hin au sj ag en der Veru rtei l t e n (vo r erst je vier Man n , dan n je zwei) zu der Exek u tio n s mau e r . Die Leute werd e n hina u s g e f ü h r t vom Ältes te n des Bloc k 11 oder vom Capo des Bunk e r s (ein Jude ) . Zu dies e m Zwec k e fass t er die Hände der beide n Verur t e i l t e n und schle p p t sie zu der Mauer . Dort stellt er sich in die Mitte zwisch en die beid en Veru rteilten . Anfän g lich waren die Verur t e i l t e n gezwu n g e n , be i der Ersc h i e s s u n g zu knien und den Kopf zu senke n . Späte r pfleg te n die Leute steh e n d ersc h o s s e n zu werde n . Darau f sch r itt der Hen k er zu den an der Mau er aufg estellten Exek u tio n s o p f e r n , legt den Gewe h r lau f am hinte r e n Teil des Kopf e s an und schie s s t. Als Exeku tio n s w a f f e dien t ein kurze s Geweh r , desse n Schüs s e ein en gelö sch ten Abk lan g hab en . Tritt der Tod nich t sofo rt ein , so folg t noch ein Schu s s . Der Exek u t i o n w ohn e n auch Häft l i n g e vom Komman d o der Leich e n t r ä g e r bei. Nach jeder Ersch i e s s u n g tritt diese s Komman d o in Aktio n . Die Leich e n werd e n in eine r Sche u n e auf eine n Stro h h a u f e n nied e r g e leg t, die Bluts p u r e n am Exek u tio n s p la tz vers c h ü ttet und die Plätz e für die Exek u tio n eine s neue n Op fer p a a r e s freig e ma c h t . Nach dem Nied e r s c h ie s s e n der ganz e n Grup p e we rd e n die Leich e n bis zum Aben d im Bloc k 28 aufb e w a h r t. Aben d s werd e n di e Leich e n auf ein gros s e s Fuhr w e r k verla d e n , wo alle Leich e n des Tage s , also die Exek u tio n s o p f e r und auf ander e Weise an diese m Tage aus dem Leben gesch ie d e n e Leute zusa mmen g e leg t werd e n . Die Häftlin g e zieh e n dann dies e n Wage n zum Krema t o r i u m. Im späte r e n Verla u f wurd e n die Leich e n in Särg e n vom Exek u tio n s p la tz wegg e b r a c h t, falls die Zahl der Leich e n nich t gros s war, oder es wurd e n Lasta u to s zur Abtr a n s p o r tier u n g der Leich e n am Aben d verw e n d e t. Der Leich e n tr a n s p o r t vollzo g sich immer währ e n d eine r Bloc k s p e r r e . Den lebe n d e n Hä ftlin g e n war es ausd r ü c k lich verbo te n , in diese n Stund e n ihre Räume zu verla s s e n . 187 Im allg e me in e n war die Lage r f ü h r u n g sehr bestr e b t, die Exek u tio n e n möglich s t zu verh e imlich e n , aber der Erfo lg dies e r Bestr e b u n g e n war immer gerin g . Wie bere its erwä h n t, nahme n die Exek u tio n e n im Sommer 1941 ihren Anfan g . Ihre Blüht e z e i t [s ic] fällt auf das Jahr 1942. Dies bega n n mit der Über f ü h r u n g der Stra f k o mp a g n ie n von Ausc h w itz nach Rajs k o (Bir k e n a u ) , etwa Ende Ap ril Anfa n g Mai 1942 . Dara u f wurd e zusa mmen mit einem Tran s p o r t von “Muse lmän n e r n ” (Mus e lman n heis s t im Lage r j a r g o n ein durc h Hung e r oder schw e r e Arbe it vollk o mmen ersc h ö p f ter Mens c h ) auch eine ganz e Meng e von gesu n d e n und kräf tig e n Mensch e n der Strafk o mp a g n i e zugete i l t . Alle erhiel t e n einen roten Punkt (in der Stra f k o mp a g n ie trug man auf der Brus t und auf dem Rück e n eine n roten Punkt für Verge h e n im Zivil l e b e n und einen schwa r z e n für die im Lager began g e n e n “Miss e taten ” ) . Dies e Stra f k o mp a g n ie n zählten 500 Mann . Jede n zweiten Tag wurd e n 10-1 5 Mann von dies e r Komp a g n ie ersch o s s e n . Der Rest musste schwe r arbeiten und die Reih e abwar te n . Gleich zeitig beg an n en auch in Ausch w itz die Massen ex ek u tio n en (Mitte Mai 1942 ) . Ein, zwei oder drei Mal [sic] in der Woch e sond e r te man 40-6 0 Mann zum Ersc h ie s s e n aus. Die Unru h e im Lage r nahm star k zu, nach d e m die Situation bis Mitte Juni keine Ä nder u n g erfah r e n hatte , (es ereig n e t e sich damals eine Mass e n e x e k u tio n von 120 Mann ) und die Span n u n g im Lage r zu eine m offe n e n Aufs tan d zu führ e n droh te . Die Lage r le itu n g war offe n b a r über dies e Stimmu n g info r mie r t, denn bei eine m Appe ll im Juni wurde uns angek ü n d i g t , dass die Exekut i o n e n einges t e l l t und die Tode s s tr a f [ e n ] aufg e h o b e n werd e n . Di e Lager in s a s s e n reagier te n zwar darau f mit gross e m Miss tr a u e n , aber eine gewis s e Beru h ig u n g ist im Lage r doch eing e tr e te n . Nach dies e m Vorf a ll trat tatsä c h lich eine Paus e von 1 1/2 bis 2 Mona ten in den Exek u tio n e n ein. Die Ersc h ie s s u n g e n wurd e n dana c h wied e r aufg e n o mmen , aber selten und in klein e n Grup p e n . So zog sich das bis Okto b e r 1942 hin, zu welch e m Zeitp u n k t sich die aller grös s te n Exek u tio n e n der Polen in Ausc h w itz ereig n e ten . Dies e r Exek u tio n fiele n 247 Pers o n e n aus den Distr ik te n Lublin und Podh a la zum Opfe r . Das Lage r reag ier te mit Entse tz e n , aber auch mit Apath ie . So ging die Serie von Exek u t i o n e n von Häft l i n g e n zu Ende, die bereits mit Todesur t e i l e n in das 188 Lage r eing e lief e r t word e n sind . Es gab unte r ihne n Leute , die sich im Lage r läng e r als ein Jahr befa n d e n und de nen ihr Schic k s a l die ganze Zeit unbek a n n t blieb . Es kam vor, dass ei n Häftl i n g , der für die Exeku t i o n ausers e h e n war, als Kranke r im Spital lag. In diese m Falle wurde er durch eine Feno le in s p r itzu n g in die Herz g e g e n d an Ort and Stelle ermo r d e t. Auf diese Weise fiel der bekan n te polnis c h e Schau s p ie le r Wito ld Zacha r e w ic z . Das heis s t aber nich t, dass im Okto b e r 1942 die letzten Exek u tio n e n der nach Ausc h w itz mit Tode s u r te ilen über f ü h r ten Häftlin g e stattg e f u n d e n habe n . Nur die Meth o d e n erfu h r e n eine gewis s e Ände r u n g . Früh e r pfleg te n die nach Ausc h w itz kommen d e n arisc h e n Häftlin g e ihre Nummer zu erha lten und ins Lage r eing e o r d n e t zu werd e n . Von nun ab wurd e jede r ankommen d e Mensc h e n t r a n s p o r t sofor t in zwei Gruppe n geteil t . Ersten s : die zum Tode verurt e i l t e n und zweite n s : die für das Verble i b e n im Konz e n tr a tio n s lag e r vorg e s e h e n e n Häf tlin g e . Die erste Grup p e erhie lt kein e Regis te r n u mmer n und wurd e von der Bloc k f ü h r e r s tu b e zum Bunk e r des Bloc k 11, also zur Exek u tio n s s te lle abge f ü h r t, wo entw e d e r sofo r t oder nach einig e [ n ] Tage n die Exek u tio n ausg e f ü h r t wurd e . Dies e s Vorg e h e n sollt e zur Gehei mh a l t u n g der Exeku t i o n e n , die damal s am späte n Abend durc h g e f ü h r t wurd e n , beitr a g e n . Auss e r d e m wurd e n die Lage r in s a s s e n im Glau b en gelassen , dass nur “Ziv ilisten ” (im Lag er wird als Häftlin g jed er ständi g e Lageri n s a s s e und als Zivil i s t der neu angek o mmen e zum Lager nicht gehör e n d e nummer n l o s e Mensc h bezei c h n e t ) ersch o s s e n werde n . Wen n also die Exek u tio n nur für “Ziv ilisten ” bestimmt war, war die Aufre g u n g im Lage r nich t so star k . Trotz d e m habe n auch die Exek u tio n e n von Lage r in s a s s e n nich t ganz aufg e h ö r t. Ein ganz scha r f e r Kurs wurde von der Lage r le itu n g im Bezu g auf die Lage r d is z ip lin und die Verg e h e n gegen die Lage r o r d n u n g eing e s c h la g e n . Für die klein s te Unter la s s u n g führ te man zum Exek u tio n s b u n k e r ab, aus dem man natü r lich nich t zurü c k k e h r te. Die Situ a tio n vers c h le c h ter te sich noch dadur c h , dass die Bestr a f u n g für solch e Verg e h e n ge ge n die Lage r o r d n u n g nunme h r den Mitgli e d e r n der politi s c h e n Verwal t u n g , d. h. der Lage r g e s t a p o obla g . So kam es, dass die Gesta p o le u te über Lebe n und Tod der Lage r in s a s s e n nach eige n e m Ermes s e n entsc h ied e n habe n . Von dies e m 189 Auge n b lick an, kam die Besp itz e lu n g im Lage r zur Blüh te [sic]. Anlas s zur Eins p e r r u n g im Exek u t i o n s b u n k e r gab ebenso ein Verdac h t politi s c h e r Natur, wie der Kontak t mit de n “Zivi l i s t e n ” , die Verbr e i t u n g von polit i s c h e n Nach r i c h t e n oder das Kommen t i e r e n in Grupp e n von O.K.W . - B e r i c h t e n , Trunk s u c h t , Diebs t a h l (von Lebensmi t t e l n , Gold, Brill[a ] n t e n ) , Fluc h tv e r d a c h t, usw. Unter dies e n Umstä n d e n muss te der Bunk e r immer überf ü l l t sein, worau f dann seine “R äumu n g ” von statt e n ging. Diese Opera t i o n wurde folge n d e r ma s s e n au sg e f ü h r t: Der Lage r f ü h r e r , Chef der polit i s c h e n Abtei l u n g Grabn e r , stür z t e in Begle i t u n g von mehre r e n SS- Män n e r n in den Bunk e r hine in , meis ten s beso f f e n und von eine m lustig e n Gelag e kommen d . Sie ging e n von eine r Zelle zur ande r e n , nahme n die Meldu n g des einge s p e r r t e n Häftl i n g s über die Straf e und die abgel a u f e n e Frist entg e g e n . Der Häftlin g konn te von Glüc k sage n , wenn der Lage r f ü h r e r in der Hand eine von der Gestap o aufges t e l l t e Liste der Todeso p f e r hatte. Gewö h n lich aber nahm er von dies e r Liste kein e Notiz. Über das Lebe n des Häftlin g s entsc h ied in solch e n Fällen nich t das Urteil, sond e r n die Stimmu n g des Komman d a n t e n und der Ei nd r u c k , den der Häft l i n g auf die besof f e n e Bande machte. Falls diese r Eind r u c k nich t schle c h t war, verb lieb der Häftlin g in sein er Zelle bis zur zweiten Exek u tio n , sofern er nich t freiw i l l i g zur Exeku t i o n ging. Ohne Pein i g u n g und Brut a l i s i e r u n g der Opfe r ging es dabe i natü r lich nich t ab. Gewö h n lich ging e n unge f ä h r 85-9 0 % der Bunk e r ma n n s c h a f t unte r die Maue r und so pfleg te der freie Platz im Bunk e r für neue Opfe r gema c h t zu werde n . A lle Exek u tio n e n in Ausc h w itz ware n typ isch e Femeg erich te. Die Öffen tlich k eit erfu h r niemals, dass für diese oder jene Handl u n g das Todes u r t e i l über diese oder jene Häftl i n g e vollstr e c k t word e n sei. Verh e imlich t wurd e n die Exek u tio n e n nich t nur vor den Lage r in s a s s e n , sond e r n vor der ganz e n Welt. Die Ange h ö r ig e n der Opfe r wurd e n in solch e n Fällen zwar ver- s tän d ig t, aber erwä h n t wird dabe i der natü r lich e Tod ihre s Verw a n d te n . Im Lage r wird eine ungla u b lich e Papie r men g e dazu verb r a u c h t, um die Kran k h e its g e s c h ic h te, die Fieb e r k u r v e n usw. der Gefa llen e n als Bewe ismater ia l zu fabrizier e n . Nach eine r Mass e n e x e k u tio n pfleg te man die Tode s a n z e ig e n teleg r a p h is c h nur je zwei pro Tag abzus c h i c k e n , um kein e n Verda c h t draus s e n zu erwec k e n . Die 190 Exek u tio n e n im Lage r wurd e n seit Begin n von eine m einz ig e n Mann ausg e f ü h r t . Zuer s t von Ober s c h a r f ü h r e r Palit s c h , der nachh e r zu einer Offiz ie r s s c h u le gesc h ic k t wurd e , die er im übrig e n nie abso lv ier te und dann von Scha r f ü h r e r Stiw e tz , der sie auch jetzt noch vollzieh t. In Ausc h w itz ware n auch Exek u tio n e n von Frau e n zu verz e ic h n e n , aber nich t in grös s e r e n Zahle n . Dage g e n wurd e n Mass e n von Mens c h e n ersc h o s s e n , die in Lastw a g e n aus der Freih e it oder aus Gefän g n is s e n zu diese m Zweck ein g eliefert word en sin d . In zwei Fällen gelan g ten gan ze Familien mit beid e n Elter n und klein e n Kind e r n zur Exek u tio n . In eine m Fall verlo r ein Säug lin g von einig e n Mona ten zusa mmen mit sein e r Mutter sein kurz e s Lebe n auf dem Exek u tio n s p la tz . 190 Edmund Veesenmayer, SS-Offizier und Sonderbotschafter in Ungarn von 1944-1945, schickte regelmäßig über den Stand der Deportationen Berichte nach Berlin. 191 IV Ghettoisierung und Deportationen in Ungarn 192 Die Konzentrierung der ungarländischen Juden begann am 16. April 1944 immer und überall auf die gleiche Weise. Anfänglich die überstürzte Konzentrierung im Ghetto, dann nach ständiger Verschlechterung der Verhältnisse in Ziegeleien, auf den Höfen, ohne Wasser, auf blosser Erde, die Ausplünderung der Juden von allen ihren materiellen Gütern, darauffolgend brutale Verhöre in Begleitung schwerer körperlicher Misshandlung in Bezug auf angeblich verborgene Wertsachen, zuletzt die Deportation, 70 Menschen in einem Wagen, als Wegzehrung ein Kübel Wasser. Wir können nicht den Verlauf der Konzentration in allen Ortschaften bis ins Einzelne beschreiben, obwohl die Daten vorhanden sind, sondern berichten nur in wenigen Worten über das kurze Leben einiger charakteristischer Konzentrierungsplätze. Ny[í]regyháza. 16. April. Nach Ny[í]regyháza und der hiervon 12 km entfernten Simapuszta wurden die Juden aus 46 umliegenden Gemeinden ausgesiedelt. In Ny[í]regyháza selbst wurden 4.120 Juden aus Ny[í]regyháza und 6.639 aus der Umgebung, insgesamt also 10.759 Personen, in 123 Häusern zusammengepfercht. Die Grundfläche dieser 123 Häuser, auch die Küchen und Vorzimmer inbegriffen, betrug insgesamt 9.665 m2, sodass [sic] auf eine Person nicht einmal 1 m2 fiel. Den Verordnungen gemäss konnte jede Person ausser der am Körper befindlichen Kleider und Wäsche noch 2 Garnituren Unterwäsche und 1 Paket von 50 kg mit sich nehmen, welches auch Nahrungsmittel für 2 Wochen enthalten musste. Leider wurden die Juden in der Provinz derart überraschend von den Gendarmen zusammengetrieben, dass sie überhaupt nichts mitnehmen konnten. Als Beispiel sei der Fall der Juden aus Ny[í]rbátor, die nach Simapuszta ausgesiedelt wurden, angeführt. Am 21. April, Freitag nachts um 11 Uhr wurden sie durch fremde Gendarmen von der Wohnung abgeholt, und nachts um 1/2 2 Uhr auf Bauernwagen aus anderen Dörfern verladen und unter brutaler Behandlung nach Simapuszta gebracht. 193 1. Mai. Die Lage hat sich auffallend verschlechtert. Aus den für das Ghetto bestimmten Strassen in Ny[í]regyháza wurden die Leute nach Padospuszta gebracht, wo die Nahrungsverhältnisse sehr schlecht sind. Sie verlangten Decken, Strohsäcke und hauptsächlich Stroh, damit sie wenigstens die Alten und Kranken vor dem Liegen auf der blossen Erde verschonen können. 5. Mai. Die in Ny[í]regyháza aus der Umgebung konzentrierten Juden werden aus der Stadt nach der ca. 6 km entfernten Wirtschaft des Barons Molnár geführt, wo sie in Tabakscheunen furchtbar zusammengepfercht untergebracht wurden. Auf dem ganzen Gebiet befindet sich nur ein einziger Brunnen, in einer Entfernung von 150 [m]. vom Lager, wohin die Leute nur hie und da in Begleitung eines Gendarmen gehen können, um Wasser zu holen. Das Traurigste ist aber, dass die Einwohner von Ny[í]regyháza selbst, denen es endlich nach Erleiden schwerer Misshandlungen gelang, sich im Ghetto zu plazieren, welches sie schon fast vollständig eingerichtet hatten, auf Grund der neuen Weisungen gezwungen waren, dieses zu verlassen. 7. Mai. Beim Morgengrauen wird sowohl das Lager in Ny[í]rjespuszta, wie auch in Simapuszta von Gendarmen umzingelt, sodass sich von jetzt an niemand dem Lager nähern kann, die Leute hungern, sie erhalten täglich 100 [g]. Brot und ebensoviel Bohnen. Geld haben sie keines, Kleider nur soviel [wie] sie anhaben. 8. Mai. Die Aussiedlung aus Ny[í]regyháza nimmt ihren Fortgang. Es sind nur mehr die Mitglieder des Judenrats und die Frontkämpfer dort. Auf Ny[í]rje[s]puszta befinden sich noch 5.665 Leute, auf einem Gebiet von kaum einigen m2 zusammengepfercht, Behandlung, wie im Konzentrationslager. Die Lage wird dadurch noch unerträglicher, dass der einzige vorhandene Brunnen zu verschlämmen beginnt. Der Wassermangel auf Simapuszta ist noch grösser als auf Ny[í]rjes. Das Lager auf Harangodpuszta beginnt man heute anzufüllen. 194 10. Mai. Die Aussiedlung nach Harangodpuszta hält weiter an. Die Kapazität der dort befindlichen Tabakscheunen beträgt nicht mehr als 3.000 Personen, aber schon am 10. Mai hat man dort eine grössere Menge von Menschen in gefährlicher [Ü]berfüllung untergebracht. Das Lager hat überhaupt kein Wasser, denn das Graben einiger Brunnen führt zu keinem Erfolg. Obwohl die Behörde die Mitnahme der notwendigsten Gegenstände gestattete, nahm die Gendarmerie den Leuten beim Eingang des Lagers alle Gebrauchsgegenstände, sogar den grösseren Teil der Lebensmittel ab. In den Lagern Simapuszta, Varj[ú]lapos und Ny[í]rjes beträgt die tägliche Lebensmittelration pro Kopf 100 [g]. Brot, 100 [g]. Kartoffeln, 10 [g]. Mehl. 15. Mai. Montag in den frühen Morgenstunden wurden die ersten 3.200 Leute, darunter Alte, Kranke, Säuglinge, schwangere Frauen, zu 70 unter schweren körperlichen Misshandlungen, bei gänzlicher Fernhaltung der umgebenden Bevölkerung, einwaggoniert mit der Bestimmung nach einem unbekannten Endziel. 22. Mai. In der Früh erfahren wir durch eine Telephonmeldung, dass die Zahl der Abtransportierten über 9.600 ausmacht. Es gibt kein Konzen- trationslager mehr in Ny[í]rjes und Harangodpuszta, auf Simapuszta befinden sich noch 760 Menschen, in Ny[í]regyháza sind jedoch nur noch die Mitglieder des Judenrats verblieben. 3. Mai. Auch die noch auf Simapuszta 760 Juden aus Ny[í]regyháza werden einwaggoniert. 6. Juni. Aus einem Telephongespräch mit der Polizei erfahren wir, dass alle Juden von Ny[í]regyháza und den umgebenden "Puszta's" [“Pusztas”?] schon weggeführt wurden, unter ihnen auch der Oberrabbiner Dr. Béla Bernstein. 195 Munkács 30. April. Die Juden von Munkács, ca. 15.000 Seelen, wurden in 12 Gassen untergebracht. Die zum Komitat Bereg gehörenden ca. 20.000 Juden wurden in der Kallus'schen und Sajovics'schen Ziegelei konzentriert. Da sie weder Geld noch Lebensmittel mitnehmen konnten, ist die Lage besorgniserregend und katastrophal. 1. Mai. Die deutschen Soldaten drangen in die Ghettos ein, was mehrere Todesopfer [forderte]. Es kamen Meldungen über 3 Typhusfälle. Wegen Arznei- und Lebensmittelmangel ist die Lage schrecklich. Ein Arzt und ein Ingenieur begingen Selbstmord. 9. Mai. Zwei Mitglieder des Judenrates wurden erschossen, die anderen schwer misshandelt. 14. Mai. Die Lage in dem Ghetto in der Stadt und besonders in den zwei Ziegeleien hat sich bis Sonntag morgens bedeutend verschlechtert. Den jüdischen Funktionären und der jüdischen Hilfspolizei wird das Verlassen des Ghettos, bezw. Lagers, was bisher gestattet war, verboten. Die Ziegeleien werden von Lagergendarmen umzingelt, und dann beginnt die Abtransportierung der dort Konzentrierten. Familien werden nicht getrennt, Arbeitsfähige und Arbeitsunfähige werden unter den schreck- [?]lichsten Verhältnissen in Begleitung der schwersten Atrozitäten einwaggoniert. Montag wurde ein neuer Transport auf den Weg gebracht. Die Zahl der Mitglieder des Judenrates wurde von 12 auf 6 herabgesetzt. 18. Mai. Das grössere Lager, wo ungefähr 13.000 Personen zusammen- gepfercht waren, wurde nach der am Sonntag begonnenen Einwaggonierung bis Mittwoch ganz ausgeleert. Der Transport, 70/80 Personen pro Wagen, wurde in der Richtung von Kassa abgefertigt. Die Abtransportierten konnten keine Sachen mit sich führen, die besseren Kleider zog man ihnen aus, und jeder Waggon führte nur einen Kübel Wasser mit. Diese zu Tode gequälten Juden wollten in Sátoralja[ú]jhely 196 aus den Waggons ausbrechen, und 30 derselben verloren glücklicherweise dabei das Leben. Das kleinere Lager wird auch liquidiert. Die Zahl der dort untergebrachten Personen beträgt 7.000. Die Juden aus Munkács, die im Ghetto untergebracht waren, wurden unter schweren Begleitumständen am 17. früh morgens in das ausgeleerte grössere Lager versetzt. Die Umstände der Versetzung waren so brutal, dass sich einige mit Messern auf die Polizisten stürzten. Hierbei kamen 5 Juden ums Leben. Die zu den Ausnahmekategorien gehörenden, selbst die vom Innenministerium versetzten [Ä]rzte, erlitten dasselbe Schicksal. 30. Mai. Wir bekamen die folgende, niederschmetternde Nachricht: Munkács, Huszt, [Nagyszőlős] sind leer; die Juden wurden alle abtransportiert. Nagyvárad. 3. Mai. Beim Morgengrauen erschienen die Ghettoplakate, und schon um 5 Uhr morgens nahm ein Detektiv in Begleitung eines Polizisten den Juden alle Wertgegenstände ab. 15/20 Minuten zum Packen der notwen-[?]digen Kleider, Bettwäsche und Lebensmittel für 14 Tage wurden bewilligt. In einem Zimmer wurden 16/18 Personen zusammengepfercht. Die Strassenfenster wurden mit Brettern verschlagen, das Ghetto umzäunt. 11. Mai. Die Bewachung des umzäunten Ghettos wurde am 11. verschärft. Die dort diensttuende Polizei wurde durch Gendarmerie abgelöst, sodass man sich dem Ghetto nicht einmal nähern konnte. Es ist bezeichnend für die Strenge, dass solche Strassen, deren eine Seite zum Ghetto gehört, wie z.B. Szacsvay-Gasse, Kertész-Gasse, Kapuc[í]nus-Gasse von der Gendarmerie bewacht werden, die der christlichen Bevölkerung nur das Gehen auf dem Bürgersteig gestatteten. Die sogenannten reicheren oder als reich zu betrachtenden Juden sind ohne Ausnahme verhaftet. Sie befinden sich in Gefangenschaft im Polizeigebäude und bei der Gendarmerie in der Burg, wo sie teuflische Peinigungen auszustehen haben. Dadurch will man sie zum Eingestehen der angeblich verborgenen Schätze zwingen. 197 24. Mai. Das kleine Ghetto, wo die Juden aus der Umgebung konzentriert waren, ist schon bald ausgeleert. Die halb zu Tode gequälten Leute wurden zu 70 einwaggoniert. Das grosse Ghetto wurde noch enger umzingelt, und die Folterung fortgesetzt. 25. Mai. Die Einwaggonierung wird weiter fortgesetzt. Nagyvárad ist entjudet. Kassa. 28. April. 11 Strassen wurden den Juden aus Kassa als Ghetto angewiesen. Diese wurden am 30. April auf 3 reduziert. Endlich wurde aber der grösste Teil der Juden aus Kassa doch in der Ziegelei untergebracht. 2. Mai. Das Schicksal der in der Ziegelei untergebrachten 12.000 Juden ist katastrophal. Frauen, Kinder und Greise sind zwar im Trockenraum der Ziegelei unter einem Dach, aber die Räumlichkeiten gewähren den aller ihrer Habseligkeiten beraubten Wesen keinen Schutz, da die T[r]ockenräume keine Seitenwände besitzen. Da die Ausgesiedelten ihre Wohnstätten, die dann später völlig ausgeraubt wurden, plötzlich verlassen mussten, kamen diese Leute ohne die notwendigste Ausrüstung und ohne Lebensmittel. Trinkwasser wird einmal täglich in den städtischen Sprengwagen hingebracht. 8. Mai. Von einem bewährten alten Freunde, einer prominenten Persönlichkeit, erhielten wir den folgenden Brief. "Für einige Stunden bin ich draussen aus den Greueln. Ich fürchte, ich halte es nicht lange aus, denn wir leiden unbeschreiblich. Wir liegen im Staube, haben weder Strohsack, noch Decke, und werden erfrieren. Die Wohnung ist versiegelt, ich sehe keinen Ausweg. Schickt mir nichts, wir bekommen es sowieso nicht. Für einige haben wir noch etwas zu essen, wie es weiter sein wird, weiss nur Gott. Hier befinden sich ungefähr 15.000 Menschen. Die Volksküche gibt uns jetzt schon einmal täglich nach langem 198 Schlangenstehen, irgendeine suppenartige Flüssigkeit. Wer wird aber diesen Betrieb aufrechterhalten, denn die Kultusgemeinde wird dazu nicht fähig sein. Ich esse seit Tagen nicht, und hoffe dadurch meinen Weg verkürzen zu können. Wir sind so vernachlässigt, dass wir nicht mehr menschenähnlich aussehen. Keinerlei Möglichkeit zur Reinigung ist vorhanden. Seitdem wir da sind, haben wir die Kleider nicht abgelegt. Viele Grüsse an Euch alle, betet für uns, damit wir bald sterben." 15. Mai. Die ersten 8 Baracken des ersten Lagers wurden ausgeleert. Damit begann die letzte Etappe der Leidensgeschichte der Juden aus Kassa. Zuerst wurden 4.800 Leute einwaggoniert. Die Männer und Jungen wurden vor den Waggons unter freiem Himmel von den Gendarmen und Polizisten vollständig entkleidet, damit sie nichts bei sich verbergen können. Die Frauen und Mädchen wurden von den Gendarmen in den Baracken auf dieselbe Weise untersucht. Die 4 Wochen der Konzentration haben unsere Brüder derart zugrundegerichtet, dass 8 derselben beim Einwaggonieren starben. In einem Waggon wurden unter grausamster Brutalität 70/80 Leute einwaggoniert. 18. Mai. Die Aussiedlung ist im Gange. Das Konzentrationslager wurde durch die Gendarmerie und Polizei von der Aussenwelt gänzlich abgesprerrt, nicht einmal die Mitglieder des Judenrates durften sich dem Lager nähern. 20. Mai. Abends um 6 Uhr werden die Mitglieder des Judenrats verhaftet. Diejenigen Christen, die den Juden irgendeinen Beistand leisteten, wurden ebenfalls einwaggoniert und mit den Juden verschleppt. 7. Juni. In Kassa gibt es keine Juden mehr. Unter solchen oder ähnlichen Umständen wurde die gesamte jüdische Bevölkerung Ungarns, mit Ausnahme von Budapest, konzentriert. Die auf Budapest bezüglichen Massnahmen wurden soeben veröffentlicht, und es 199 besteht kein Zweifel darüber, welches Schicksal den Juden in Budapest bevorsteht. Gegenwärtig sind folgende Städte vollständig entjudet: Munkács, Ungvár, [B]eregszász, [Nagyszőlős], Huszt, Máramarossziget, Nagyvárad, Nagybánya, Beszterce, Kolozsvár, Marosvásárhely, Szatmárnémet[i], Mátészalka, Baja, Barcs, Bácstopolya, Újvidék, Szabadka, Zenta, Zombor, Mar[ak]öz, Gyöngyös, Sátoraljaújhely, Sárospatak, Szilágysomlyó, Szászrégen, Sepsiszentgyörgy, Tecs[ő], Aknaszlatina, Nagykároly, Fels[ő]visó, [Nagykanizsa], Kassa, Dés, Ny[í]regyháza, Kisvárda. Die Bevölkerung folgender Städte wurde dieser Tage samt der jüdischen Bevölkerung der Umgebung konzentriert und wird in diesen Tagen deportiert: Komárom, Gy[ő]r, Dunaszerdahely, Miskolc, Pécs. 200 Subkarpathien: Munkács 35.000 Seelen Ungvár 12.000 " [B]eregszász 9.000 " Nagysz[őlő]s 8.000 " Huszt 12.000 " Máramarossziget 12.000 " Fels[ő]vis[ó] 3.500 " Tecs[ő] 8.000 " Aknaszlatina 3.500 " Iza 3.000 " ______________________________ insgesamt 106.000 Seelen Transylvanien: Nagybánya 14.000 Seelen Beszterce 8.000 " Kolozsvár 18.000 " Marosvásárhely 6.000 " Nagyvárad 25.000 " Dés 6.000 " Szilágysomolyó 8.000 " Szászrégen 6.000 " Sepsiszentgyörgy 3.000 " ______________________________ insgesamt 94.000 Seelen 201 Oberungarn: Kassa 15.000 Seelen Sátoraljaújhely Sá[rosp]atak 15.000 " Gyöngyös 5.000 " ______________________________ insgesamt 35.000 Seelen Obere Tiszagegend: Ny[í]regyháza 18.000 Seelen Kisvárda 12.000 " Mátészalka 12.000 " Szatm[á]rnémeti 25.000 " Nagykároly 8.000 " ______________________________ insgesamt 75.000 Seelen Südungarn: Nagykanizsa 7.000 Seelen Baja 8.000 " Barcs 2.000 " B[á]cstopolya 5.000 " Újvidék, Szabadka, Zenta, Zombor, Muraköz 3.000 " ______________________________ insgesamt 25.000 Seelen vom 15. Mai bis zum 10. Juni wurden insgesamt 335.000 Juden aus Ungarn deportiert. 202 203 Personenregister Apor, Gizella 86-92, 96-97 Apor, Vilmos 59, 83, 86-92 Arnóthy-Jungerth, Mihály 26 Aumayer, (Kommandant) 160-161 Bakay, Szil[á]rd 43 Baky, László 13, 42 Bavier, Jean de 23, 54 Benedek, Marcel 97 Ben-Tov, Arieh 12, 24, 54, 104 Berchert, Rudi 129 Bereczky, Albert 61-62, 64-65 Bernstein, Béla 194 Bezwinska, Jadwiga 13 Bird, Kai 33 Blau, Béla 122 Blum 121 Bodolay, László 8 Böhn, Arno 131 Boelcke, Willi A. 41 Bokor, Péter 15, 52 Braham, Randolph L. 9, 12, 13, 18, 19, 23, 25, 27, 29, 33, 35- 40, 44-49, 75, 104 Breitman, Richard, 28, 33 Burckhardt, Carl. 28 Burger, Avri 122 Burzio, Giuseppe 17, 18 Cavallier József 59-63, 79, 87, 94- 96 Cespira, Hosha 128 Churchill, Winston S. 31 Cohen, Asher 47 Conot, Robert E. 41 Conway, John 17, 18, 21, 22, 28, 35, 101 Czech, Danuta 13 Danisch, Franz 139 Davidovic, Albert 148 Deák, István 38 Dulles, Allen 27, 28 204 Eckstein, (Rabbiner) 145 Eden, Anthony 31 Ehrenreich 158 Eichmann, Adolf 14, 17, 42, 44, 46 Eisenstädter, Ludwig 138 Éliás, József 24, 46-47, 53-65, 71- 72, 79, 91 Engel, Mikl[ó]s 121 Erdélyi 147 Esty, Miklós 78-81 Feingold, Henry L. 31 Feny[ő], Maria D. 36, 42, 43, 91 Ferency, László 13 Fieder, (Rabbi) 17 Fleischmann, Gisi[Gizi?] 17, 21, 30 Freudiger, Philipp (Fülöp) 47 Fried, Juraj 122 Friedländer, Saul 44 Fuchs, Barna 157 Fuerst, (Direktor) 17 Fürst, R[ó]zsi 133 Galbavy aus Holic 144 Garrett, Walter 27 Gergely, Ferenc 55 Gerhardy, Harrison A. 32 Gilbert, Martin 12-21, 31, 33, 35, 100-101, 104, 154 Goebbels, Josef 38 Goering, Hermann 40 Gork, Kasimir 140 Gosztony, Peter 92 Grabner, (Lagerführer) 188 Gross aus Vrbové (?) 117 Gustav V. 26, 29, 34 Hämmerle, Albert 129 Harrison, Leland 28, 47 Hartenstein, (Kommandant) 16, 161 Hellinger, Magda 160-161 Herbert, Ulrich 42 Hetényi-Varga, Károly 51 Hilberg, Raul 12 Himmler, Heinrich 16, 38, 40-42, 159-160 Hirsch, Fredy 131-133 Hitler, Adolf 14, 28, 36-41, 50, 76, 91, 98 Höss, Rudolf 13, 140, 158 Holz 121 Horthy, Frau István von (Gräfin Ilona Gyulai Edelsheim) 63, 64, 85-97 Horthy, István von 63 205 Horthy, Miklós von 14, 17, 22, 23, 25-26, 28, 29, 34-43, 58, 76, 78, 84, 87-91, 98, 102 Horthy, Miklós von, d.J. 37 Huelsbergen, Ursula 8 Jánosi, (Pater) 87, 94-98 Kahan, Adolf 120 Kahan, Ester 120 Kállai, [Gy]ula 62 Kárpáty, Géza 62 Karsai, Elek 12, 52, 71 Kastner, Rudolf 17-20, 23, 46, 71 Katerzinski, Mieczislav 130 Katja aus Povazska Bystrica 150 Katz, Chaim, aus Snina 121, 138 Katz, Chaim 158 Katz, Ludwig 122 Kemény, Lajos 60, 64 Kien, Alfred 129 Kis[s?], György 51, 82 Klein, Matej 120 Kler, (Oberscharführer) 176 Komoly, Ottó 46, 62 Konya, István 23 Kopecky, Jaromir 21, 26-27, 28, 101, 154 Koppelmann, Isidor 28 Kovacz, Tibor 17 Kramer, (Kommandant) 158, 161 Krasnansky, Oscar 17, 18, 21-22, 26, 45, 101, 108 Krausz, Moshe (Miklós) 27, 104 Kraut, Alan M. 33 Küll[ő]i, Péter 8 Kulka, Erich 14, 15, 45 Lakatos, Géza 51 Langsfeld, Hugo 135 Lanik, Josef - vgl. Alfred Wetzler Lapide, Pinchas 77 Laqueur, Walter 28 Laufer, Meiloch 120 Laufschner, Ruzenka 135 Lázár, Károly 35 Lévai (Levai), Jen[ ő] 14, 38-40, 42-44, 52, 65 Lichtenstein, Heiner 33, 49 Lichtheim, Richard 101 Lorant, Mici 157 Lorant, Ruth 157 Macartney, C.A. 35, 39-40, 48-49 Mandel, Zoltán 121 Manoliu, Florian 27 Mantello, Georges (György Mandel) 27-28, 104 Marrus, Michael R. 38 Martilotti, Mario 18, 101 206 Mátrai, Gyula 83 McCagg, William 38 McClelland, Roswell D. 27, 30, 34, 45, 100-103 McCloy, John J. 31-33 Mester, Miklós 51 Milch, Erhard 40 Mindszenty, József, (Kardinal) 75 Mittler aus Sered 144 Mordarki, Viktor 117 Mordowicz, Czeslaw 8, 13, 18, 34, 99-104 Müller, Andreas 183 Munkácsi, Ern[ő] 18-19 Nathan, Alexander 47 Neumann, Alexander 129 Neumann, Jozef 138 Neumann, Oscar 17 Osteringer, Rudi 129 Palitsch, (Oberscharführer) 188 Panszczyk, aus Krakau 176 Pehle, John W. 31-34, 100 Penkower, Monty Noam 31 Perényi, Zsigmond, 64 Peterson, Agnes F. 42 Pet[ő], Ern[ő] 37 Pius XI. 76 Pius XII. 26, 34, 43-45, 77-78, 81, 95 Preysing, Konrad 77 Quasztler, Ruth 157 Raffay, Sándor 62, 64, 86 Ránki, György 39 Ravasz, László 23-25, 40, 56, 64- 65, 86, 92-94 Reichmann, Walter 120 Reisner, József 27 Reitlinger, Gerald 33, 38, 42 Ribbentrop, Joachim 38-39 Riegner, Gerhart M. 27, 28, 46, 103, 154 Rings, Werner 28, 46, 104 Roosevelt, Franklin Delano 26, 30-32, 34, 100 Rosenberg, Walter - vgl. Rudolf Vrba Rosenheim, Jacob 31 Rosenthal, Leo 17 Rosenwasser, Josef 122 Rosin, Arnost 8, 13, 18, 34, 99- 104, 138 Roth aus Michalovce 141 Roth, Irene 157 Rotta, Angelo 44, 95-97 Rozsi aus Hummené 207 Rudolph, Hartmut 8 Sagalowitz, Benjamin 28, 104 Scheiner, Oskar 123 Schmidt, Mária 46 Schmidt, Matthias 42 Schön, Dezs[ő] 52 Schulte, Eduard 28 Schwalb, Nathan 7, 18, 45, 101 Schwarzhuber, (Kommandant) 134, 140, 161 Serédi, Jusztinián 17, 25, 44, 61, 64, 69-70, 74-83, 94 Seyss-Inguart, Arthur 77 Silagi, Denis 47 Silberschein, A. 103 Smith, Bradley F. 42 Solomann, Ludwig 138 Soós, Géza 22, 55-63, 71 Speer, Albert 40-42 Spira aus Stropkov oder Vranov 129 Spitzer, Aladar 123 Spitzer, Walter 138 Squire, Paul 28 Stahler, Alois 129 Stark 158 Stein, Edith 77 Steiner, (Architekt) 17 Steiner, Mikulas 122 Stern, Samu 47 Sternbuch, Isaac 30 Stich, Zdenek 128 Stiwetz, (Scharführer) 189 Stuba, (Blockführer) 165 Szakasits, Árpád 62 Szálasi, Ferenc 36 Székely, Mária (Küll[ ő]i-Rhorer) 53, 60-61, 66-73, 103 Szenes, Sándor 7, 8, 23, 44, 47, 48, 49, 51-97 Szent-Iványi, Domonkos 63 Szinai, Miklós 37, 91 Szladits, Károly 68-70 Sztójay, Döme 12, 4-26, 35, 39, 43-44, 51, 53, 60, 64, 82 Sz[ű]cs, László 37, 91 Szymkowiak, Jerzy 177 Tabeau, Jerzy 20, 21, 33, 52, 99- 102, 163-189 Teleki, Pál 55 Thorez 121 Tildy, Zoltán 62 Török, Sándor 23, 26, 44, 47, 53, 63, 84-97 Tyn 130 V[á]g[ó], B[é]la 9 208 Vállay, Gyula 86-92 Varga, Imre 47 Veesenmayer, Edmund 12, 33, 34, 40, 42, 190 Verolino, Gennaro 52 Vörös, János 35 Vrba, Rudolf 13, 19, 21-25, 28-34, 44-49, 51-141 Wagner, Fero 122 Waizen, Ervin 158 Waizen, Robert 158 Weiss, Alexander 122 Weiss, Vojtech 123 Weiss, (Kommandant) 161 Weissmandel, Dov 17, 18, 21, 30, 46, 97 Wallenberg, Raoul 36 Wertheimer, Misi 122 Wertheimer, Sándor 122 Wetzler, Alfred 13-19, 21-25, 28- 34, 44-49, 51-105, 142-152 Wiesel, Elie 9-10 Winkler, Maco 142 Wykleff, (SS-Scharführer) 148 Wyman, David S. 30, 32, 33, 45, 46 Zakar, András 44, 53, 74-83 Zelmanovic, Jozef 120, 138 Zimmer 129